In vielen Heimen ist Schutzausrüstung noch Mangelware
Gewerkschaften und Betreiber warnen vor fatalen Folgen für Pfleger und Patienten
Berlin Auch vier Wochen nach der Ausrufung von Kontaktsperren und anderen Notmaßnahmen herrscht in Deutschland nach Auskunft von Hilfsorganisationen und Gewerkschaften noch ein großer Mangel an Schutzausrüstung. „Noch immer fehlt es in vielen Kliniken und besonders in der Altenpflege und bei den ambulanten Pflegediensten an allen Ecken und Enden an Schutzkleidung“, sagte Verdi-Vorstand Sylvia Bühler unserer Redaktion. „Dies kann für Patienten, pflegebedürftige Menschen und die Beschäftigten fatale Folgen haben.“
Viele Beschäftigte stünden ständig vor einem Dilemma: „Wenn sie ohne ausreichenden Schutz arbeiten, besteht die Gefahr, dass sie sich selbst mit dem Coronavirus infizieren und ihn weitertragen, und zwar ausgerechnet an die, die besonders gefährdet sind“, warnt Bühler. Wenn sie auf Einhaltung der Hygienestandards bestehen, würden Menschen oft nicht angemessen versorgt. „Dieses Abwägen bedeutet eine hohe psychische Belastung.“
Besonders problematisch bleibt die Lage in den Alten- und Pflegeheimen, wie die großen Träger Caritas und Diakonie bestätigen. „Der Bedarf an Atemschutzmasken und Schutzkleidung ist nach wie vor sehr hoch und in den Pflegeeinrichtungen kommt zu wenig an“, sagt Caritas-Präsident Peter Neher. Erst seit Ostern gebe es eine leicht positive Entwicklung. „Man könnte auch sagen, es hat sich von sehr schlecht zu schlecht verbessert“, kritisiert er.
„Schutzausrüstung ist nicht nur in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen dringend vonnöten, sondern auch bei der Versorgung von Menschen, die gesundheitlich besonders gefährdet sind“, betont der Caritas-Chef. Auch Behinderteneinrichtungen und Wohnungsloseneinrichtungen seien dringend darauf angewiesen. „Diese Einrichtungen sind bei den Länderbehörden, die für die Verteilung zuständig sind, zu wenig im Fokus“, kritisiert Neher. Auch pflegende Angehörige bräuchten dringend Schutzausrüstung.
„Die Pflegeeinrichtungen arbeiten unter sehr schwierigen Bedingungen“, sagt auch Diakonie-Präsident Ulrich Lilie. Besonders kritisch sei, dass die Zuwendung am Lebensende für hochbetagte Heimbewohner nicht mehr so möglich sei, wie sie sein sollte. Das Besuchsverbot treffe die Bewohner und ihre Angehörigen sehr. „Auch die vielen Menschen, die sich in der Altenhilfe freiwillig engagieren, können nicht mehr kommen.“Die Berufspfleger müssten vieles ausgleichen, was sonst an Leben von außen ins Heim hineinkomme. „Dass sie ohne Schutzmaterialien arbeiten müssen, die normalerweise leicht und preiswert zu beschaffen sind, ist für sie nur schwer nachvollziehbar.“
Der Diakonie-Präsident kritisiert die Gesundheitspolitik der vergangenen Jahre: „An vielen Stellen hat die Politik Wert darauf gelegt, dass
Diakonie beklagt Sparkurs im Gesundheitswesen
es im Gesundheitswesen keine Reserven gibt“, sagt Lilie. „Bessere Vorbereitung rettet Menschenleben und spart im Ernstfall viel Geld.“
Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe kritisiert, dass viele Heime Schutzausrüstung, anders als vorgesehen, mehrfach verwenden müssten. „Auch das hat sicherlich dazu beigetragen, dass dort die Pandemie-Lage zunehmend eskaliert und steigende Zahlen Infizierter verzeichnet werden müssen, oft mit tödlichen Folgen“, sagt Sprecherin Johanna Knüppel. „Pflege lässt sich nicht mit 1,5 Meter Distanz erbringen, sondern erfolgt im direkten, meist auch körperlichen Kontakt.“
Eine Reportage, wie Krankenund Altenpfleger am Limit arbeiten, lesen Sie auf der