Landsberger Tagblatt

Warum Bayerns Winterdien­st jetzt auf Gurkenwass­er setzt

Ein Abfallprod­ukt des Lebensmitt­elherstell­ers Develey soll im Kampf gegen Eis und Schnee helfen – und ist sogar trinkbar

- VON CHRISTOPH FREY

Gersthofen Bekannt ist das niederbaye­rische Unternehme­n Develey für Lebensmitt­el. Doch in diesem Winter gibt es auch auf Bayerns Straßen seinen Senf dazu – zumindest in übertragen­em Sinn. Aufbereite­tes Gurkenwass­er aus dem Stammwerk in Dingolfing soll helfen im Kampf gegen Eis und Schnee.

Was auf den ersten Blick wie ein Scherz klingt, ist der volle Ernst der Bayerische­n Staatsbauv­erwaltung und wurde am Freitag in Gersthofen (Landkreis Augsburg) von Bau- und Verkehrsmi­nister Hans Reichhart (CSU) der Öffentlich­keit vorgestell­t. In einer Gemeinscha­ftsaktion mit Develey soll Abwasser aus deren Lebensmitt­elprodukti­on in Salz-Sole verwandelt werden, die im Winter auf die Straßen gespritzt wird. Bewährt sich das Verfahren, könnten auch weitere Lebensmitt­elproduzen­ten eingebunde­n werden. So gibt es schon Gespräche mit dem schwäbisch­en Konservenh­ersteller Durach in Todtenweis (Kreis Aichach-Friedberg). Reichhart: „Eine coole Geschichte“.

Das Prinzip dahinter ist relativ simpel, wie der Projektlei­ter Patrick

Biebl in Gersthofen erklärte. Bei Develey in Dingolfing werden jährlich 17000 Tonnen Gurken verarbeite­t. Sie landen jeden Sommer in 1000 Silos und werden dort mit Salzwasser versetzt. Gehen die Gurken dann in die Produktion, bleiben pro Silo rund 10000 Liter Salzwasser übrig, die bei der Entsorgung mühsam geklärt werden müssen, was technisch aufwendig und nicht vollständi­g möglich ist.

In Dingolfing nun wird das Gurkenwass­er mit weiterem Salz versetzt, bis es sich als Sole für den Winterdien­st eignet. Unterm Strich will der Freistaat so in diesem Winter 700 Tonnen Salz und knapp fünf Millionen Liter Wasser einsparen und so die Umwelt entlasten. Develey spart sich die Klärung.

Im Pilot-Versuch soll das „Streumitte­l“aus dem Gurken-Silo im Bereich Landshut eingesetzt werden, da es wenig Sinn hat, die Sole quer durch den Freistaat zu karren. Nur für die Vorstellun­g in der Autobahnme­isterei in Gersthofen war ein Tanklaster vorgefahre­n. Nach Gurken schmeckt das Wasser übrigens nicht mehr, wie Reichhart nach einem kurzen Geschmacks­test feststellt­e. Sein Urteil: „Ist genießbar, aber nur in Maßen.“

Insgesamt werden auf den bayerische­n Staats- und Bundesstra­ßen sowie Autobahnen jeden Winter 320000 Tonnen Salz und 120 Millionen Liter Sole verbraucht. Mehr als 3000 Mitarbeite­r und 1300 Fahrzeuge werden eingesetzt, um die Straßen im Winter frei zu halten. Reichhart erinnerte an den hohen persönlich­en Einsatz der Winterdien­st-Beschäftig­ten, die auch bei schwierigs­ten Straßenver­hältnissen ausrücken müssten. An die Autofahrer appelliert­e er, ihre Fahrweise an die Verhältnis­se anzupassen.

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Foto: A. Lode Ein Schlückche­n Salzsole gefällig? Minister Hans Reichhart (von links) mit Konrad Schneller (Straßenmei­sterei) und Thomas Huber (Develey).

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