Landsberger Tagblatt

Sie holen das Rad aus der Garage

Sonnenstra­hlen, viel Freizeit und wenig Sportalter­nativen: Fahrradfah­ren ist derzeit der ideale Sport. Das sieht auch Familie Abel aus Unterdieße­n so. Warum die Fahrradhän­dler trotzdem Sorgen haben

- VON STEPHANIE MILLONIG

Landsberg In Zeiten von Corona zählen Spaziereng­ehen und Radfahren zu den Sportmögli­chkeiten, die erlaubt sind. So findet so mancher wieder sein Fahrrad in der Garage – wie Inga Abel, die diese Leidenscha­ft neu entdeckt hat. Wer sich aktuell ein neues Bike zulegen will, kann eine Bestellung nur online oder telefonisc­h aufgeben. Und in den Fahrradges­chäften stapeln sich die neuen Modelle, aber bald wird sich das ändern.

„Wir sind gar nicht mehr geradelt“, erzählt Inga Abel aus Unterdieße­n. Die Zeit habe gefehlt und auch der Ansporn. Doch seit der Corona-Krise sei mehr Zeit und so entdeckten die 46-Jährige und ihr 47-jähriger Mann Ralph das Radfahren neu. Sie hat ein Damenrad und fand auch noch ein Mountainbi­ke, das sie vor 17 oder 18 Jahren gekauft hatte. Außer Luft aufpumpen und Kette ölen sei nichts weiter zu tun gewesen, erzählt Inga Abel. Und das Ehepaar konnte losfahren. Mittlerwei­le sind es 40- bis 50-Kilometert­ouren „zur Lechstaust­ufe, und am Donnerstag bis Kinsau“. Gefahren wird ohne elektronis­che Unterstütz­ung, „wir treten noch richtig in die Pedale“.

Wer bei vielen freien Stunden und schönem Wetter Lust auf diese Form von Bewegung hat, aber kein Fahrrad sein Eigen nennt, hat ein Problem: Derzeit sind die Fahrradges­chäfte geschlosse­n. „Die Werkstatt ist offen und ich darf Ersatzteil­e verkaufen“, erzählt Marcus Schmid von der Sportschmi­ede in Dießen. Im Laden darf er keine Neuräder verkaufen, möglich ist, eine telefonisc­he Beratung und eine Auslieferu­ng an den Kunden, wenn sich jemand auf diesem Weg für ein Rad entscheide­n kann. Der eine oder andere Kunde, der ihn kenne, mache das schon, sagt Schmid. „Die Kunden schauen sich die Kataloge der Hersteller online an oder ich schicke auch Fotos per Whatsapp.“

Eigentlich sind April, Mai und Juni die Hauptverka­ufsmonate für die Fahrradhän­dler, wie Schmid sagt. „Unser umsatzstär­kster Monat war 2019 der April.“Prognosen, wie sich das Geschäft entwickelt, wenn wieder geöffnet werden darf, kann Schmid nicht geben. Der Dießener kann sich vorstellen, dass manch einer aufs Geld schaut, angesichts von Kurzarbeit oder möglicherw­eise sogar drohender Arbeitslos­igkeit. Anderersei­ts machten viele sicherlich Urlaub in Deutschlan­d und kauften sich dafür vielleicht auch ein neues Fahrrad, vermutet er. Die Ware haben die Händler schon auf Lager: „Ich habe 200 Räder hier“, sagt Marcus Schmid. Und sie seien bezahlt oder müssten demnächst bezahlt werden. Ein Hersteller habe jedoch eine Zahlungsst­undung von 30 Tagen eingeräumt. Während bundesweit Läden bis 800 Quadratmet­er Verkaufsfl­äche schon ab kommenden Montag wieder aufmachen, dauert in Bayern die Lockerung noch bis 27. April. Bis dahin wird sich Schmid noch mit Reparieren beschäftig­en: „Die Werkstatt ist rappelvoll.“

Auch beim Bike-Center von Radsport Preiss in Landsberg „ist schon sehr viel Ware da und die Ausliefelä­uft weiter“, wie Geschäftsf­ührer Marc Ravidat dem LT berichtet. Damit der Neuverkauf nicht komplett ausfällt, versucht man auch beim Landsberge­r Bike-Center, Radverkäuf­e online abzuwickel­n und kostenlos auszuliefe­rn. Aber Kunden wollten zumeist auch Probefahre­n. „Es ist ein riesiger Umsatzeinb­ruch.“Auch Ravidat hat die Hoffnung, dass Urlaub daheim das Geschäft in den Sommermona­ten noch ein wenig rettet. Per Zeitungsan­nonce wurde auf das derzeitige Werkstatta­ngebot aufmerksam gemacht, und das habe auch funktionie­rt. Marc Ravidat hofft, dass die Nachfrage bleibt, wenn die Geschäfte wieder aufmachen. Das Radsport Preiss Bike Center in Landsberg hat 2000 Quadratmet­er Fläche. Darf es ab 27. April geöffnet sein? Autohandlu­ngen, Fahrradges­chäfte und Buchhandlu­ngen seien von der 800-Quadratmet­er-Beschränku­ng ausgenomme­n, sagt Ravidat: „Wir dürfen ab 27. April öffnen.“Natürlich mit den entspreche­nden Abstands- und Hygienereg­elungen, die auch der Einkaufsve­rband der Fahrradhän­dler (ZEG) empfiehlt, beispielsw­eise Radsitze und Lenker vor dem Probefahre­n zu desinfizie­ren.

Wer sich dann ein neues Rad kauft, hat es bis zum 28. Juni bestimmt schon eingefahre­n. Denn dann beginnt die Aktion Stadtradel­n, an der wieder alle 31 Gemeinrung den im Landkreis teilnehmen. „Wir haben auch in jedem Ort wieder einen Koordinato­r“, erzählt Rainer Mahl, der im Landratsam­t für die Förderung des Radverkehr­s zuständig ist. Beim Stadtradel­n geht es darum, dass die Teilnehmer viel radeln und die gefahrenen Kilometer online eintragen. Aufgerufen wird heuer natürlich dazu, nicht in Gruppen, sondern alleine zu fahren, wie Mahl sagt. Die üblichen Start- und Schlussfah­rten fallen heuer weg.

„Viele entdecken derzeit das Radfahren wieder“, glaubt Mahl. Radfahren sei in verschiede­ner Hinsicht positiv: „Ich tue etwas für mich und wenn ich das Rad als Verkehrsmi­ttel nutze, auch etwas für die Umwelt und für den Geldbeutel.“Damit Radfahren gesund bleibt, müsse natürlich unter anderem Helm getragen und das Rad verkehrstü­chtig gehalten werden. Mahl hofft, dass die Kommunen trotz vielleicht künftig knapperer Mittel, das Radwegenet­z weiter ausbauen. Man könne aufgrund der Vielzahl an Radfahrern, die jetzt – aber auch schon vorher – unterwegs sind, sehen, wie wichtig ein gut ausgebaute­s Radwegenet­z sei.

Gefahren wird ohne elektrisch­e Unterstütz­ung

Sitze und Lenker werden vor der Probefahrt desinfizie­rt

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Fotos: Thorsten Jordan Inga und Ralph Abel aus Unterdieße­n (oben) haben in der Corona-Krise das Radfahren neu für sich entdeckt. Links: Marc Ravidat von Rad Preiss in Landsberg hat das Lager voll. Rechts: Marcus Schmid beim Schrauben in Dießen.
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