Musik, Musik, Musik
Die Karriere von Carlos Cipa begann in Landsberg. Heute ist der 29-Jährige als Produzent, Musiker und Orchestrator erfolgreich. Dabei möchte er so frei wie möglich arbeiten. Warum ihm das auf seinem neuen Album besonders gut gelungen ist
München/Landsberg Sehr selten trifft man heutzutage auf junge Menschen, die unbeirrbar ihren Weg gehen. Die mit einer Ernsthaftigkeit bei der Sache sind. Die absolute Freiheit für ihre Kunst beanspruchen und leben. Und die am liebsten nur über das Eine reden: Musik. Während seiner Europatournee, sozusagen zwischen Wien und London, findet Carlos Cipa noch Zeit, für ein Gespräch nach Landsberg vorbeizuschauen. Denn hier in der Stadt am Lech begann vor 23 Jahren seine Musikkarriere.
Als Sechsjähriger stieg er das erste Mal die Stufen der Landsberger Musikschule hinauf in das Zimmer von Dr. Maximilian Hofbauer. Zehn Jahre lang strenge, klassische Klavierschulung inklusive einiger Jugend-musiziert-Wettbewerbe. Carlos Cipa ist 1990 in München geboren, in Eching aufgewachsen und in St. Ottilien zur Schule gegangen. Weder Eltern noch andere Verwandte waren musikalisch vorgeprägt, dennoch war für den Buben schon früh klar, dass er später etwas mit Musik machen wolle. Klassische Musik bewegt sich nun in einem sehr engen Rahmen, der allenfalls Interpretationen des Altbewährten zulässt. Eher Handwerk (wenn auch virtuoses) als Kreativität könnte man sagen. Und den Jugendlichen Carlos trieb es eindeutig in die freie, kreative Richtung.
Mit 16 Jahren tauschte er das Klavier gegen das Schlagzeug und lernte bei seinem Schlagzeuglehrer in St. Ottilien „alles über das freie Musizieren“. Eine „Initialzündung“, sagt der ernste junge Mann und erinnert sich noch genau an dieses staunende Gefühl damals, „wow, man kann selber etwas kreieren.“Noch vor Ende der Schulzeit begann er zu komponieren, ein kleiner Raum in der Schule bot ihm kreative Zuflucht. Mit Freunden spielte er damals als Schlagzeuger in der Band Pangaea, „eher so Heavy Metal und Punk“, während er gleichzeitig Ideen für neue Klaviermusik entwickelte, das Abitur machte und von 2010 bis 2012 eine erste eigene Platte („The Monarch and the Viceroy“) aufnahm.
Zur selben Zeit besuchte er ein paar Kurse für Tontechnik und Jazzarrangement an der privaten „Akademie Deutsche POP“in München. Mit seinem Debütalbum 2012 machte er sich einen Namen als gefühlvoller Purist und ging gleich deutschlandweit auf Tour. Anschließend bestand er die Aufnahmeprüfung für klassische Komposition an der Musikhochschule München. „Hier habe ich extrem viel gelernt, vor allem, was ich will und was ich nicht will.“Nach drei Jahren befand Cipa: „Jetzt weiß ich alles“und hörte kurz vor dem Abschluss auf, um musikalisch seiner eigenen Wege zu gehen. Mit der zweiten Soloplatte (All Your Life You Walk, 2014) spielte er bereits europaweit mehr als 100 Konzerte. Cipas Musik kann unter dem Label „Neoklassik“oder „minimal music“eingeordnet werden. Sie besitzt „eine eigene Form der Orchestrierung“, häufig intuitiv und experimentell, dennoch auch sehr technisch. „Ich bin Produzent, Musiker und Orchestrator in einem. Der Fluss der Kreativität ist durch die Rollen verteilt, die ich einnehme.“
Cipa redet weiter von „Voicings“, „Umkehrungen“,“Harmoniefolgen“und „Klängen, die mit nichts assoziiert werden können“. Es kommt eine überaus berührende, fast schon melancholische Musik dabei heraus, streckenweise zart und verspielt, dann wieder kontemplativ und vielfältig. Eine Mischung aus Klassik und Ambient, aus Jazz, Pop und Elektronica.
Im Haus seiner Großeltern in Obermenzing, dass der 29-Jährige mit seiner Freundin und Komponistenkollegin Sophia Pfleger (Künstlername Sophia Jani) bewohnt, hat er sich im Keller ein Musikzimmer und ein Studio eingerichtet. Hier sammelt er ungewöhnliche Musikinstrumente, die er für seine Kompositionen verwendet: eine Celesta etwa oder Rhodes, dann ein akustisches Glockenklavier, analoge Synthesizer und anderes. Bei seinen Livekonzerten kommen viele dieser Instrumente zum Einsatz, „da steht kein Laptop auf der Bühne, das ist fast Kammermusik mit elektronischen Elementen.“
Ob Film- oder Dokumentarfilmmusik, Kompositionen für Streichquartette, eigene Notenhefte, Plattenverkauf, Solo- oder Bandkonzerte: Carlos Cipa interessiert es, neue, eigene Wege zu finden. Künstlerisch möchte er so frei wie möglich arbeiten, „lieber nischiger, nicht
Mit 16 tauschte er das Klavier gegen das Schlagzeug
Nächtelang an Rhythmik und Harmonien gearbeitet
kommerziell, dafür meinem Weg folgen und mich nicht verbiegen.“Dennoch ist es ihm wichtig, „anspruchsvolle Musik für ein breitest mögliches Publikum“zu machen.
Die aktuelle Platte ist fertig, „ein langer Ideenfindungsprozess“, nächtelang hat Cipa an Harmonien und Rhythmik gearbeitet. Erst nach abgeschlossenem Prozess hat er sich auf die Suche nach einem geeigneten Label gemacht und hat in „Warner Classics“, einen „major label deal“gemacht. Dort habe er glücklicherweise seelenverwandte Menschen gefunden, die ihn unterstützen und so viel Freiheit lassen, wie er braucht. Die Plattenfirma über sein neues Album: „Auf Retronyms trifft Improvisation auf Kompositionskunst, akustische und teils außergewöhnliche Instrumente wie die Celesta auf elektronische Produktionsmethoden oder analoge Synthesizer. Zwischen der Avantgarde-Ästhetik vom Opener „fanfare“über das orchestrale „senna’s joy“hin zur abschließenden Improvisation „paon“hat Cipa seinen Ansatz als Komponist radikal erweitert.“
Nächsten März wird Carlos Cipa mit seiner neuen Platte auch im Stadttheater auftreten.