Landsberger Tagblatt

Der schönste Tag muss verschoben werden

Sandra Gerdon aus München und Michael Fritsch aus Stadl wollten heute eigentlich vor dem Traualtar stehen. Das Virus hat ihre Pläne erst einmal zunichtege­macht. Warum sie sich derzeit auch nicht sehen können

- VON FRAUKE VANGIERDEG­OM

Stadl/München Es sollten eigentlich die schönsten Tage in ihrem Leben werden. Rund ein Jahr haben Sandra Gerdon aus München und Michael Fritsch aus Stadl auf den Moment hingearbei­tet, an dem sich die 37-jährige Justizange­stellte und der 42 Jahre alte Wirtschaft­sinformati­ker das Jawort geben wollten. Die Eheringe mit dem eingravier­ten Hochzeitsd­atum liegen in der Schublade, das Brautkleid und der Smoking hängen in den Schränken, die Einladungs­karten sind gedruckt und verschickt. Aber weder die standesamt­liche Trauung beim Vilgertsho­fer Bürgermeis­ter Dr. Albert Thurner noch die kirchliche Hochzeit in der Wallfahrts­kirche in Vilgertsho­fen finden statt. Und es gibt auch keine Hochzeitsf­eier.

Sandra Gerdon hat die vergangene­n Tage in München verbracht, während ihr Bräutigam in seinem Heimatort Stadl geblieben ist. Schuld an der Trennung des Paares ist das Coronaviru­s. Es hat nicht nur die Pläne des Brautpaars zunichtege­macht, es zwingt die beiden sogar, auf Nähe zueinander zu verzichten. „Wir möchten sowohl meine Schwiegerm­utter als auch meinen Vater schützen“, erklärt Gerdon die Entscheidu­ng, dieser Tage alleine in der Münchner Wohnung auszuharre­n. Schließlic­h habe sie beruflich viel Kontakt zu Menschen.

Seit dem Sommer 2016 kennt sich das Paar. Vor etwa einem Jahr fiel der Entschluss, sich trauen zu lassen. Die Vorbereitu­ngen liefen sehr gut. Bald war die passende Hochzeitsl­ocation gefunden, der Fotograf gebucht und die Band bestellt. Zusammen mit ihrem Vater hat Sandra

Gerdon ihr Brautkleid ausgewählt. „Meine Mama lebt schon seit vielen Jahren nicht mehr und mein Verhältnis zu meinem Vater ist ein sehr inniges“, sagt sie. Die Vorfreude auf den großen Moment wuchs von Tag zu Tag. Dass es keine Hochzeit geben könnte, daran habe niemand auch nur eine Sekunde lang gedacht.

Aber es sollte anders kommen: „Mein Onkel hat uns vor ein paar Tagen einen Zeitungsar­tikel geschickt, in dem angekündig­t wurde, dass in München-Freising Trauungen wegen des Coronaviru­s abgesagt werden“, erinnert sich Michael Fritsch. Als er dann im Gasthaus anrief, in dem die Hochzeitsf­eier stattfinde­n sollte, kam die erste Absage. „Kurz darauf haben wir dann auch schon einen Anruf vom Diakon bekommen, dass aus der Trauung am 28. März nichts wird.“

Noch hatte das Paar die Hoffnung, wenigstens standesamt­lich heiraten zu können. „Immerhin haben wir überall dieses Datum aufdrucken lassen und in unseren Ringen steht es ja auch“, sagt die Braut. „Ich habe mich am Anfang wirklich noch an die standesamt­liche Hochzeit geklammert“, erinnert sich Sandra Gerdon. Sie habe etwa zwei Tage gebraucht, das Ganze zu realisiere­n. „Michael hat mich wieder aufgebaut mit ganz lieben Worten.

Das ist eine seiner großen Stärken“, sagt sie. Trotzdem sei es im Augenblick nicht einfach. „Mir tut die Arbeit gut. Ich habe sehr viel zu tun und das lenkt mich ab.“

Sandra und Michael hätten durchaus am Donnerstag standesamt­lich heiraten können. Zusammen mit dem Standesbea­mten und

Trauzeugen wäre das erlaubt gewesen. „Das kam aber für uns nicht infrage“, sagt Michael Fritsch. Und auch die Braut ist der Meinung, dass ihre Hochzeit nicht auf einen formellen Akt reduziert werden sollte. „Dann lieber jetzt gar nicht“, ist sie sicher. Auch wenn im Augenblick die Enttäuschu­ng groß sei. „Mir fällt das Alleinsein hier in München gerade besonders schwer.“

Währenddes­sen sitzt Michael Fritsch in Stadl und hat ein mulmiges Gefühl. Er sagt: „Wir haben uns schrittwei­se damit abfinden können, die Absage kam ja nicht ganz plötzlich, sondern scheibchen­weise.“Angesichts der Lage sei ein „Problem“weit in den Hintergrun­d gerückt, über das sich die beiden im Rahmen der Vorbereitu­ngen viele Gedanken gemacht hätten. „Wir hatten Bedenken, dass der Oldtimer, mit dem wir fahren wollten, nicht genutzt werden kann, sollte Schnee liegen“, erinnert sich Fritsch. „Wenn das mal unser einziges Problem geblieben wäre.“

Zum Glück hätte alles ohne Schwierigk­eiten abgesagt beziehungs­weise verschoben werden können. „Ich habe einen halben Tag mit allen Betroffene­n telefonier­t“, erinnert sich der Bräutigam.

Und wie geht es jetzt weiter? „Die Hochzeit ist ja nicht aufgehoben, nur verschoben“, betonen beide. Vermutlich wird im November geheiratet, wenn das Lokal, die Band, die Make-up-Artistin und der Fotograf an einem Datum unter einen Hut gebracht werden können. Dann könnte es sein, dass sich die beiden Brautleute Ringe an die Finger stecken, in denen zwei Daten eingravier­t sind. Die Idee dazu hatte Sandra Gerdon und ihr Bräutigam kann sich das auch gut vorstellen.

Ein anderes Hochzeitsd­atum aussuchen müssen sich derzeit einige Brautpaare im Landkreis. Wie Maria Pittrich, die fachliche Leiterin des Standesamt­s in Landsberg mitteilt, haben dort fünf Paare ihre Trauung verschoben, drei haben vorerst ganz abgesagt. Aber: Es gibt auch Paare, die sich trotz der Krise trauen. „Nächste Woche haben wir vier Trauungen“, sagt Pittrich. Das sei aber im Vergleich zu normalen Zeiten nicht viel. Allein im vergangene­n Jahr verzeichne­te das Landsberge­r Standesamt 312 Trauungen. Weil niemand weiß, wie sich die Krise weiterentw­ickelt, hätten drei Brautpaare den Trauungste­rmin sogar noch vorgezogen. „Vielleicht aus Sorge, es könne sogar noch zu Ausgangssp­erren kommen“, vermutet Maria Pittrich.

Die Vorfreude wuchs von Tag zu Tag

 ??  ??
 ??  ?? Sandra Gerdon und Michael Fritsch müssen aufgrund der Corona-Krise ihre Hochzeit verschiebe­n. Die kirchliche Trauung hätte eigentlich in der Wallfahrts­kirche in Vilgertsho­fen stattfinde­n sollen.
Sandra Gerdon und Michael Fritsch müssen aufgrund der Corona-Krise ihre Hochzeit verschiebe­n. Die kirchliche Trauung hätte eigentlich in der Wallfahrts­kirche in Vilgertsho­fen stattfinde­n sollen.
 ?? Fotos: Aida/Ralf Lienert/Thorsten Jordan ??
Fotos: Aida/Ralf Lienert/Thorsten Jordan

Newspapers in German

Newspapers from Germany