AfD-Spitze will keinen rechten „Flügel“mehr
In Berlin fordert der Vorstand die Auflösung. Wie reagieren Höcke und Kalbitz?
Berlin Hinter den Kulissen der AfD in Berlin geht es zur Sache: Die Parteispitze der AfD diskutiert über eine Auflösung des vom Thüringer Landeschef Björn Höcke gegründeten rechten „Flügels“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte vorige Woche erklärt, der „Flügel“sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung richte. Seitdem befürchten gemäßigte Kräfte in der AfD, dass die gesamte Partei als Verdachtsfall eingestuft werden könnte – und fordern interne Konsequenzen.
Nach Angaben aus Parteikreisen schlug der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen am Freitag in der Sitzung des Bundesvorstands in Berlin vor, der „Flügel“solle sich bis zum Monatsende auflösen. Die Forderung soll dem Vernehmen nach bei etlichen Teilnehmern generell auf Zustimmung gestoßen sein. Die Frage aber, wie und wann dies erfolgen sollte, sei kontrovers diskutiert worden. Der Co-Vorsitzende Tino Chrupalla schlug vor zu beschließen, dass der Bundesvorstand als Ergebnis eines „Flügel“-Treffens an diesem Samstag „eine Erklärung darüber erwartet, dass der Flügel bereit ist, die vorhandenen Strukturen zurückzubauen mit einem konkreten Zeit- und Maßnahmenplan“. Diese Idee unterstützte nach dpaInformationen auch Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel. Am späten Nachmittag schließlich fiel ein Beschluss, in dem die Auflösung des „Flügels“gefordert wird.
Kritiker des „Flügels“innerhalb der AfD befürchten, dass die gesamte Partei demnächst vom Verfassungsschutz beobachtet werden könnte. Sie argumentieren, da der „Flügel“keine formale Mitgliedschaft
kenne, sei eine Abgrenzung zur Gesamtpartei schwierig. Höcke hatte zuletzt mit der Äußerung, bestimmte Leute sollten „allmählich auch mal ausgeschwitzt werden“, den Unmut etlicher AfD-Funktionäre auf sich gezogen. Vor der Sitzung am Freitag hatten mehrere Spitzenfunktionäre westlicher Landesverbände in Schreiben an Meuthen und Chrupalla Maßnahmen gegen Höcke gefordert. „Wer den „Flügel“weiter gewähren lässt, gefährdet die Zukunft der gesamten AfD“, sagte Hamburgs AfD-Chef Dirk Nockemann. Der „Flügel“müsse aufhören, aus einer Minderheitsposition eine gefühlte Mehrheit zu machen, die die Partei dominiere.
Nockemann forderte Höcke und den zweiten „Flügel“-Frontmann, Brandenburgs, AfD-Chef Andreas Kalbitz, „zu einer vollständigen Einstellung aller flügelbezogenen Aktivitäten“auf. Auch andere Funktionäre forderten, die Vereinigung solle sich auflösen. Kalbitz muss aus Sicht seiner Kritiker zudem belegen, dass er früher nicht Mitglied der inzwischen verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) war. Er selbst bestreitet dies.
Für Erleichterung bei Meuthen und Weidel sorgte am Freitag eine Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der AfD, dass der badenwürttembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon die Partei verlassen muss. Dieser sieht sich Antisemitismus-Vorwürfen ausgesetzt. Dass Gedeon nun wegen parteischädigenden Verhaltens ausgeschlossen werde, sei ein „so überfälliges wie richtiges und wichtiges Zeichen“, sagte Meuthen. Gedeon habe der Partei mit seinen „israelfeindlichen und antisemitischen Positionen über Jahre schweren Schaden zugefügt“, betonte Meuthen.
Politiker von SPD und FDP kritisierten den Ausschluss als nicht ernst gemeintes, durchsichtiges Manöver. Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Kritiker befürchten, dass die ganze AfD beobachtet wird