Landsberger Tagblatt

Die Angst vor Gewalt wächst

Die Krise bedeutet für viele Stress zu Hause. Eltern reagieren mitunter aggressiv darauf. Eine Expertin gibt Tipps, wie Familien die ungewöhnli­che Situation meistern können

- VON THOMAS WUNDER

Landkreis Lagerkolle­r. Dieser Begriff ist in letzter Zeit häufiger zu hören. Seit 21. März gilt in Bayern eine Ausgangsbe­schränkung. Das beeinfluss­t auch das Familienle­ben. Denn häusliche Quarantäne bedeutet auch Stress für Familien. Man verbringt deutlich mehr Zeit miteinande­r als sonst, man langweilt sich, man streitet. Gestresste Eltern reagieren mitunter aggressiv. Und so steigt nicht nur bei der Landsberge­r Polizei vor den Osterfeier­tagen die Sorge, dass die Situation in manchen Familien eskaliert.

Michael Strohmeier ist der stellvertr­etende Leiter der Landsberge­r Polizeiins­pektion. Er und seine Kollegen sprechen von häuslicher Gewalt, wenn Erwachsene gegenüber Kindern oder dem Partner Gewalt anwenden. Eine Steigerung der Fälle hat er noch nicht festgestel­lt. „Der Lagerkolle­r kommt noch nicht so zum Tragen, weil die Leute bei dem schönen Wetter raus können“, sagt er. Dennoch macht er sich Sorgen, dass sich die Situation über die Feiertage ändern könnte. Denn an Ostern und an Weihnachte­n würden

Fälle von häuslicher Gewalt schon in normalen Zeiten häufen. Eine „gereiztere Stimmung“sei durchaus feststellb­ar – auch der Polizei gegenüber. Fingerspit­zengefühl sei in diesen Tagen im Umgang mit manchem Bürger gefragt.

Dass der Corona-Ausnahmezu­stand eine Belastungs­probe für Familien ist, sagt auch Margit EradesPete­rhoff. Sie ist die Leiterin der SOS-Beratungss­telle für Kinder, Jugendlich­e und Eltern in Landsberg. Eltern seien im Homeoffice und müssen Kinderbetr­euung und Erwerbsarb­eit unter einen Hut bringen. Kleine Kinder benötigen mehr Zuwendung und Beschäftig­ung, die Schulkinde­r Unterstütz­ung bei den Schularbei­ten. Das alles führe Eltern an die Grenzen – körperlich, psychisch und emotional.

„Die Lage spitzt sich zu“, sagt die erfahrene Familienbe­raterin. Gerade in Familien, in denen Eltern mit Ängsten, Zwängen, Depression oder Suchtprobl­emen belastet seien, sieht sie die Gefahr, dass es jetzt in den Osterferie­n zu Fällen von häuslicher Gewalt kommt. In der ungewöhnli­chen Situation der Ausgangsbe­schränkung falle es vielen Erwachsene­n schwer, Nischen zu finden, wo sie für sich abschalten können. Zudem könnten die Großeltern nicht einspringe­n.

Margit Erades-Peterhoff nennt ein aktuelles Beispiel aus dem Landkreis: Ein Mann, der immer wieder gewalttäti­g gegenüber seiner Frau und seinen drei Kindern werde. Viele Fälle dringen aber nicht nach außen. Zumal sich Kinder und Jugendlich­e derzeit auch nicht an Kindergärt­nerin,

Lehrer, Schulsozia­larbeiter oder Trainer wenden können, wenn sie Probleme mit den Eltern haben. „Diese Anlaufstel­len gibt es gerade nicht.“So sei es umso wichtiger, dass sich Nachbarn, Bekannte und Verwandte in Verdachtsf­ällen an Polizei oder Jugendamt wenden. Und auch die Mitarbeite­r der SOSBeratun­gsstelle seien in diesen Krisenzeit­en für Familien aus dem Landkreis da.

Doch wie gelingt es in der aktuellen Situation, dass es erst gar nicht zu einer Eskalation kommt? Die Hesich rausforder­ung in einer Familie sei es, dass jeden Tag die Bedürfniss­e von allen berücksich­tigt werden. Margit Erades-Peterhoff empfiehlt Familienko­nferenzen, in denen darüber gesprochen und der Tag klar strukturie­rt wird. Eltern sollten ohne die Kinder miteinande­r darüber sprechen, wie Erziehung in dieser ungewöhnli­chen Situation aussehen sollte. Härte und Strenge empfiehlt die Familienbe­raterin nicht. „Üben Sie Gelassenhe­it“, sagt sie.

Wichtig sei es, die Zeit auch zu nutzen, für Spiele, gemeinsame­s Kochen, aber auch gemeinsame Computersp­iele oder Filmabende. Einmal am Tag sollte auch darüber geredet werden, was gut und was schlecht gelaufen ist. Für jeden in der Familie sollte es zudem möglich sein, den „Pausenknop­f zu drücken“und Zeit für sich zu haben, meint Erades-Peterhoff. O

Kontakt Die Mitarbeite­r der SOS-Beratungss­telle sind in diesen Krisenzeit­en für Familien aus dem Landkreis da. Sie sind montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr und von 13 bis 17 Uhr unter der Telefonnum­mer 08191/911890 oder auch per E-Mail unter fbz-landsberg@sos-kinderdorf.de erreichbar.

Der Tag sollte klar strukturie­rt werden

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r (Symbol)/Thorsten Jordan ?? Die Corona-Krise bedeutet auch Stress für viele Familie. Und so wird befürchtet, dass Fälle von häuslicher Gewalt zunehmen. Margit Erades-Peterhoff von der SOS-Beratungss­telle in Landsberg weiß, wie Familien diese ungewöhnli­che Situation bewältigen können.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r (Symbol)/Thorsten Jordan Die Corona-Krise bedeutet auch Stress für viele Familie. Und so wird befürchtet, dass Fälle von häuslicher Gewalt zunehmen. Margit Erades-Peterhoff von der SOS-Beratungss­telle in Landsberg weiß, wie Familien diese ungewöhnli­che Situation bewältigen können.
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