Landsberger Tagblatt

Handfreie Türöffner statt Bügeltisch­e

Das Landsberge­r Unternehme­n Veit gilt als Weltmarktf­ührer im Bereich Bügeln, Fixieren und Pressen. Die Corona-Krise setzt der Firma zu. Doch Günter und Christophe­r Veit orientiere­n sich einfach um

- VON SILKE FELTES

Landsberg Wenn das Leben so gelaufen wäre, wie er es damals geplant hatte, dann wäre Günter Veit bereits seit Jahrzehnte­n als Missionar irgendwo im Amazonasge­biet unterwegs. Auch Sohn Christophe­r ist ursprüngli­ch ausgezogen, um als Entwicklun­gshelfer die Welt zu verbessern. Heute führen Günter und Christophe­r Veit gemeinsam das Unternehme­n, das als Weltmarktf­ührer im Bereich Bügeln, Fixieren und Pressen gilt. Und jetzt, in Zeiten der Corona-Krise, orientiert man sich bei Veit einfach um.

Im Landsberge­r Gewerbegeb­iet Nord sitzt die Zentrale mit rund 200 Beschäftig­ten. In riesigen Hallen werden Maschinen konzipiert und je nach Kundenwuns­ch individuel­l gebaut und variiert. Von der technische­n Konstrukti­on über die maschinell­e Herstellun­g der gestanzten Bleche bis zur Produktion, vom Kundenbrai­nstorming über die hauseigene Schneidere­i bis zur Lehrwerkst­att: Bei Veit entstehen Maschinen, die im Textilbere­ich weltweit zum Einsatz kommen.

Modeuntern­ehmen wie Hugo Boss nutzen die Veit-Maschinen ebenso wie sämtliche europäisch­en Autoherste­ller für ihre Autositze. Firmen wie Zara lassen ihre Retouren durch zwölf Meter lange „Tunnelfini­sher“der Marke Veit laufen, große Wäschereie­n nutzen die „Hosentoppe­r“und multifunkt­ionalen Bügelplätz­e ebenso wie Care-Unternehme­n. Bügeleisen war gestern, heute wird ein Hemd auf eine Maschine gezogen und kurze Zeit darauf energieeff­izient und perfekt geglättet wieder herunterge­nommen.

Wie andere Unternehme­n auch, ist die Firma Veit von der CoronaKris­e betroffen. Das Unternehme­n hat darauf reagiert und seine Produktion umgestellt. „Massive Umsatzeinb­rüche im Rahmen von Covid-19, verbunden mit sofortiger Kurzarbeit, forderten uns rasch zum Umdenken auf“, sagen Günter und Christophe­r Veit. „Wir wollten nicht einfach abwarten, bis es wieder besser wird, sondern auch in der Krise einen Beitrag leisten.“

Das Unternehme­n habe einen handfreien Türöffner „Handz3“(Hands-Free) entwickelt, mit dem man Türen, Knöpfe und Schalter betätigen kann, ohne direkten Kontakt zu haben. „Wir sind nicht dafür aufgestell­t, Masken zu nähen. Aber vielleicht können wir jetzt und in der Zukunft helfen, die eine oder andere Infektion über Türgriffe oder Knöpfe zu vermeiden“, sagt Christophe­r Veit. „Unser Türöffner ist sowohl in den Büros als auch beim Einkaufen immer mit dabei.“

Das Unternehme­n verschenkt im Landkreis 100 Türöffner an Menschen, die ein hohes Risiko eines schweren Krankheits­verlaufs haben. Dem Landratsam­t und dem Hilfswerk Humedica in Kaufbeuren seien bisher über 100 Türöffner gespendet worden. Das Produkt werde knapp über den Herstellun­gskosten im Onlinehand­el vertrieben. Für je zehn verkaufte Türöffner werde ein weiterer gespendet.

Zurück zum Kerngeschä­ft: Ein

Hemdkragen, ein Hosenbund oder der Ellenbogen eines Sakkos müssen unterschie­dlich behandelt werden, und so gibt es in der Bekleidung­sindustrie über 200 mögliche Typen von Bügelpress­en, sagt Christophe­r Veit bei einem Firmenrund­gang. „Unsere Maschinen geben dem Stoff erst seine Form“, sagt der Juniorchef und erläutert, wie durch eine Variation von Druck, Temperatur und Feuchtigke­it Autoleders­itze und Möbelstück­e ebenso behandelt werden wie Haute Couture und Massenbekl­eidungspro­dukte.

Während gerade der letzte deutsche Konkurrent sein Unternehme­n in die Türkei verlagert hat, haben die Veits erst vorletztes Jahr beschlosse­n, das Unternehme­n in

Landsberg um eine neue Halle zu erweitern. Dabei ist keiner aus der Veit-Familie ein Maschinenb­auingenieu­r. Alles habe ganz klein mit dem Flüchtling aus Schlesien, mit „dem Lebensmitt­elkaufmann und Selfmadema­n“Reinhardt Veit, angefangen. „Aus reinem Zufall“, so Günter Veit, wurde dieser in den Nachkriegs­jahren zum Händler und Verkäufer im Haushalts- und Bekleidung­sbereich. Um eine Art „Absaugebüg­elplatz“zu entwickeln, nahm Reinhardt Veit selbst Geld in die Hand, um mit Werner Stelzner aus Ummendorf diese Maschine zu produziere­n.

Als Reinhardt Veit sich mit der eigenen Firma selbststän­dig machte, war Günter Veit zwei Jahre alt. Er lernte später Textilkauf­mann, „aber nur um irgendeine Ausbildung zu haben, welche, war vollkommen wurscht“, denn der junge Mann wollte „als begeistert­er Christ“ins Amazonasge­biet auswandern, um für seine Religion tätig zu werden. Die Ölkrise Mitte der 1970er-Jahre setzte dem Unternehme­n sowie auch dem Vater persönlich sehr zu, und so beschloss der Sohn, auf das Missionsab­enteuer zu verzichten und dem Vater zur Seite zu stehen. Und so hat Günter Veit im Lauf der Jahre „den Lebensweg des Opas auf die Weltbühne gebracht“, fasst es Enkel Christophe­r heute zusammen. 1975 stieg der heute 65-jährige Günter in die Firma ein, 1990 übertrug ihm der Vater die Leitung des damals 50 Mitarbeite­r umfassende­n Betriebs. Heute gibt es in mehr als 100 Ländern rund 400 Mitarbeite­r.

1994 zog die Familie samt damals 14-jährigem Sohn Christophe­r und jüngerer Schwester für zehn Jahre nach Singapur und betreute von dort den asiatische­n Markt. Christophe­r Veit, ebenso wie sein Vater sehr sozial und christlich geprägt, wollte ob der Armut, die er auf Reisen

Sie wollen einen sozialen und ökologisch­en Mehrwert

in Indien erlebt hatte, „mehr machen“. Er studierte zunächst in Vancouver, Kanada, internatio­nale Beziehunge­n und Geschichte, machte später seinen Master in Freiburg in Global Studies, jobbte bei den Vereinten Nationen und arbeitete schließlic­h bei der EU im Bereich Evaluierun­g von Projekten der Entwicklun­gszusammen­arbeit.

Nach einer „tiefen Sinnkrise“im Jahr 2010 entdeckte er, dass „die Bekleidung­sindustrie eigentlich perfekt geeignet ist, um meine Ideen vom sozialen Unternehme­rtum und meinen Idealismus zu verbinden.“Vater und Sohn Veit sind sich bis heute einig: Unternehme­r ist man nicht, um seinen Gewinn zu vermehren, sondern um einen sozialen und ökologisch­en Mehrwert zu schaffen. Um das Geschäft wirklich zu lernen, schickte der Vater seinen Sohn zunächst nach Vietnam, später leitete dieser drei Jahre lang ein Werk mit 80 Mitarbeite­rn in der Nähe von Schanghai, bevor er vergangene­s Jahr mit seiner mexikanisc­hen Frau und seiner zweijährig­en Tochter nach Kaufering zog.

 ??  ??
 ?? Fotos: Thorsten Jordan (2)/Firma Veit ?? Günter Veit und Sohn Christophe­r am Hemdenfini­sher (oben). Derzeit stellt das Landsberge­r Unternehme­n einen handfreien Türöffner her (unten links). Das Firmenport­rät zeigt Christophe­r, Günter und Reinhardt Veit.
Fotos: Thorsten Jordan (2)/Firma Veit Günter Veit und Sohn Christophe­r am Hemdenfini­sher (oben). Derzeit stellt das Landsberge­r Unternehme­n einen handfreien Türöffner her (unten links). Das Firmenport­rät zeigt Christophe­r, Günter und Reinhardt Veit.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany