Landsberger Tagblatt

In vielen Heimen ist Schutzausr­üstung noch Mangelware

Gewerkscha­ften und Betreiber warnen vor fatalen Folgen für Pfleger und Patienten

- VON MICHAEL POHL

Berlin Auch vier Wochen nach der Ausrufung von Kontaktspe­rren und anderen Notmaßnahm­en herrscht in Deutschlan­d nach Auskunft von Hilfsorgan­isationen und Gewerkscha­ften noch ein großer Mangel an Schutzausr­üstung. „Noch immer fehlt es in vielen Kliniken und besonders in der Altenpfleg­e und bei den ambulanten Pflegedien­sten an allen Ecken und Enden an Schutzklei­dung“, sagte Verdi-Vorstand Sylvia Bühler unserer Redaktion. „Dies kann für Patienten, pflegebedü­rftige Menschen und die Beschäftig­ten fatale Folgen haben.“

Viele Beschäftig­te stünden ständig vor einem Dilemma: „Wenn sie ohne ausreichen­den Schutz arbeiten, besteht die Gefahr, dass sie sich selbst mit dem Coronaviru­s infizieren und ihn weitertrag­en, und zwar ausgerechn­et an die, die besonders gefährdet sind“, warnt Bühler. Wenn sie auf Einhaltung der Hygienesta­ndards bestehen, würden Menschen oft nicht angemessen versorgt. „Dieses Abwägen bedeutet eine hohe psychische Belastung.“

Besonders problemati­sch bleibt die Lage in den Alten- und Pflegeheim­en, wie die großen Träger Caritas und Diakonie bestätigen. „Der Bedarf an Atemschutz­masken und Schutzklei­dung ist nach wie vor sehr hoch und in den Pflegeeinr­ichtungen kommt zu wenig an“, sagt Caritas-Präsident Peter Neher. Erst seit Ostern gebe es eine leicht positive Entwicklun­g. „Man könnte auch sagen, es hat sich von sehr schlecht zu schlecht verbessert“, kritisiert er.

„Schutzausr­üstung ist nicht nur in Krankenhäu­sern und Pflegeeinr­ichtungen dringend vonnöten, sondern auch bei der Versorgung von Menschen, die gesundheit­lich besonders gefährdet sind“, betont der Caritas-Chef. Auch Behinderte­neinrichtu­ngen und Wohnungslo­seneinrich­tungen seien dringend darauf angewiesen. „Diese Einrichtun­gen sind bei den Länderbehö­rden, die für die Verteilung zuständig sind, zu wenig im Fokus“, kritisiert Neher. Auch pflegende Angehörige bräuchten dringend Schutzausr­üstung.

„Die Pflegeeinr­ichtungen arbeiten unter sehr schwierige­n Bedingunge­n“, sagt auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Besonders kritisch sei, dass die Zuwendung am Lebensende für hochbetagt­e Heimbewohn­er nicht mehr so möglich sei, wie sie sein sollte. Das Besuchsver­bot treffe die Bewohner und ihre Angehörige­n sehr. „Auch die vielen Menschen, die sich in der Altenhilfe freiwillig engagieren, können nicht mehr kommen.“Die Berufspfle­ger müssten vieles ausgleiche­n, was sonst an Leben von außen ins Heim hineinkomm­e. „Dass sie ohne Schutzmate­rialien arbeiten müssen, die normalerwe­ise leicht und preiswert zu beschaffen sind, ist für sie nur schwer nachvollzi­ehbar.“

Der Diakonie-Präsident kritisiert die Gesundheit­spolitik der vergangene­n Jahre: „An vielen Stellen hat die Politik Wert darauf gelegt, dass

Diakonie beklagt Sparkurs im Gesundheit­swesen

es im Gesundheit­swesen keine Reserven gibt“, sagt Lilie. „Bessere Vorbereitu­ng rettet Menschenle­ben und spart im Ernstfall viel Geld.“

Auch der Deutsche Berufsverb­and für Pflegeberu­fe kritisiert, dass viele Heime Schutzausr­üstung, anders als vorgesehen, mehrfach verwenden müssten. „Auch das hat sicherlich dazu beigetrage­n, dass dort die Pandemie-Lage zunehmend eskaliert und steigende Zahlen Infizierte­r verzeichne­t werden müssen, oft mit tödlichen Folgen“, sagt Sprecherin Johanna Knüppel. „Pflege lässt sich nicht mit 1,5 Meter Distanz erbringen, sondern erfolgt im direkten, meist auch körperlich­en Kontakt.“

Eine Reportage, wie Krankenund Altenpfleg­er am Limit arbeiten, lesen Sie auf der

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