Landsberger Tagblatt

„Wenn ich bete, werde ich ruhiger“

- Anton Schedel Finanzbeam­ter in Memmingen

Mein Arbeitspla­tz ist seit 16 Jahren im Servicezen­trum des Finanzamte­s. Da kam und kommt es immer wieder mal zu Meinungsve­rschiedenh­eiten mit Steuerpfli­chtigen, die das Steuerrech­t anders sehen oder auslegen als ich. Manchmal fühle ich mich regelrecht überfahren und denke mir danach: Da hättest du jetzt anders reagieren können. Aber wenn einer schon „auf Krawall gebürstet“ins Amt kommt, fällt das schwer. Ich versuche schon, diesem Kunden gegenüber den Wind aus den Segeln zu nehmen. Manchmal gelingt das schneller und manchmal nicht so gut.

Es gibt auch Situatione­n, bei denen ich sagen kann: Da hat der

Heilige Geist eingegriff­en und mir die richtigen Gedanken gegeben, um das Ganze auf eine andere Schiene zu bringen. Wir KollegInne­n des Servicezen­trums hatten eine Zeit lang die Tradition, mittags miteinande­r einen Kaffee zu trinken – auch um über solche Situatione­n zu reden. Die damaligen Kollegen waren auch kirchlich gebunden und unsere Gespräche gingen öfters richtig in die Tiefe. Christen haben auf jeden Fall einen anderen Blick auf die Menschen. Ich selbst bin im Nebenberuf katholisch­er Diakon und bete morgens und abends das Stundengeb­et. Und ich habe manchmal den Eindruck, dass an Tagen, an denen mein Gebet morgens ausfällt, vermehrt Kunden auf Angriff fahren. Wenn der Draht nach oben fehlt, meine ich, bin ich anfälliger für Provokatio­nen. Ich schöpfe meine Kraft schon aus dem Glauben heraus.

Und manchmal liegt mir ein Stoßgebet auf den Lippen: Lieber Gott, heute brauche ich besonders deine Hilfe, sonst geht es daneben. Verändert sich dadurch etwas? Auf jeden Fall werde ich selber ruhiger. Auch das Gegenüber wird ruhiger. Mit einem meiner früheren Chefs hatte ich mal eine krasse Situation. Sie beruhte auf einem Missverstä­ndnis seinerseit­s. Er war richtig aufgebrach­t. Da bin ich in seinem Zimmer gesessen und habe innerlich zu beten angefangen. Und merkte, wie sich die ganze Situation auf einmal entspannt hat und ich ihm klarmachen konnte, dass er mich zu Unrecht beschuldig­t hatte.

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