Der Werkzeugkasten
ESM, EIB, Bazooka und Bonds: Was sich hinter den Instrumenten der europäischen Finanzwirtschaft verbirgt. Könnte es einen neuen Marshallplan geben?
Brüssel Was hilft in der Krise? Was bringt die gebeutelten Staaten weiter? Und was nicht? Hier ein Wegweiser durch den Dschungel europäischer Finanzinstrumente mit Vor- und Nachteilen.
● Schnelle Hilfe: der ESM
Nach der Finanzkrise installierten die Mitgliedstaaten den Europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM. Er wurde von den Eurostaaten gefüllt und verfügt derzeit über ein Kreditvolumen von 420 Milliarden Euro, die er sofort und schnell zu niedrigen Zinsen bereitstellen kann. In der Coronavirus-Krise geht es nun um sogenannte vorbeugende Kreditlinien, die bisher übrigens noch nie genutzt wurden. Nun ist daran gedacht, dass alle Mitgliedstaaten bis zu zwei Prozent ihrer Jahreswirtschaftsleistung als Darlehen in Anspruch nehmen könnten: Das wären dann 240 Milliarden Euro. Für den ESM bliebe noch eine stabile Reserve.
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Aufbau-Hilfe: die Europäische Investitionsbank (EIB)
Die EIB ist die Hausbank der EU und vergibt Kredite an Unternehmen, wenn diese beispielsweise mit Investitionen in Staaten rund um den Globus aktiv werden. Sie ist sozusagen das europäische Pendant zur deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Das Geldhaus in Luxemburg hat eine neue Linie in Höhe von 25 Milliarden Euro bereitgestellt, aus denen zusammen mit Eigenmitteln der Kreditnehmer insgesamt 200 Milliarden Hilfen werden sollen. Vorteil auch hier: Das Geld ist rasch verfügbar. Die Entscheidungen der Bankgremien liegen bereits vor.
● Die Bazooka: die Europäische Zentralbank
In Frankfurt haben die Währungshüter ein Riesenpaket geschnürt: Die EZB ist bereit, 750 Milliarden Euro in den Ankauf von Staatsanleihen zu investieren – zusammen mit weiteren Programmen und Titeln ergibt sich eine Unterstützung von sogar 1,1 Billionen Euro. Das hat die Finanzmärkte beeindruckt, auch wenn diese Hilfen den Unternehmen nichts direkt bringen. Denn das Anleihen-Aufkauf-Programm kommt zuerst den betroffenen Ländern zugute, deren Haushalte gestützt werden, um dann nationale Hilfspakete zu schnüren.
● Der Koordinator: die Europäische Kommission
Eigentlich kann die EU-Kommission pro Jahr rund 159 Milliarden Euro vergeben. Doch das Geld ist in den Etats und Förderprogrammen festgelegt. Dennoch geht da was: Brüssel leiht sich selbst (das hat es noch nicht gegeben) 100 Milliarden Euro, um den Mitgliedstaaten so etwas wie ein Kurzarbeitergeld zu ermöglichen. Das Projekt läuft unter dem Titel „Sure“. Außerdem sollen alle vorhandenen Fonds durchleuchtet werden, um Reserven aufzuspüren und in den Kampf gegen das Virus zu stecken. Dazu gehören beispielsweise Forschungsgelder für die internationale Allianz der Wissenschaftler, die nach einem Impfstoff suchen. Diese Mittel könnten ab 2021 sogar noch ausgeweitet werden, wenn sich die Mitgliedstaaten bald auf einen Ausgabenrahmen für die nächste Finanzperiode von 2021 bis 2027 einigen. Großer Nachteil: Europäische Mittel sind fast immer kofinanziert, der Empfänger muss also einen Eigenanteil übernehmen.
● Die Zukunft: ein Marshallplan
Im April 1948 beschloss der USKongress ein Wiederaufbau-Programm für die nach dem Zweiten Weltkrieg am Boden liegenden Länder, darunter auch Deutschland. Das Programm aus der Feder des damaligen US-Außenministers George C. Marshall umfasste Ausgaben in Form von Darlehen, Lebensmitteln, Waren und Rohstoffen in Höhe von 12,8 Milliarden US-Dollar. Der Begriff steht heute für ein umfassendes Wiederaufbau-Programm. Die Präsidentin der EUKommission, Ursula von der Leyen, hatte am Wochenende einen Marshallplan für die EU nach der Krise gefordert.
● Bonds: Einer für alle, alle für einen Die Idee klingt bestechend: Die Eurostaaten nehmen gemeinsam Schulden am Kapitalmarkt auf, teilen die Finanzmittel unter sich auf und haften gemeinsam für die Rückzahlung und die Zinsen. Der Vorteil: Da starke Länder auch für die Gelder der schwachen einstehen, müssen diese keine überzogenen Risikozuschläge zahlen, die ihre Belastungen noch erhöhen würden. Deutschland und andere sind zu solchen Bonds (englisch für Anleihen) bereit, wenn die Währungsunion vollendet ist. Konkret heißt das: Alle Mitgliedstaaten müssen solide Finanzen vorweisen können, die Banken sollen stabilisiert sein, sodass keine unkalkulierbaren Risiken mehr vorhanden sind. Abgesehen von der umstrittenen gemeinsamen Haftung gibt es noch ein Problem: Bis Euro-Bonds platziert werden und wirken, vergeht zu viel Zeit.