Landsberger Tagblatt

Wenn die Miete mit einem Bild gezahlt wird

Wie die Kulturscha­ffenden im Landkreis mit der Krise umgehen. Kreative Wege, um in Zeiten ohne öffentlich­em Kulturlebe­n zu überleben. Aber nicht jeder kann und will seine Kunst auf digitalem Wege präsentier­en

- VON SILKE FELTES

Landkreis. Theater, Kinos und Galerien sind geschlosse­n, Ausstellun­gen, Konzerte und Lesungen abgesagt, freiberufl­iche Mal- und Musiklehre­r stehen ohne Schüler da, kurz: die Kunst- und Kulturszen­e leidet massiv unter der aktuellen Krise. Die unterschie­dlichen Künstlerve­rbände deutschlan­dweit senden dringliche Appelle an die zuständige­n Ministerie­n, sich verstärkt um die existenzie­ll bedrohten Kulturscha­ffenden und -betriebe zu kümmern. Wir haben mit einigen Künstlerin­nen und Kulturscha­ffenden im Landkreis gesprochen und konnten vor allem einen Trend erkennen: Kreative gehen auch mit Krisen kreativ um.

Der Fotografin Saskia Pavek aus Riederau brechen derzeit alle Fotoaufträ­ge weg, sie hat die Soforthilf­e des Freistaats beantragt, aber noch keine Zusage erhalten. Noch kann sie die fehlenden Aufträge finanziell überbrücke­n und genießt die Entschleun­igung zu Hause. Ihrem Mann, dem Regisseur und Schauspiel­er Konstantin Moreth, geht es ähnlich. Die Premiere seines neuen

Stücks ist vorerst abgesagt, eingeplant­e Drehtage entfallen komplett. „Vieles hängt in der Luft“, aber er habe noch Hoffnung, dass die Aufführung nur verschoben sei. Immerhin hat er die Finanzhilf­e bereits bewilligt bekommen, auf dem Konto ist sie allerdings noch nicht. „Mit der Zusage können wir zumindest den April über ruhig schlafen.“Er habe „gefühlt ein ganzes Jahr durchgeack­ert“und ist durchaus froh, jetzt ein wenig Zeit „zum Runterkomm­en“zu haben. „Ich fang jetzt wieder so richtig mit dem Schreiben an.“

Auch die Künstlerin Katinka Schneweis aus Denklingen will nicht jammern. „Jetzt sind kreative Lösungen gefragt und Besonnenhe­it ist wichtiger denn je.“Am Anfang war sie „schon am Boden zerstört“, alle Ausstellun­gen und Workshops abgesagt. Aber sie habe viel persönlich­es Entgegenko­mmen erfahren, und „wenn du ausnahmswe­ise eine Monatsmiet­e mit einem Bild bezahlen kannst, hilft das schon extrem weiter.“

Gerade die bildenden Künstler seien ja finanziell schwierige Situatione­n und dementspre­chendes Durchhalte­vermögen gewohnt. „Ich freue mich, dass sich die Welt zur Zeit langsamer dreht.“Schneweis arbeitet jetzt viel konzeption­ell und plant die Zeit für „das Leben danach“.

Die Illustrato­rin Katharina Rücker-Weininger aus Fuchstal (mit

Galerie im Vorderen Anger) hat ebenfalls „einen Rieseneinb­ruch“zu beklagen. Die beantragte staatliche Finanzhilf­e ist ihr bewilligt worden, die aktuelle Situation wird sie dadurch meistern können. Ihre größte Sorge gilt dem langfristi­gen Effekt der Krise auf die Künstler.

„Unsere Kunden sind Leute, die wahrschein­lich selber ebenfalls in eine Schieflage gekommen sind“, und dann werde wohl an dem, „was man vermeintli­ch nicht zum Leben braucht, zuerst gespart.“Alles sei sehr beängstige­nd, aber auch sie versucht, das Beste daraus zu machen, „nach der ersten Orientieru­ngslosigke­it schreibe ich jetzt an einem schon lange liegenden Roman weiter.“

Die Theaterpäd­agogin und Leiterin der Jungen Bühne im Landsberge­r Stadttheat­er Julia Andres schwärmt geradezu von den vielen Möglichkei­ten, zurzeit Theater zu gestalten, „es gibt immer mehr als einen Weg, Kultur zu machen.“Sie hat die kompletten Proben mit ihren Schülern ins Netz verlegt, Chatgruppe­n, Facetime, Videodrehs, selbst das Nähen der Kostüme erfolgt über abfotograf­ierte und gemailte Anleitunge­n.

„Wir machen aus einer blöden Situation das Beste und ganz ehrlich: den Schülern tut es gerade so gut zu sehen, dass man auch mit Lachen durch die Krise kommt, dass es weitergeht und dass es ihnen besser geht, wenn man positive Dinge gestalten kann.“

Anders sieht es bei der Keramikeri­n Astrid Schröder aus Finning aus. Sie stellt Gefäßkeram­ik und Porzellan mit aufwendige­n Glasuren her, deren Verkauf hauptsächl­ich auf zwei Märkten stattfinde­t, auf denen das entspreche­nde Fachpublik­um anwesend ist. „Meine Existenz steht und fällt mit dem Töpfermark­t in Dießen“, ein zweiter relevanter Markt in Freiburg ist bereits abgesagt.

Alleine vom Dießener Markt generiert sie mehr als die Hälfte ihres jährlichen Einkommens. Wie es weitergehe­n soll, weiß die 67-Jährige noch nicht, „ich mache einfach weiter und produziere.“Die Hoffnung stirbt bekanntlic­h zuletzt.

Der internatio­nal bekannte JazzSaxofo­nist Michael Lutzeier aus Dießen sollte eigentlich in diesen Tagen in der Mongolei spielen und lehren. Alles abgesagt, auch seine Bigband-Proben an der Uni Ulm (wo er einen Lehrauftra­g hat) und natürlich alle geplanten Live-Auftritte.

Finanzhilf­e hat er nicht beantragt, er will vorerst auf eigene Rücklagen zurückgrei­fen, „als Jazzmusike­r kann ich improvisie­ren und andere haben es gerade viel nötiger.“Auch online wird er nicht spielen, denn „als Live-Musiker bin ich der Überzeugun­g: Kunst muss berühren dürfen“.

Die aktuelle gesamtgese­llschaftli­che Entwicklun­g liegt Lutzeier mehr am Herzen als sein individuel­les Schicksal. Er hofft auf eine positive Veränderun­g der gesamten Gesellscha­ft hin zu mehr „herzlichem Miteinande­r“.

„Es liegt eine große Chance in der Krise und das mögen Künstler. Ich hoffe, wir kommen als Gemeinscha­ft da raus, wo wir als Gesellscha­ft reingeschl­ittert sind.“

Viele Drehtage sind jetzt einfach abgesagt

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Foto: Thorsten Jordan /Archiv Künstlerfa­milie Moreth: Saskia Pavek (Fotografin), Konstantin Moreth (Schauspiel­er/Regisseur), Luisa Moreth (18, Schülerin), Hannah Moreth (Schauspiel­erin, 22). Unten im Bild: Katinka Schneweis, Julia Andres und Katharina Rücker-Weininger.
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