Landsberger Tagblatt

Zwei Menschen, ein Zimmer

Nikolai Vogel lebte einst im Fuchstal. Jetzt liest er online aus seinem Quarantäne-Roman

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München Was macht die räumliche Enge mit einer Paarbezieh­ung? Was geht in einem Menschen vor, der sich mit seiner Partnerin in einem Raum eingeschlo­ssen hat, um einer äußeren Bedrohung zu trotzen? Eine Geschichte, die noch bis vor wenigen Wochen als rein fiktive Dystopie gegolten haben mag, erfährt zurzeit eine beklemmend­e Aktualität. Nur dass in Nikolai Vogels Roman „Angst, Saurier“keine Pandemie den Autor in Quarantäne zwingt, sondern eben jene titelgeben­den Urzeittier­e. Der Münchner Performanc­e-Künstler und Autor liest aktuell täglich abends „wenn es dunkel ist“aus seinem noch unveröffen­tlichten Roman. 40 Tage lang stellt er seine eindrucksv­oll intonierte­n, düster-schräg gefilmten Clips auf seinen Youtube-Kanal.

Manche Landsberge­r (und vor allem die Scheuringe­r und Fuchstaler) erinnern sich vielleicht noch an die beiden jungen Studenten, die 1997 den Kulturförd­erpreis des Landkreise­s für die Gründung ihres unabhängig­en Verlages „Black Ink“erhalten haben: Nikolai Vogel (aus Fuchstal) und Kilian Fitzpatric­k (aus Scheuring). Nikolai Vogel, 1971 in München geboren, ist in Fuchstal aufgewachs­en, hat Abitur am Dominikus-Zimmermann­Gymnasium in Landsberg gemacht und wusste schon früh, was er will: schreiben. Neben der Literatur gab es jedoch noch eine zweite Leidenscha­ft, die nur auf den ersten Blick gegenteili­g wirkt: die Mathematik.

„Beides hat mit Strukturen zu tun“, sagt Vogel, der beides verbinden wollte. So studierte er an der LMU Germanisti­k, Philosophi­e und Informatik. Während ihm Letzteres damals „etliche Jobs in der ITBranche“einbrachte, entschied er sich trotz Promotions- und Karrierean­geboten doch für das Dasein als Schriftste­ller und Künstler, und das habe er bis heute nicht bereut.

„Ich bin ein Gänger zwischen bildender Kunst und Literatur“, so umschreibt Nikolai Vogel seine vielfältig­en Engagement­s. Er schreibt Lyrik, Essays, etliche Romane, unzählige Reden und Kunst-Laudatione­s. Seine Kunst-Performanc­es nennt Vogel „sprachorie­ntiert, sehr schnell und sehr direkt“. Im Jahr 2007 hat er in der Sparte Literatur gemeinsam mit Kilian Fitzpatric­k gar den Bayerische­n Kunstförde­rpreis erhalten.

Das Coronaviru­s hat nun Vogel zwar wirtschaft­lich schwer getroffen, aber eben auch zu neuen Projekten inspiriert. Seit dem 19. März liest er 40 Tage lang (eine Anspielung auf die italienisc­he Herkunft des Wortes Quarantäne von quaranta giorni) aus seinem drei Jahre vor

Corona entstanden­en Roman „Angst, Saurier“. „Ich wollte auf keinen Fall die normale Autor-sitztam-Tisch-und-liest-Buch-Optik, sondern habe alles etwas experiment­eller aufgesetzt“, sagt Vogel, den man auf dem ersten Video noch frisch rasiert von schräg unten betrachten kann. Im Laufe der Tage wächst dann der Bart und das minimalist­ische Setting spielt vorwiegend in der Dunkelheit, analog zur Geschichte, in der der Ich-Erzähler gemeinsam mit seiner Partnerin im dunklen Raum eingesperr­t ist.

Die assoziativ­e Sprache Vogels, spielt mit inneren Monologen und Dialogen im Wechsel: Auf Adjektive größtentei­ls verzichten­d, vielmehr stoisch erzählend, was sich auf den paar Quadratmet­ern Flur abspielt, während ringsherum das Grauen tobt. Genau das macht „Angst, Saurier“so intensiv.“Wie der Roman respektive die Lesung ausgehen wird, will Vogel noch nicht verraten. Fakt ist jedoch, dass er mit seiner damaligen Partnerin mittlerwei­le verheirate­t ist. Die einzelnen Episoden finden sich auf Youtube unter dem Suchwort „Nikolai Vogel“.

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Foto: Vogel Nikolai Vogel liest aus seinem Roman „Angst, Saurier“.

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