Muss man Artikel hinter der Paywall hervorholen?
Bezahlschranke „Würdet Ihr zum Tod von @jimmyschulz Euer letztes Interview mit ihm hinter der Paywall hervorholen – für heute? Nicht für mich, sondern weil es viele Menschen lesen sollten“, fragte Blogger und Moderator Richard Gutjahr kürzlich den Spiegel auf Twitter. Die Kollegen schalteten ihr „SpiegelPlus“-Interview mit dem FDP-Netzpolitiker (unser Foto), der am 25. November mit nur 51 Jahren in Hohenbrunn bei München gestorben ist, frei.
Eine nette Geste.
Der Wunsch oder die Forderung nach Freischaltung
von Bezahlinhalten ist immer wieder zu hören, immer wieder verbunden mit dem Argument: Der Inhalt habe eine derartige Relevanz oder sei von derart übergeordnetem öffentlichen Interesse, dass er im Netz kostenlos zugänglich sein solle, ja müsse. Das Interview mit Jimmy Schulz über dessen Umgang mit seiner Krebserkrankung ist ein Beispiel dafür. Es ist berührend und ihm sind viele Leser zu wünschen, gewiss. Aber die Argumente, warum Medien Artikel wieder hinter der Bezahlschranke hervorholen sollten, ja müssten, sind schief. Man mag an Notfälle denken, einen Terroranschlag möglicherweise, wo dies eine Pflicht für Medien wäre. Auf die meisten Fälle trifft derlei nicht zu.
In der Forderung hallt nach, dass in Teilen des Internets jahrzehntelang eine Kostenloskultur herrschte. Auch aus dem Gedanken heraus, dass das Internet die weltweite Kommunikation demokratisieren solle. Ein schöner Gedanke, der der Realität aber nicht standhalten konnte. Dazu gäbe es noch viel zu schreiben – vielleicht bei nächster Gelegenheit in dieser Kolumne.
Die Kostenloskultur jedenfalls führte zur Anspruchshaltung, dass sämtliche Inhalte im Netz – insbesondere Inhalte von Zeitungen – auch kostenlos zugänglich zu sein haben (für Gutjahrs Bitte an den Spiegel gilt das nicht). Eine Forderung, die an andere Medien nicht in dem Maße gestellt wird. Selbstverständlich etwa wird für Streamingdienste gezahlt. Und selbstverständlich fordert niemand am Kiosk, er müsse diese oder jene Zeitung kostenlos bekommen, weil deren Inhalt für ihn gerade so relevant sei.
Wenn immer mehr Zeitungen ihre Inhalte hinter Paywalls stellen, ist das nur legitim. Qualitätsjournalismus hat seinen Preis. (Andere Geschäftsmodelle gibt es ja nach wie vor, sie basieren dann eben auf anderen Finanzierungsmodellen.)
Die Debatte um kostenlose oder kostenpflichtige Inhalte von Medien wurde in den vergangenen Jahren teils überaus ideologisch und polemisch geführt. Jimmy Schulz hatte klare Positionen, klare Forderungen – und setzte sich gleichwohl für eine grundsätzlichere Debatte ein. „Wie kommen diejenigen zu einem fairen Ausgleich, die schöpferisch tätig sind, und diejenigen, die den Ausfluss dieser schöpferischen Tätigkeit konsumieren? Dass der eine sinnvoll konsumieren kann und der andere eine faire Entlohnung dafür bekommt“– darüber müssten wir nachdenken, sagte er. Er wird es leider nicht mehr tun können.