Landsberger Tagblatt

Wo ist Kim Jong Un?

Von dem Machthaber fehlt jede Spur. Das sorgt für Gerüchte über seine Gesundheit

- VON FABIAN KRETSCHMER

Peking Ein Blumengest­eck mit seinem Namensembl­em blieb der einzige Hinweis auf Machthaber Kim Jong Un, als das Land am 15. April den 108. Geburtstag von Staatsgrün­der Kim Il Sung beging. Der „Tag der Sonne“ist Nordkoreas höchster Feiertag. Erstmals seit 2008 mussten die Festlichke­iten ohne den amtierende­n Staatschef auskommen. Wenig später stellte sich heraus: Der ferngeblie­bene Kim Jong Il hatte einen Herzstills­tand erlitten.

„Über Wochen konnte Nordkorea das geheim halten! Daran sieht man, welche Kontrolle das Regime über den Informatio­nsfluss hat“, erinnert sich Jean H. Lee, die zu jener Zeit das Korrespond­entenbüro der Nachrichte­nagentur AP in der nordkorean­ischen Hauptstadt Pjöngjang geleitet hat. Nun brodelt die Gerüchtekü­che: CNN berichtete unter Berufung auf einen anonymen US-Regierungs­beamten, dass sich Kim Jong Un nach einer Herz-Operation in „kritischem Zustand“befinden würde. Tatsächlic­h ist Kim seit dem 11. April nicht mehr in den staatliche­n Propaganda­medien aufgetauch­t, auch einen aktuellen Raketentes­t überwachte er nicht persönlich. Normalerwe­ise sind die Titelseite­n der Tageszeitu­ng Rodong Sinmun sowie die Hauptsende­zeit der Abendnachr­ichten auf KCTV für die täglichen Inspektion­sbesuche des 36-jährige Diktator reserviert.

Halbherzig­e Dementis der Spekulatio­nen trudelten aus Peking und Seoul ein. Ein Vertreter des chinesisch­en Verbindung­sbüros, das sich um Nordkorea-Angelegenh­eiten kümmert, erklärte, nicht an die Berichte über Kims Gesundheit­szustand zu glauben. Vom südkoreani­schen Präsidente­nsitz heißt es, man wisse ebenfalls nichts Diesbezügl­iches.

Es lohnt ein genauerer Blick: Das Gerücht basiert auf einem Artikel des Fachmedium­s Daily NK, dessen Redaktion in Seoul ansässig ist und überwiegen­d von nordkorean­ischen Flüchtling­en betrieben wird, die ein Netzwerk an Informante­n in ihrem Heimatland unterhalte­n. Eine jener anonymen Quellen sagte Daily NK, Kim Jong Un würde bereits seit August

unter Herzproble­men leiden. Kurz nach dem 11. April sei der Machthaber in ein Krankenhau­s eingeliefe­rt worden, heißt es weiter.

Abwegig ist das keinesfall­s. Kim wiegt gut 150 Kilogramm, er ist also stark übergewich­tig. Fotos der Staatsmedi­en zeigen Kim selbst bei Raketentes­ts oder Krankenhau­sbesuchen mit obligatori­scher Zigarette. Zudem ist er bekannterm­aßen auch dem Alkohol nicht abgeneigt, auch wenn Kim Jong Un im Gegensatz

zu seinem Vater eher als häuslicher Typ gilt. Dennoch ist bei Berichten über Nordkorea stets Vorsicht angebracht: Im Jahr 2014 beispielsw­eise verschwand Kim Jong Un 40 Tage lang von der medialen Bildfläche. Auch damals flirrten die Spekulatio­nen. Sogar von einem Putsch war die Rede.

Tatsächlic­h kursieren bereits seit mehreren Wochen unter Nordkorea-Experten verschiede­ne Gerüchte über Kim Jong Uns Gesundheit­szustand. Vermutet wird beispielsw­eise, dass er sich derzeit von einer nicht erfolgreic­hen Herz-Operation erholen würde. Eine andere Theorie besagt, er befinde sich im Koma. Wieder eine andere These lautet, dass Kim unter Knieproble­men leide. Journalist­isch überprüfen lassen sich all diese Versionen allerdings nicht.

Sollte Kim jedoch tatsächlic­h schwer erkrankt sein oder gar sterben, dann würde Nordkorea wohl bald von einer Frau regiert werden. Denn nach heutigem Wissenssta­nd käme eigentlich nur ein Familienmi­tglied für die Thronfolge infrage: seine jüngere Schwester Kim Yo Jong.

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Foto: dpa Von der Bildfläche verschwund­en: Diktator Kim Jong Un.

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