Die Sorgen der Seelsorger
Die Kontaktbeschränkungen wegen der Corona-Krise erschweren die Arbeit der Pfarrer. Besonders leiden auch die Hospizhelfer unter den Vorgaben und sie stellen die Regeln auch infrage
Die Corona-Krise erschwert die Arbeit der Geistlichen im Landkreis. Und auch die Hospizbegleiter leiden unter den Vorgaben der Ausgangsbeschränkung.
Landkreis Kein Küsschen zur Begrüßung, keine Umarmung zum Abschied – und nicht mal einem Sterbenden die Hand halten. Die Kontaktbeschränkungen, um das Coronavirus einzudämmen, sind extrem. Extrem für jene, die diesen Kontakt benötigen, aber auch für die, die diesen Kontakt gerne herstellen würden. Seelsorger und Hospizbegleiter berichten, wie sie mit dieser Situation umgehen und welche Befürchtung sie haben.
Durch die Ausgangsbeschränkungen „kommt es teilweise zu seelischen Situationen, die grenzwertig sind“. Diese Erfahrung machte der Landsberger Pfarrer Gregory Herzel in den vergangenen Wochen. Vor allem die Gottesdienste würden den Gläubigen abgehen. „Ich versuche, möglichst oft in meiner Kirche zu sein“, so der Geistliche der Pfarrei Heilig-Engel. Dort würde er – immer unter Wahrung des Mindestabstands und nur mit einzelnen Personen – ins Gespräch kommen. Und so erfährt er von den Folgen der Ausgangsbeschränkung. „Wenn der Ehepartner in einem Heim ist, und man ihn nicht mehr besuchen darf. Wenn die Schwester oder der Bruder im Sterben liegt, und man nicht kommen darf“, das seien die Schicksale, die er erlebe. „Jeder einzelne Fall für sich ist gravierend.“
Auch für ihn selbst ist es schwierig, beispielsweise die Krankensalbung vorzunehmen. „Wenn sich die Person in Todesgefahr befindet, würde ich meine Maske nehmen und hingehen“, sagt Herzel. In den Heimen sei es meist geregelt, wer eine letzte Krankensalbung wünscht. Schwieriger sei es da im Krankenhaus. „Meist entscheiden das die Angehörigen, die jetzt ja aber nicht zu dem Kranken dürfen.“Wer also sollte ihn benachrichtigen?
Ansonsten versucht Herzel in Sachen Seelsorge sich möglichst mit den Gegebenheiten zu arrangieren. „Wir stellen jeden Sonntag Videos auf die Homepage und erreichen mit unseren E-Mails über Verteiler mehrere Hundert Gläubige. Außerdem habe ich festgestellt, dass auch immer mehr über 80-Jährige jetzt bei Facebook sind“, sagt er.
sehr aktiv ist in diesen Zeiten auch die Pauluskirche in Kaufering. „Jeden Sonn- und Feiertag und in der Karwoche jeden Tag wurden persönliche Beiträge, Gottesdienste, Jugendgottesdienste, die Osternacht, KonfirmandenfamilienAbendmahl und vieles mehr technisch hochklassig und musikalisch vielfältig ausgestrahlt“, zu sehen auf dem Youtube-Kanal „Pauluskirche Kaufering“, teilt Pfarrer Jürgen Nitz mit.
Alte und alleinstehende Mender Kirchengemeinde würden regelmäßig angerufen und die Gottesdienste auf CD oder DVD vorbeigebracht – und in diesem Zusammenhang mit dem Netzwerk Kaufering auch mit Lebensmitteln versorgt. So ging sogar der Preis für das beste Digitale Gesamtkonzept der Evangelischen Kirche in Bayern an die Pauluskirche, so Pfarrer Nitz.
Für Iglings Pfarrer Johannes Huber ist neben dem Internet derzeit „das Telefon die große Waffe“. Sie muss den persönlichen Kontakt erDigital setzen. Vor Ostern hatte er zusammen mit dem Pfarrgemeinderat eine Ostergrußaktion durchgeführt – und viele Rückrufe daraufhin erhalten. „Was man jetzt feststellt, ist, dass die Telefonate immer länger dauern“, so Huber. Auch die sonst üblichen Geburtstagsbesuche müssen jetzt per Telefon erfolgen. „Dabei sage ich den Leuten, dass ich vorbeikomme, und meist stehen sie dann am Fenster und winken mir zu.“Streng hält er sich an die Vorgaben, doch es macht ihm persönschen lich auch zu schaffen. „Auch nach den Ostergottesdiensten, die wir im erlaubten, kleinen Rahmen gefeiert haben, merkte man, wie der Kontakt und der Ratsch danach fehlte.“
Umso mehr sei jetzt Einfallsreichtum gefragt. Den Kontakt mit den Kommunionkindern und Firmlingen hielt er über E-Mail, mit den Brautpaaren telefoniert er. Und in ganz besonderen Fällen hat er auch schon mal die Beichte übers Telefon abgenommen. „Da muss man natürlich streng auf die Geheimhaltung achten, das geht nicht im Büro“, betont Huber. Trotzdem: Er hofft wie viele auf Erleichterungen der Kontaktbeschränkung, einfach damit man jemandem in schweren Situationen wieder mal die Hand halten kann.
Auf den persönlichen Kontakt nicht verzichten kann man allerdings in der Hospizarbeit. Und da sieht Irmgard Schleich, Koordinatorin für die Hospizbegleitung im Theotinum in Dießen, immer größere Probleme auf sich zukommen. „Gerade für die gefährdete Personengruppe
„Jeder einzelne Fall für sich ist gravierend.“
Längerfristige Isolation hat drastische Folgen
hat eine längerfristige Isolierung drastische Folgen.“Das Verhältnis zwischen dem Liebesentzug, den die Betroffenen aufgrund des Besuchsverbots erfahren würden, und dem Schutz vor dem Coronavirus stünden nicht mehr im richtigen Verhältnis.
Da man auch Langzeitbetreuung anbiete, käme es jetzt immer wieder zu dem Fall, dass die Sterbenden in den entscheidenden Momenten nicht betreut werden könnten. „Oft können diese Menschen nicht mehr telefonieren und haben damit kaum mehr Kontakt.“Die Pfleger in den Heimen würden ihr Möglichstes geben, sagt Schleich. „Aber es fehlt jeder Kontakt. Durch die Masken ist die Mimik nicht mehr erkennbar und wegen der Handschuhe gibt es auch keinen Körperkontakt mehr.“Den Betroffenen würde der letzte Lebensmut genommen. „Es entsteht eine große seelische Not“, sagt Schleich. Und diese könnte, wie sie selbst erlebt habe, bis hin zum Suizid führen. Je länger die Isolierung dauere, so Schleich, umso größer sei die Gefahr, dass einige Betroffene schwere seelische Schäden erleiden würden.