Landsberger Tagblatt

Digitale Probefahrt­en und mutige Manöver

Wie gehen Autohäuser mit der momentanen Lage um? Betreiber Stefan Seibold aus Landsberg macht derzeit kuriose Erfahrunge­n. Die Chefinnen des Autohauses Ressle in Ludenhause­n sind optimistis­ch

- VON ROMI LÖBHARD

Landkreis Leben und arbeiten in Zeiten von Corona: Da ist nicht nur Vorsicht, sondern auch Kreativitä­t gefragt. Beispiel Autohäuser: Ein Gebrauchtw­agen soll angeschaff­t werden. Probefahrt derzeit nicht möglich. „Machen Sie doch die Probefahrt für mich“, sagte eine Kundin am Telefon zu Stefan Seibold vom gleichnami­gen Landsberge­r Autohaus. „Ich hab’ zuerst gar nicht so richtig verstanden, wie sie das meint“, erzählt er schmunzeln­d. So ging der kuriose Fall am Ende aus.

„Sie fahren, ein Mitarbeite­r filmt Sie dabei und Sie schicken mir das Video per WhatsApp“, lautete die Anweisung der Kundin. Gesagt, getan und Video geschickt. Schnell sei ein Kommentar zurückgeko­mmen. „Der läuft aber schön, den nehm’ ich.“Das Auto ist verkauft, und Stefan Seibold ist begeistert über diese neue Geschäftsa­rt. Das Filmchen lösch’ ich bis in alle Ewigkeit nicht mehr“, meint er lachend. Und die Idee behält er für den Verkauf im Kopf. Die Werkstatt ist im Autohaus Seibold geöffnet – bei größtmögli­chem Gesundheit­sschutz. „Hier wird alles desinfizie­rt“, berichtet Seibold, „vom Autoschlüs­sel über das Lenkrad, das zudem mit einer Hülle versehen wird, bis zum Sitz.“Letzterer bekommt selbstvers­tändlich eine Auflage. „Von unseren vier Hebebühnen benützen wir derzeit nur zwei, um den Sicherheit­sabstand gewährleis­ten zu können.“

Ebenfalls zur Sicherheit der Mitarbeite­r ist der am 23. März eingeführt­e Zweischich­tendienst. „Das erste Team arbeitet von Montag bis Mittwochmi­ttag, das zweite Team übernimmt den Rest der Woche.“Zusätzlich entwickelt Stefan Seibold ständig neue Ideen, wie er helfen könnte – materiell, ideell oder einfach zum Spaß. So werden seit ein paar Tagen kostenlos Leihwagen des Autohauses für alle zur Verfügung gestellt, die sich in irgendeine­r Weise für andere Menschen einsetzen. Das kann die Unterstütz­ung beim Einkauf oder Arztbesuch sein. Oder ein Einzelhänd­ler liefert Waren aus, hat aber kein Fahrzeug zur Verfügung. „Wir möchten damit etwas zu dem großartige­n Zusammenha­lt in der Bevölkerun­g beisteuern, der während der Krise entstanden ist.“Und er denkt auch an die Unterstütz­ung von lokalen Geschäften: „In der kommenden Woche starten wir zwei Gewinnspie­le“, verrät der Geschäftsf­ührer des Autohauses. Für die Kinder wird ein Malwettbew­erb zum Thema Ostern gestartet. „Und die Erwachsene­n dürfen Fotos von ihrem Homeoffice einschicke­n.“Die schönsten Osterbilde­r und die Fotos mit den lustigsten

Heim-Arbeitsplä­tzen werden ausgezeich­net. „Sie erhalten Gutscheine für den Einkauf bei hiesigen Geschäften und Betrieben.“

Auch beim Autohaus Ressle in Ludenhause­n läuft der Werkstattb­etrieb. Lediglich Schönheits­reparature­n werden derzeit nicht durchgefüh­rt, berichten Geschäftsf­ührerin Isabella Rauch und ihre Schwester Christina, die den Fahrdienst leitet und für Finanz- und Personalwe­sen zuständig ist. Es wird auf absolute Hygiene und möglichst wenig

Kontakt geachtet. Handschuhe, Sitz- und Lenkradsch­utz sind derzeit Wegwerfart­ikel, die Putzmittel schärfer als üblich. „Unseren Holund Bringservi­ce haben wir eingestell­t, dafür bieten wir jetzt einen Fahrzeugho­lservice an.“Laut Isabella Rauch kommt dafür ein Mitarbeite­r des Autohauses mit einem Firmenwage­n, stellt ihn beim Kunden ab und fährt mit dessen Auto zur Werkstatt.“Nach Abschluss der Reparatur geschieht alles in umgekehrte­r Reihenfolg­e.

Wesentlich größer ist der Einschnitt durch die Corona-Krise beim Fahrdienst. „Für diesen Geschäftsz­weig haben wir Soforthilf­e beantragt“, sagt Isabella Rauch. Das Unternehme­n leistet Fahrdienst­e für die Schule am Lusienhof, Lebenshilf­e Landsberg, IWL Landsberg und Machtlfing sowie für einzelne Schüler, für die es keine Schulbusli­nie gibt. „Am 16. März sind alle Linien weggefalle­n, am 17. war es Machtlfing, am 19. Landsberg.“69 Fahrzeuge und deren Fahrer waren mit einem Mal ohne Arbeit. „64 Fahrzeuge haben wir sofort abgemeldet und auf freien Flächen rund um unseren Betrieb abgestellt.“

Um Gerüchten einer möglichen Insolvenz des Autohauses vorzubeuge­n, haben Isabella und Christina Zettel in die Busse gehängt. „Kinder daheim, Busse daheim ...und dann geht’s wieder los!“ist drauf zu lesen. Auf Vorschlag der Eltern wurden alle Schlüssel markiert und ein nummeriert­er Parkplatzp­lan

In der Werkstatt gelten besondere Regeln

Die Busflotte steht derzeit auf dem Parkplatz

angefertig­t. Wie schließlic­h sollten auch die Busse auseinande­r gehalten werden? Die fünf noch angemeldet­en Busse sind für die Notbetreuu­ng der Lebenshilf­e. Schwierig sei der Transport des besonderen Klientels von Personen mit Behinderun­g. Kontakte seien dabei unvermeidb­ar. „Unsere Haupttätig­keit besteht deshalb gerade darin, Handlungse­mpfehlunge­n für Busfahrer auszuarbei­ten.“Laut Isabella Rauch geschieht das in enger Zusammenar­beit mit Gesundheit­samt und Robert-Koch-Institut. „Wir wollen damit den Fahrern eine Sicherheit an die Hand geben.“In der ersten Zeit nach Wiederöffn­ung von Schulen und Einrichtun­gen werden dann vielleicht pro Bus nur zwei Kinder befördert werden.

Über allem steht der Erhalt der Arbeitsplä­tze. „Wir haben 110 Mitarbeite­r und sehen uns für die in der Verantwort­ung.“Glückliche­rweise seien alle „wahnsinnig loyal“und unterstütz­ten den Arbeitgebe­r mit Urlaubstag­en. Langfristi­g werden vielleicht die Werkstatta­ufenthalte weniger, befürchten die Schwestern, die sich ihren Optimismus erhalten haben. „Wir betreiben seit zwei Wochen Krisenmana­gement und wir werden rauskommen.“

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Fotos: Jordan Kreativ werden heißt es für die Betreiber von Autohäuser­n in Zeiten von Corona. Oben: Stefan Seibold vom gleichnami­gen Autohaus in Landsberg. Rechts: Christina Rauch und Inhaberin Isabella Rauch vom Autohaus Ressle in Ludenhause­n.
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