Die Mutter aller Schwalben
Als Andreas Möller 1995 im Strafraum zu Boden sinkt, beschert ihm das einen Ruf auf Lebenszeit
Augsburg Manchmal ist die Internet-Suchmaschine schon der beste Hinweisgeber. Trägt man das Stichwort Schwalbe ein, bietet Google sofort als Auto-Vervollständigung Andreas Möller an. Vergessen Sie Mario Götze, Arjen Robben oder Timo Werner. Andreas Möller hat die Mutter aller Schwalben auf den Rasen gezaubert.
Es war am 13. April 1995. Borussia Dortmund gegen den Karlsruher SC. Die Dortmunder liegen im eigenen Stadion zurück, als sich Andreas Möller in der 76. Minute nach einem Doppelpass in Richtung KSC-Tor bewegt. Dirk Schuster, Verteidiger der Gäste, kreuzt seinen Weg, steht aber noch weit weg vom Dortmunder. Man hätte noch einen Kleinwagen zwischen den beiden parken können, wird Schuster später sagen. Plötzlich sinkt aber Möller zu Boden – als wäre er heftig in die Füße getreten worden. Schiedsrichter Günther Habermann lässt sich von diesem Betrugsversuch täuschen und entscheidet auf Elfmeter für die Borussia. Es ist die Wende im Spiel. Bis dahin lag der BVB 0:1 zurück, am Ende gewinnen die Dortmunder mit 2:1 und dürfen sich am Saisonende sogar über die Meisterschaft freuen, während der Karlsruher SC die erhoffte Uefa-Cup-Teilnahme verpasst. Was so eine Schwalbe nicht alles anrichten kann. Möller hätte die Situation aufklären können. Er hätte seinen Täuschungsversuch zugeben können. Tat er aber nicht. Hinterher sagte er: „Bei jedem anderen wäre ich zum Schiedsrichter gegangen und hätte gesagt, dass es kein Elfmeter war, bei ihm jedoch nicht.“Möller und der damalige KSC-Trainer Winfried Schäfer hatten ein Problem miteinander, das ist auch nach dem Spiel deutlich in ihren Aussagen zu spüren. „Eben haben kleine Kinder meiner Mannschaft den Mittelfinger gezeigt. Das ist das Produkt von Möller“, sagte Winfried Schäfer.
Dirk Schuster hatte noch während der Partie um Aufklärung bei Andreas Möller gebeten. Bei einer Ecke kurz vor Spielende habe er den Dortmunder gefragt, was er sich bei diesem Hechtsprung gedacht habe. Möller gab sein Fehlverhalten offenbar zu, sprach davon, dass der Zweck die Mittel heilige. Nach Spielschluss aber hörte sich das anders an. In einem Interview sagte Möller: „Das war eine Schutzschwalbe. Ich dachte, dass Dirk Schuster mich voll umhauen würde.“Nun ist Schuster, der nicht gerade als zimperlicher Abwehrspieler bekannt war, in dieser Hinsicht tatsächlich einiges zuzutrauen. In dieser Szene aber war er so weit von Möller weg, dass für dessen Gesundheit wahrlich keine Gefahr bestand. Da schien es gar gefährlicher, sich einfach so auf den Rasen zu werfen. Man weiß ja nie, was bei so einem Aufprall alles passieren kann.
Möller durfte sich allerdings nur kurzzeitig über seinen Beitrag zum Dortmunder Sieg freuen. Er wird nachträglich vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) für zwei Spiele gesperrt und muss 10000 Mark Strafe zahlen. Und Bundestrainer Berti Vogts nahm den Dortmunder sogar kurzfristig aus der Nationalmannschaft. Von den Fans der anderen Mannschaften wird Möller fortan beschimpft und verunglimpft. Viel Ärger also für eine Schutzschwalbe.