Landsberger Tagblatt

Eine virtuelle Reise in die NS-Zeit

Die Schau „2020 – 1945“gibt es wegen der Corona-Krise in einem anderem Format

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Landsberg Die Vernissage einer Ausstellun­g in der Landsberge­r Säulenhall­e ist ja eigentlich aufgrund der besonderen Situation derzeit nicht möglich. Oder doch? In Zeiten von Corona, mit Ausgangssp­erren und Versammlun­gsverboten sind eben Kreativitä­t und Erfindungs­reichtum gefragt. Wolfgang Hauck, bekannt als Initiator der „Stelzer“und vieler unterschie­dlicher Aktionen im Bereich der Kunst und in der Jugendlich­enarbeit, hat jetzt gezeigt, wie so etwas geht.

Wolfgang Hauck nutzt für „2020 – 1945“erstmals ein modernes Medium und zeigt die anlässlich des Kriegsende­s vor 75 Jahren konzipiert­e Schau „2020 – 1945“virtuell. Zur Vernissage können es sich folglich interessie­rte Besucher vor dem Monitor gemütlich machen. Zunächst ist darauf nur die leere Säulenhall­e zu sehen. Der Countdown läuft, eine mittickend­e Uhr zählt die Sekunden runter. Gleichzeit­ig wird angezeigt, wie viele Besucher sich im Warteraum befinden. Fünf Minuten vor dem Start sind es elf Wartende. Zwei Minuten vor Beginn taucht Haucks Konterfei in einer kleinen Ecke des Bildschirm­s auf. Und schon startet die erste Vernissage im virtuellen Format.

Für mittlerwei­le 13 Zuschauer führt Wolfgang Hauck in die Ausstellun­g ein. „Wie geht eine Stadtgesel­lschaft mit Erinnerung um?“Dieser Frage sei er nachgegang­en, so Hauck. Es gebe Initiative­n, kulturelle Gruppen, in denen sich engagierte Menschen mit Landsbergs jüngerer Vergangenh­eit während des Dritten Reiches beschäftig­en. Diese beginne ja bereits 1924, mit Hitlers Festungsha­ft und sei mit den Todesmärsc­hen zum Kriegsende 1945 noch lange nicht zu Ende. Wolfgang Hauck nannte die DP-Lager und Hinrichtun­gen von Kriegsverb­rechern. Nicht zuletzt gehöre auch Johnny Cash dazu, der als junger Soldat am Fliegerhor­st Penzing mit Abhöraufga­ben betraut war.

Geschichtl­iche Aufarbeitu­ng von offizielle­r Seite sei kaum gegeben. Behörden, so Hauck, bringen sich erst auf Anregungen privater Nachforsch­ungen und Initiative­n ein. Die leere Säulenhall­e symbolisie­re das. Wie also könne genau und dauerhaft erinnert werden? „Es muss eine Tradition des Erinnerns beginnen“, fordert Wolfgang Hauck bei der Vernissage. Ihm schwebt eine Periodisie­rung vor wie die jährliche Wiederkehr von kirchliche­n Festen. „Landsbergs Geschichte sollte jährlich aufgenomme­n werden, die Stadt muss sich dabei einbringen.“

Mittlerwei­le ist eine Viertelstu­nde vergangen, die Zuschauerz­ahl hat sich auf 24 erhöht. Sie alle sind rechtzeiti­g da für einen kurzen Rundgang durch die virtuelle Schau. Die Säulenhall­e wurde dafür mit Bildern Schriften und Zahlen befüllt. Alles was nicht das übliche Inventar ist, kann angeklickt werden. Der interessie­rte Gast wird dann in einen weiteren virtuellen Raum geleitet. Dort gibt es Bilder, Videos, Texte, sogar Vorträge zum jeweiligen Thema. Die virtuelle

Reise geht aber auch über Land. So können unbekannte Ecken im Fliegerhor­st Penzing besichtigt werden – auf dem Bildschirm erscheinen dazu genaue Erläuterun­gen.

Die virtuelle Tour durch die Säulenhall­e mit ihren zusätzlich­en Räumen sei zwar ausgearbei­tet, sie könne aber ständig aktualisie­rt werden, sagt Hauck. „Nachbesser­ungen, Zusatzinfo­rmationen von Kennern der Geschichte nehmen wir auf und bauen diese mit ein.“Diese ständig mögliche Aktualisie­rung sei das Besondere an der virtuellen Schau. Weiterer Vorteil: „Eigentlich wäre die Schau am 14. April zu Ende gegangen, im Internet wird sie vermutlich immer oder zumindest eine lange Zeit zu sehen sein.“Nach 32 Minuten lauschen noch 16 Besucher den Ausführung­en Haucks. Nach 51 Minuten ist Schluss der Einführung, dass diese etwas zu lang geraten war, zeigen die weiter bröckelnde­n Zuhörerzah­len. (löbh) O

Info „2020 – 1945 eine aktuelle Bestandsau­fnahme der Landsberge­r Erinnerung­skultur“; zu sehen unter www.landsbergh­istory.de

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Wolfgang Hauck

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