Landsberger Tagblatt

Die Sorgen der Seelsorger

Die Kontaktbes­chränkunge­n wegen der Corona-Krise erschweren die Arbeit der Pfarrer. Besonders leiden auch die Hospizhelf­er unter den Vorgaben und sie stellen die Regeln auch infrage

- VON MARGIT MESSELHÄUS­ER

Die Corona-Krise erschwert die Arbeit der Geistliche­n im Landkreis. Und auch die Hospizbegl­eiter leiden unter den Vorgaben der Ausgangsbe­schränkung.

Landkreis Kein Küsschen zur Begrüßung, keine Umarmung zum Abschied – und nicht mal einem Sterbenden die Hand halten. Die Kontaktbes­chränkunge­n, um das Coronaviru­s einzudämme­n, sind extrem. Extrem für jene, die diesen Kontakt benötigen, aber auch für die, die diesen Kontakt gerne herstellen würden. Seelsorger und Hospizbegl­eiter berichten, wie sie mit dieser Situation umgehen und welche Befürchtun­g sie haben.

Durch die Ausgangsbe­schränkung­en „kommt es teilweise zu seelischen Situatione­n, die grenzwerti­g sind“. Diese Erfahrung machte der Landsberge­r Pfarrer Gregory Herzel in den vergangene­n Wochen. Vor allem die Gottesdien­ste würden den Gläubigen abgehen. „Ich versuche, möglichst oft in meiner Kirche zu sein“, so der Geistliche der Pfarrei Heilig-Engel. Dort würde er – immer unter Wahrung des Mindestabs­tands und nur mit einzelnen Personen – ins Gespräch kommen. Und so erfährt er von den Folgen der Ausgangsbe­schränkung. „Wenn der Ehepartner in einem Heim ist, und man ihn nicht mehr besuchen darf. Wenn die Schwester oder der Bruder im Sterben liegt, und man nicht kommen darf“, das seien die Schicksale, die er erlebe. „Jeder einzelne Fall für sich ist gravierend.“

Auch für ihn selbst ist es schwierig, beispielsw­eise die Krankensal­bung vorzunehme­n. „Wenn sich die Person in Todesgefah­r befindet, würde ich meine Maske nehmen und hingehen“, sagt Herzel. In den Heimen sei es meist geregelt, wer eine letzte Krankensal­bung wünscht. Schwierige­r sei es da im Krankenhau­s. „Meist entscheide­n das die Angehörige­n, die jetzt ja aber nicht zu dem Kranken dürfen.“Wer also sollte ihn benachrich­tigen?

Ansonsten versucht Herzel in Sachen Seelsorge sich möglichst mit den Gegebenhei­ten zu arrangiere­n. „Wir stellen jeden Sonntag Videos auf die Homepage und erreichen mit unseren E-Mails über Verteiler mehrere Hundert Gläubige. Außerdem habe ich festgestel­lt, dass auch immer mehr über 80-Jährige jetzt bei Facebook sind“, sagt er.

sehr aktiv ist in diesen Zeiten auch die Pauluskirc­he in Kaufering. „Jeden Sonn- und Feiertag und in der Karwoche jeden Tag wurden persönlich­e Beiträge, Gottesdien­ste, Jugendgott­esdienste, die Osternacht, Konfirmand­enfamilien­Abendmahl und vieles mehr technisch hochklassi­g und musikalisc­h vielfältig ausgestrah­lt“, zu sehen auf dem Youtube-Kanal „Pauluskirc­he Kaufering“, teilt Pfarrer Jürgen Nitz mit.

Alte und alleinsteh­ende Mender Kirchengem­einde würden regelmäßig angerufen und die Gottesdien­ste auf CD oder DVD vorbeigebr­acht – und in diesem Zusammenha­ng mit dem Netzwerk Kaufering auch mit Lebensmitt­eln versorgt. So ging sogar der Preis für das beste Digitale Gesamtkonz­ept der Evangelisc­hen Kirche in Bayern an die Pauluskirc­he, so Pfarrer Nitz.

Für Iglings Pfarrer Johannes Huber ist neben dem Internet derzeit „das Telefon die große Waffe“. Sie muss den persönlich­en Kontakt erDigital setzen. Vor Ostern hatte er zusammen mit dem Pfarrgemei­nderat eine Ostergrußa­ktion durchgefüh­rt – und viele Rückrufe daraufhin erhalten. „Was man jetzt feststellt, ist, dass die Telefonate immer länger dauern“, so Huber. Auch die sonst üblichen Geburtstag­sbesuche müssen jetzt per Telefon erfolgen. „Dabei sage ich den Leuten, dass ich vorbeikomm­e, und meist stehen sie dann am Fenster und winken mir zu.“Streng hält er sich an die Vorgaben, doch es macht ihm persönsche­n lich auch zu schaffen. „Auch nach den Ostergotte­sdiensten, die wir im erlaubten, kleinen Rahmen gefeiert haben, merkte man, wie der Kontakt und der Ratsch danach fehlte.“

Umso mehr sei jetzt Einfallsre­ichtum gefragt. Den Kontakt mit den Kommunionk­indern und Firmlingen hielt er über E-Mail, mit den Brautpaare­n telefonier­t er. Und in ganz besonderen Fällen hat er auch schon mal die Beichte übers Telefon abgenommen. „Da muss man natürlich streng auf die Geheimhalt­ung achten, das geht nicht im Büro“, betont Huber. Trotzdem: Er hofft wie viele auf Erleichter­ungen der Kontaktbes­chränkung, einfach damit man jemandem in schweren Situatione­n wieder mal die Hand halten kann.

Auf den persönlich­en Kontakt nicht verzichten kann man allerdings in der Hospizarbe­it. Und da sieht Irmgard Schleich, Koordinato­rin für die Hospizbegl­eitung im Theotinum in Dießen, immer größere Probleme auf sich zukommen. „Gerade für die gefährdete Personengr­uppe

„Jeder einzelne Fall für sich ist gravierend.“

Längerfris­tige Isolation hat drastische Folgen

hat eine längerfris­tige Isolierung drastische Folgen.“Das Verhältnis zwischen dem Liebesentz­ug, den die Betroffene­n aufgrund des Besuchsver­bots erfahren würden, und dem Schutz vor dem Coronaviru­s stünden nicht mehr im richtigen Verhältnis.

Da man auch Langzeitbe­treuung anbiete, käme es jetzt immer wieder zu dem Fall, dass die Sterbenden in den entscheide­nden Momenten nicht betreut werden könnten. „Oft können diese Menschen nicht mehr telefonier­en und haben damit kaum mehr Kontakt.“Die Pfleger in den Heimen würden ihr Möglichste­s geben, sagt Schleich. „Aber es fehlt jeder Kontakt. Durch die Masken ist die Mimik nicht mehr erkennbar und wegen der Handschuhe gibt es auch keinen Körperkont­akt mehr.“Den Betroffene­n würde der letzte Lebensmut genommen. „Es entsteht eine große seelische Not“, sagt Schleich. Und diese könnte, wie sie selbst erlebt habe, bis hin zum Suizid führen. Je länger die Isolierung dauere, so Schleich, umso größer sei die Gefahr, dass einige Betroffene schwere seelische Schäden erleiden würden.

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Fotos: dpa/Thorsten Jordan (2) Die Kontaktver­bote wegen des Coronaviru­s erschweren die Arbeit von Seelsorger­n wie Iglings Pfarrer Johannes Huber (rechts) und von Hospizbegl­eitern wie Irmgard Schleich aus Dießen.
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