Bestatter in Sorge
Eine behördliche Mitteilung, wie mit verstorbenen Corona-Patienten umzugehen ist, löst Aufregung aus. Und Angehörige müssen sich auf schärfere Regelungen einstellen
Augsburg Die stetige Ausbreitung des Coronavirus und dessen Auswirkungen bringen das öffentliche Leben in Bayern immer mehr durcheinander. Das haben auch die Bestattungsunternehmen festgestellt. Neue Vorschriften im Zusammenhang mit dem Virus zwingen die Institute zu Sicherheitsmaßnahmen. Damit nicht genug: Ein Schreiben des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) vor wenigen Tagen, das unserer Redaktion vorliegt, sorgte für zusätzlichen Wirbel, berichtet Jörg Freudensprung, Geschäftsstellenleiter des Bestatterverbandes Bayern. „Das hat bei unseren Bestattern große Unruhe ausgelöst.“Sie haben Angst, sich mit dem Virus anzustecken.
Anlass dafür war folgender Hinweis des LGL: Bei an Covid-19-Verstorbenen handelt es sich um infektiöse, jedoch aber nicht um hochkontagiöse Leichname. „Das wäre zum Beispiel bei Ebola der Fall, das ja bereits hochansteckend ist, wenn man sich nur im selben Raum mit dem Toten befindet“, erklärt Freudensprung. Dennoch erklärte das LGL in seinem Schreiben, dass eine Kennzeichnung in der Todesbescheinigung als „infektiöse Leiche“nicht notwendig sei. Eine Sprecherin des LGL weist auf Anfrage darauf hin, dass grundsätzlich jeder Leichnam Träger von Erregern sein kann und damit potenziell infektiös. Entsprechende Schutzkleidung sei deshalb immer erforderlich.
„Nach dem Schreiben ging ein Aufschrei durch unsere Reihen“, erzählt Jörg Freudensprung. Auch ein Bestatter aus der Region, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, wandte sich besorgt an unsere Redaktion. „Wenn Corona als Todesursache auf dem Totenschein nicht vermerkt würde, hätten wir Angst, uns mit dem Virus anzustecken.“Das Problem habe sich mittlerweile aber geklärt, berichtet Freudensprung. Das LGL hat seine Mitteilung zurückgezogen. Auf den Internetseiten des LGL und des Robert Koch-Instituts (RKI) ist nun zu lesen: Bei einer Covid-19-Todesursache muss der Verstorbene als kontagiös angesehen werden. Kontagiös bedeutet so viel wie infektiös, also ansteckend. Daher ist aus Vorsichtsgründen auf der Todesbescheinigung auf die Infektionsgefahr hinzuweisen und die Kennzeichnung als „infektiöse Leiche“zu vermerken. Und es wird empfohlen, Covid-19 namentlich zu benennen. Der Umgang mit Covid-19-Verstorbenen entspricht dem Umgang mit an Influenza Verstorbenen.
Wissen die Bestatter, dass der Verstorbene an einer Infektionskrankheit wie Covid-19, Influenza oder Hepatitis litt, müssen sie bestimmte Vorsichtsmaßnahmen treffen. Sie tragen Schutzanzüge, Atemschutzmasken und Einweghandschuhe, sie müssen ein spezielles Desinfektionsmittel und einen Leichensack mitbringen, erklärt der Bestatter aus der Region: „Für uns ist es wichtig zu wissen, wenn Corona nachgewiesen wurde. Wir müssen einfach ganz anders arbeiten, wenn wir mit einer infizierten Leiche arbeiten, gegen dessen Erreger es noch kein Heilmittel gibt.“
Darüber hinaus gelten im Zuge der Coronakrise auch für die Bestattungen und Trauergesellschaften schärfere Regeln. Grundsätzlich sind bis zum 19. April alle Trauergottesdienste, Aussegnungen, Verabschiedungen und Beisetzungen untersagt. Ausnahmen gelten nur unter bestimmten Bedingungen: Urnenbeisetzungen müssen verschoben werden, an Beerdigungen dürfen maximal 15 Personen exklusive der Bestattungsmitarbeiter und des Pfarrers teilnehmen. „Auch Todesanzeigen und Aushänge an Friedhöfen und Leichenhäusern sind verboten“, sagt der Bestatter aus unserer Region. Alle teilnehmenden Personen müssen untereinander einen Abstand von 1,5 Metern einhalten, das gilt auch für geschlossene Räume. Auch offene Aufbahrungen sind nicht mehr möglich. „Die Bestatter müssen außerdem alle Namen der Trauergäste und deren Adresse notieren“, ergänzt Jörg Freudensprung vom Bestatterverband Bayern. „Dadurch können, wenn es tatsächlich zu einer Infektion kommt, alle Personen zurückverfolgt werden.“
Die meisten Trauernden hätten für alle diese Vorschriften auch Verständnis, sagt Peter Jehle, Sachgebietsleiter Bestattungswesen und Friedhof der Stadt Neu-Ulm. „Wenn doch einmal mehr Personen kommen als erlaubt, versuchen wir, im Gespräch vor Ort eine Lösung zu finden.“Das könnte zum Beispiel sein, dass nur die engsten Angehörigen mit ans Grab dürften, der Rest müsse sich dann im Nachhinein einzeln am Grab verabschieden.
Ähnliche Erfahrungen hat auch Jörg Freudensprung gemacht. „Viele Leute haben diese Schritte ja schon kommen sehen und halten sich daran – auch wenn die Trauer groß ist.“Es gebe aber Einzelfälle, da zeigten die Leute Unverständnis und seien hochaggressiv. „Es gab sogar schon den Fall, da sollte ein Trauergottesdienst mit 300 Personen stattfinden. Da haben wir als Bestatter dann die Polizei gerufen.“
Ihre Erlebnisse schicken Sie uns bitte unter dem Stichwort „Leser schreiben für Leser“an folgende E-MailAdresse:
Bitte denken Sie daran, Ihren Namen, Ihren Wohnort und eine Telefonnummer für Rückfragen anzugeben sowie ein Foto von Ihnen mitzuschicken.