Die Sache mit Eis und Fischsemmeln
Ein Dießener Gastwirt fragt sich: Wo endet in Zeiten von Corona die Grundversorgung und wo beginnt ein Essensangebot, das Ausflügler anlockt? Für das Landratsamt und die Polizei ist der Fall klar
Dießen Wer in Zeiten der Ausgangsbeschränkungen wegen der CoronaPandemie am Ammersee einen Spaziergang unternimmt und Hunger oder Durst bekommt, muss nicht unbedingt hungrig oder durstig bleiben. Hier ein Stück Kuchen, dort eine Fischsemmel, woanders ein Eis oder ein Getränk aus der Flasche. Auch in Zeiten, in denen der Staat aus Gründen des Infektionsschutzes eigentlich haben möchte, dass die Menschen daheim bleiben, ist eine gewisse Grundversorgung für unterwegs vorhanden.
Gegenüber dem Landratsamt hat daher der Dießener Gastwirt Martin Brink („Unterbräu“) die Frage aufgeworfen: „Dienen all diese Angebote auch der Grundversorgung, die gewährleistet werden soll im Zuge des Schutzes für alle? Oder fördern sie eher den touristischen Gedanken unserer Region, denn die Leute verweilen auf Bänken, stehen zusammen und essen und trinken. Einerseits werden die Leute aufgefordert, nur für das Nötigste das Haus zu verlassen. Auf der anderen Seite ermöglichen wir luxuriöse Angebote, die den Ausflug im Freien fördern?“Während auf der einen Seite beim Rumstehen oder auf einer Sitzbank gegessen werde, werde ein Familienpicknick beanstandet, wundert sich Brink.
Das Landratsamt verweist in seiner Antwort darauf, dass gastronomischer Betrieb auch im Freien nicht gestattet sei, ausgenommen sei aber „die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen“. Kioske, Geschäfte, Fischtheken und Food-Trucks, die Speisen ohne einen Verzehr vor Ort anbieten, gelten als Einzel- beziehungsweise Lebensmittelhandel und nicht als Gastronomie – allerdings dürften sie an ihrer Abgabestelle keine Sitzgelegenheiten bieten.
Genau daran halte man sich, betont beispielsweise Maria Rauch von der gleichnamigen Fischerei in Dießen. Am Wochenende war die Fischtheke der Rauchs in der Mühl
bereits in Betrieb. Man verkaufe nach einer Absprache mit dem Landratsamt Semmeln mit Bismarckhering, Matjes und Räucherfisch, brate aber keine Fische, um bei Wartezeiten keine größeren
Menschenansammlungen entstehen zu lassen, erklärt Rauch.
Dass Speisen „mitnahmefähig“sind, erfordere im Übrigen nicht, dass sie bis nach Hause genommen werden müssen, führt das Landratsstraße amt in seiner Stellungnahme weiter aus. Es müsse nur sichergestellt sein, „dass kein Verzehr an Ort und Stelle stattfindet“: Kunden müssten nach dem Kauf den Verkaufsbereich verlassen.
Die Frage, was zu verkaufen erlaubt ist, beschäftigt auch die Dießener Polizei – und zwar nicht nur in der Marktgemeinde selbst, sondern auch andernorts: So sei der Inspektion anonym mitgeteilt worden, dass es in einer Uttinger Gaststätte, von der aus verkauft wird, Verstöße gegen die derzeitigen Beschränkungen gebe, nennt Alfred Ziegler, der Leiter der Inspektion, ein Beispiel. Auch dort hatte sich offenbar eine größere Zahl von Personen versammelt. Tatsächlich habe es am Wochenende für die Polizei aber keinen Anlass gegeben, Gewerbetreibende wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz anzuzeigen.
Auch Ziegler betont, dass „Essen to go“angeboten werden dürfe. Wo dieses verzehrt werde – ob fünf Meter entfernt oder daheim –, liege
Essen und Getränke müssen mitnahmefähig sein
Wo gegessen wird, liegt nicht am Verkäufer
nicht in der Verantwortung des Verkäufers. Er räumt allerdings auch ein, dass manches bei den jetzigen Bestimmungen „Auslegungssache“sei. Zugleich hoffe er aber auf die Vernunft der Menschen.
Das Landratsamt weist denn auch darauf hin, dass es nicht nur Regeln für Verkäufer gebe, sondern auch für die Kunden: Und da gelte, dass nur mit einem triftigen Grund das Haus verlassen werden dürfe. Darunter fallen beispielsweise Sport und Bewegung an der frischen Luft oder Versorgungsgänge für Dinge des täglichen Bedarfs.
Im Übrigen dürfte das Angebot an Essen und Getränken am Ammersee an Ostern übersichtlich bleiben. So bleibt der Kiosk in den Dießener Seeanlagen zunächst geschlossen. Eine Tafel kündigt dort an, dass sich der Saisonstart auf den 19. April verschiebe.
Pächterin Christine Gottschalk könnte zwar wie andere Kioskbetreiber Lebensmittel verkaufen. Doch nach den Erfahrungen von anderen Verkaufsständen am Ammerund Starnberger See sieht sie davon ab. Der Verkauf habe nämlich schon zu größeren Menschenansammlungen geführt, woraufhin dann die Polizei angerückt sei, berichtet Gottschalk.