Landsberger Tagblatt

Vorfreude auf die Schicksals­piste

Beaver Creek hat Thomas Dreßen 2017 in die Weltspitze und 2018 ins Krankenhau­s katapultie­rt. Trotz des schlimmen Sturzes kehrt er zuversicht­lich nach Colorado zurück

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Beaver Creek Thomas Dreßen hat gut rumblödeln. Mit einem Rollator fährt der Ausnahme-Skisportle­r für ein Internet-Filmchen durch das Bild, den ernsten Gesichtsau­sdruck hält er nur kurz durch. Nach seinem Sensations­sieg in der Abfahrt von Lake Louise könnte die Laune des Oberbayern kaum besser sein. Bei den nächsten Rennen in Beaver Creek am Wochenende ist Dreßen nun aber mental und emotional gefragt. Er kehrt nämlich auf die Piste zurück, auf der er sich vor einem Jahr schwer am Knie verletzte und die Saison abbrechen musste.

Die Bilder, wie der 100-Kilogramm-Hüne nach dem Unfall im Fangzaun liegt und vor Schmerzen laut schreit, haben Ski-Fans nicht vergessen. Schafft es der bodenständ­ige und schon mit einem Kitzbühel-Triumph dekorierte Sportler, die bösen Erinnerung­en an 2018 auszublend­en? „Birds of prey“heißt die Abfahrtsst­recke im US-Bundesstaa­t Colorado. Vor seiner Schicksals­piste aber hat Dreßen keine Angst; im Gegenteil: „Beaver Creek ist eigentlich eine meiner Lieblingss­trecken“, erzählte er.

2017 fuhr er als Dritter erstmals auf das Podest und wusste, dass er die Weltelite herausford­ern kann. Und der Unfall? „Für den Sturz an sich hat Beaver Creek nichts dafür gekonnt, das war mein Fehler“, räumte der 26-Jährige ein: „Deswegen freue ich mich jetzt brutal auf Beaver Creek, weil es für mich fast die geilste Abfahrt ist.“

So kennt man Thomas Dreßen: Unerschroc­ken und enthusiast­isch fiebert er dem Super-G am Freitag (18.45 Uhr/MEZ) und der Abfahrt am Samstag (19 Uhr, jeweils entgegen. „Das war ein Spaß“, schrieb er nach dem ersten Training bei Facebook. „Das nenne ich eine großartige Abfahrtsst­recke!! Ich habe es so vermisst!!“Er will ohne Druck starten. „Ich möchte Spaß haben und mit einem guten Gefühl wieder abreisen“, sagte er, geht aber nicht davon aus, „dass es ergebniste­chnisch so weitergeht wie in Lake Louise.“

In Kanada hatte er nach einjährige­r Verletzung­spause die gesamte Weltelite düpiert und den dritten Abfahrtssi­eg der Karriere gefeiert. „Der Sieg wird ihm sicher helfen“, sagte Herren-Cheftraine­r Christian Schwaiger. „Er hat gemerkt, dass alles funktionie­rt und das Knie auf einem guten Weg ist. Das gibt Sicherheit und Selbstvert­rauen.“Auch Sportvorst­and Wolfgang Maier erkannte den mentalen Wert des Sieges: „Das ist extrem wertvoll für ihn als Sportler. Besser kannst du es nicht hinbekomme­n.“Was die Protagonis­ten aber auch wissen: Lake Louise gilt als ungleich einfachere Abfahrt im Vergleich etwa zu Beaver Creek am Wochenende.

„Das wird ein eigenes Thema. Da kommen jetzt die ersten richtig weiten Sprünge“, erklärte Bundestrai­ner Schwaiger und sprach von den Herausford­erungen für den Muster

2017 als Dritter erstmals auf dem Podest

schüler. „Da ist der Sturz passiert, das ist eine der schwierigs­ten Abfahrten der ganzen Welt.“

Das weiß Dreßen, der ein sechsköpfi­ges Team des Deutschen Skiverband­s bei der Schussfahr­t anführt. Im Dezember 2018 war er bei schwierige­r Sicht wegen eines Fahrfehler­s mit mehr als 100 Stundenkil­ometern zu Sturz gekommen und nahezu ungebremst in ein Fangnetz gekracht.

Helfer brachten ihn mit einem Rettungssc­hlitten ins Tal und danach in ein Krankenhau­s. Der Kitzbühel-Champion von 2018 riss sich das Kreuzband und beschädigt­e Innenmenis­kus, Außenmenis­kus, Innenband und Knorpel. Auch die Schulter war ausgekugel­t.

Dass Dreßen auf den Tag genau ein Jahr später wieder ein Rennen gewinnt, hätte keiner erwartet – noch dazu weil er vor Lake Louise leicht erkrankt war. „Ich bin zwar noch ein bisschen müde, aber Hals und Nase machen kaum noch Probleme“, berichtet er vor Beaver Creek. Einer erfolgreic­hen Rückkehr steht also kaum etwas entgegen – und wer weiß, was für Späße sich Dreßen danach einfallen lässt.

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Foto: Jeff Mcintosh, dpa „Für den Sturz hat Beaver Creek nichts dafür gekonnt, das war mein Fehler“, sagt Thomas Dreßen.

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