Wehe, der Wind kommt
Rund um die Ruine des Atomkraftwerks Tschernobyl wabern Schwelbrände. Auch Deutschland hilft beim Löschen. Denn der Wind verbreitet radioaktive Partikel
Moskau „Ich will das nicht schreiben. Ich will es gar nicht: Es brennt. Es hört nicht auf zu brennen“, schreibt Jaroslaw Jemeljanenko dann doch und versieht seine Sätze bei Facebook mit Bildern rund um die „Zone“, diesem Sperrgebiet im Radius von 30 Kilometern um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl. Rötliche Rauchschwaden wabern durchs Bild, alte Frauen weinen verzweifelt, rußgeschwärzte Männer freuen sich über die mitgebrachten Decken, Hühner picken in der Asche. Am 26. April vor 34 Jahren war hier nach einem Kontrolltest der Reaktor 4 explodiert. Eine radioaktive Wolke glühte noch Tage später bei mehr als 2000 Grad Celsius unter freiem Himmel.
Jemeljanenko, der sonst im Katastrophentourismus tätig ist und Ausflüge zum ehemaligen Kernkraftwerk organisiert, war in den vergangenen Tagen im Dauereinsatz im verseuchten Gebiet. Er hat Feuerwehrleuten Wasser gebracht, hat den Bewohnern Masken gespendet, hat mit seinen Texten und Videos in den sozialen Netzwerken über die Feuer informiert, die ukrainische Experten „supergigantisch“nennen. Mindestens 46000 Hektar Land sind nach Schätzungen von Greenpeace bereits abgebrannt, quasi 46 000 Fußballfelder.
Die Reaktorruine selbst wurde bislang von den Flammen verschont. Doch Rauchwolken könnten radioaktive Partikel aus dem verseuchten Gebiet transportieren. Bei ungünstiger Wetterlage und Windrichtung könnte auch Deutschland davon betroffen sein.
Im 70 Kilometer entfernten Kiew haben die Behörden bereits erhöhte radioaktive Werte gemessen, diese lägen jedoch bislang unterhalb der Grenzwerte.
Noch vor wenigen Tagen keimte Hoffnung auf. Das Feuer sei gelöscht, hieß es offiziell in Kiew. Doch schon damals wiesen neben Jemeljanenko auch ukrainische Wissenschaftler auf die Gefahr durch Schwelbrände hin. Mehr als 700 Feuerwehrleute kämpfen noch immer mit schwerem Gerät und Hubschraubern gegen mindestens sechs Schwelbrände. Auch Deutschland hat nun Hilfen zugesagt: Spezialmaterial in Höhe von 230 000 Euro soll laut der deutschen Botschaft in Kiew durch die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit zur Verfügung gestellt werden: „Die schnelle Hilfe umfasst 80 Dosimeter zur Messung der Radioaktivität und rund 15 Kilometer Feuerwehrschläuche.“Zusätzlich werde man ein speziell für Waldund Vegetationsbrände ausgestattetes Tanklöschfahrzeug anschaffen. „Ausgestanden ist das Feuer längst nicht“, sagt auch Sergej Sibzew, Direktor des osteuropäischen Zentrums für Brandüberwachung in Kiew. Er fordert, die Feuerwehr besser auszustatten.
In der Ukraine kommt es immer wieder zu Waldbränden, auch in der Region um Tschernobyl. Vor allem im Frühjahr fackeln Bauern gern ihre Felder ab, mancher Dorfbewohner verbrennt altes Laub, in den Wäldern wird gegrillt. Legal ist das nicht, aber die Strafen von bis zu umgerechnet 300 Euro werden kaum ausgesprochen. Die Feuer geraten schnell außer Kontrolle.