Warum Bayerns Winterdienst jetzt auf Gurkenwasser setzt
Ein Abfallprodukt des Lebensmittelherstellers Develey soll im Kampf gegen Eis und Schnee helfen – und ist sogar trinkbar
Gersthofen Bekannt ist das niederbayerische Unternehmen Develey für Lebensmittel. Doch in diesem Winter gibt es auch auf Bayerns Straßen seinen Senf dazu – zumindest in übertragenem Sinn. Aufbereitetes Gurkenwasser aus dem Stammwerk in Dingolfing soll helfen im Kampf gegen Eis und Schnee.
Was auf den ersten Blick wie ein Scherz klingt, ist der volle Ernst der Bayerischen Staatsbauverwaltung und wurde am Freitag in Gersthofen (Landkreis Augsburg) von Bau- und Verkehrsminister Hans Reichhart (CSU) der Öffentlichkeit vorgestellt. In einer Gemeinschaftsaktion mit Develey soll Abwasser aus deren Lebensmittelproduktion in Salz-Sole verwandelt werden, die im Winter auf die Straßen gespritzt wird. Bewährt sich das Verfahren, könnten auch weitere Lebensmittelproduzenten eingebunden werden. So gibt es schon Gespräche mit dem schwäbischen Konservenhersteller Durach in Todtenweis (Kreis Aichach-Friedberg). Reichhart: „Eine coole Geschichte“.
Das Prinzip dahinter ist relativ simpel, wie der Projektleiter Patrick
Biebl in Gersthofen erklärte. Bei Develey in Dingolfing werden jährlich 17000 Tonnen Gurken verarbeitet. Sie landen jeden Sommer in 1000 Silos und werden dort mit Salzwasser versetzt. Gehen die Gurken dann in die Produktion, bleiben pro Silo rund 10000 Liter Salzwasser übrig, die bei der Entsorgung mühsam geklärt werden müssen, was technisch aufwendig und nicht vollständig möglich ist.
In Dingolfing nun wird das Gurkenwasser mit weiterem Salz versetzt, bis es sich als Sole für den Winterdienst eignet. Unterm Strich will der Freistaat so in diesem Winter 700 Tonnen Salz und knapp fünf Millionen Liter Wasser einsparen und so die Umwelt entlasten. Develey spart sich die Klärung.
Im Pilot-Versuch soll das „Streumittel“aus dem Gurken-Silo im Bereich Landshut eingesetzt werden, da es wenig Sinn hat, die Sole quer durch den Freistaat zu karren. Nur für die Vorstellung in der Autobahnmeisterei in Gersthofen war ein Tanklaster vorgefahren. Nach Gurken schmeckt das Wasser übrigens nicht mehr, wie Reichhart nach einem kurzen Geschmackstest feststellte. Sein Urteil: „Ist genießbar, aber nur in Maßen.“
Insgesamt werden auf den bayerischen Staats- und Bundesstraßen sowie Autobahnen jeden Winter 320000 Tonnen Salz und 120 Millionen Liter Sole verbraucht. Mehr als 3000 Mitarbeiter und 1300 Fahrzeuge werden eingesetzt, um die Straßen im Winter frei zu halten. Reichhart erinnerte an den hohen persönlichen Einsatz der Winterdienst-Beschäftigten, die auch bei schwierigsten Straßenverhältnissen ausrücken müssten. An die Autofahrer appellierte er, ihre Fahrweise an die Verhältnisse anzupassen.