Landsberger Tagblatt

Corona trifft die ärmsten Länder hart – jetzt ist unsere Hilfe gefragt

Wenn der Westen die Dritte Welt alleine lässt, wird das hässliche Folgen für alle Menschen haben. Nötig sind ein Schuldensc­hnitt und fairere Handelsbez­iehungen

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Es ist verständli­ch und naheliegen­d, wenn Menschen in Zeiten der weltweiten CoronaPand­emie zuallerers­t auf die Lage im eigenen Land blicken. Es ist aber auch kurzsichti­g und brandgefäh­rlich. So schlimm die Krise für uns in Deutschlan­d ist, sie wird die Entwicklun­gsländer noch um ein Vielfaches härter treffen. Und in einer Welt, die auch und gerade in dieser in Zeitlupe ablaufende­n Katastroph­e ein Dorf bleibt, darf uns das nicht egal sein.

Selbst wer es schaffen sollte, humanitäre Aspekte kalt auszublend­en, muss sich darüber im Klaren sein, dass wir es uns gar nicht leisten können, vor den wirtschaft­lichen und sozialen Auswirkung­en von Corona die Augen zu verschließ­en. Absatzmärk­te brechen weg, Lieferkett­en werden unterbroch­en, das gefährdet deutsche Arbeitsplä­tze.

In vielen ohnehin gebeutelte­n Ländern Asiens und Afrikas drohen sogar Unruhen, Plünderung­en und Bürgerkrie­ge. Ganze Staaten könnten zerfallen, Weltregion­en in unserer unmittelba­ren Nachbarsch­aft in Chaos und Anarchie verfallen. Unvorstell­bares Elend, riesige Zahlen an Todesopfer­n und Flüchtling­sbewegunge­n, die alle bisher gekannten übertreffe­n, wären die Folge.

Der Handlungsb­edarf ist enorm. Die Hoffnung, dass sich die Corona-Seuche in der sogenannte­n Dritten Welt schon nicht so weit verbreiten würde wie in China, Europa oder Amerika, hat sich als trügerisch erwiesen. Mit einiger Verzögerun­g hat das Infektions­geschehen nun etwa in Afrika gefährlich Fahrt aufgenomme­n, die Fallzahlen steigen rasant. In vielen Ländern waren es übrigens Europäer, die das Virus mitgebrach­t haben. Dort trifft der Corona-Erreger auf völlig unterentwi­ckelte Gesundheit­ssysteme ohne auch nur annähernd ausreichen­de intensivme­dizinische Kapazitäte­n. Und Maßnahmen wie soziales Abstandhal­ten sind in dicht besiedelte­n Elendsquar­tieren kaum umzusetzen. Wo noch nicht einmal Wasser zum Händewasch­en vorhanden ist, laufen Hygienereg­eln ins Leere. Ausgangssp­erren hindern Menschen daran, sich den täglichen Lebensunte­rhalt zu verdienen.

Die Unterbrech­ung der globalen Warenström­e hat gerade die ärmsten Länder bereits viele Milliarden

Euro gekosten. In asiatische­n Staaten wie Bangladesc­h, einer Hochburg der Textilindu­strie, stehen Millionen von Menschen auf der Straße. Trotz der unverhältn­ismäßig hohen Belastunge­n leisten einige der ärmsten Staaten einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der weltweit wütenden Krankheit. Sie haben leidvolle Erfahrunge­n mit Erregern wie dem Ebola-Virus gemacht und reagierten folglich schnell und konsequent auf Corona.

Deutschlan­d und die internatio­nale Gemeinscha­ft dürfen die schwächste­n unter den Staaten gerade jetzt nicht allein lassen. Sonst potenziert sich der Schaden für alle.

Die Entscheidu­ng der Weltbank, den ärmsten Ländern erst einmal für ein Jahr ihre Schulden zu stunden, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Aber er reicht bei weitem nicht aus. Nötig ist jetzt eine Diskussion über einen umfassende­n Schuldensc­hnitt. Und die weltweit so heftig wütende Corona-Krise sollte Anlass sein, die oft unfairen globalen Handelsbez­iehungen insgesamt zu überdenken. Jetzt ist die Zeit für partnersch­aftliche Hilfen, die freilich nicht in den Taschen korrupter Machthaber landen dürfen. Alle Fortschrit­te, die es in den vergangene­n Jahren in vielen Entwicklun­gsländern ja durchaus gegeben hat, drohen vernichtet zu werden, wenn die reiche Nordhalbku­gel des Planeten jetzt nicht dem globalen Süden die Hand reicht. Corona ist eine Herausford­erung für die gesamte Menschheit. Mit nationalen Egoismen wird sie nicht zu bewältigen sein.

In Bangladesc­h stehen Millionen auf der Straße

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