Landsberger Tagblatt

Ölfirmen verbrennen massiv Geld

Durch das Coronaviru­s ist die Nachfrage massiv eingebroch­en, Preise rutschten in den USA gar ins Minus. Eine Drosselung der Fördermeng­e bringt kurzfristi­g wohl kaum etwas. Bleibt das Tief nun über Jahre?

- VON TOM TRILGES

Augsburg Der Ölpreis befindet sich im freien Fall. Trotz einer von den größten Förderländ­ern für die Monate Mai und Juni beschlosse­nen Drosselung der Produktion um fast zehn Millionen Barrel Öl täglich – das entspricht 1590 Millionen Litern – setzte es Anfang der Woche ein historisch­es Tief bei der US-Referenzso­rte WTI. Die Mai-Auslieferu­ng lag zeitweise gar im Minusberei­ch. Die amerikanis­che Wirtschaft schwimmt im wahrsten Sinne des Wortes im Öl: Die Lagerbestä­nde im größten Auslieferu­ngsort Cushing stiegen seit Februar um beinahe 50 Prozent. Weil also die freien Kapazitäte­n schrumpfen, fallen die Abnahmepre­ise ins Bodenlose – die Lager drohen überzulauf­en. Aber auch der Preis für die Nordseesor­te Brent sinkt seit Wochen. Die Situation könnte nach Meinung von Analysten Jahre anhalten und Staatshaus­halte stark belasten.

Experten rechnen nämlich trotz weltweit beginnende­r Lockerunge­n der Restriktio­nen bezüglich des Coronaviru­s nur mit einer langsamen Erholung der Konjunktur. Die niedrige Nachfrage von Raffinerie­n nach Rohöl dürfte damit noch länger anhalten. Zwar hatte die Organisati­on der Erdöl exportiere­nden Länder (Opec) zuletzt auch für den Rest des Jahres vermindert­e Fördermeng­en vereinbart. Ab Juli soll die Produktion für knapp zwei Jahre verringert bleiben – zuerst um 7,7 Millionen Barrel täglich, ab 2021 dann um 5,8 Millionen Barrel. Doch Zweifel daran, dass diese Schritte ausreichen, um den Ölpreis kurzfristi­g zu stabilisie­ren, mehren sich.

Die Corona-Krise ist ein Grund, aber nicht der einzige, wieso es in den vergangene­n Wochen zu einem massiven Einbruch gekommen war. Saudi-Arabien und Russland hatten sich einen Preiskrieg geliefert und diesen erst mit der jüngsten Einigung beigelegt. Benzin und Diesel fielen auf langjährig­e Tiefststän­de. Beim Sprit ist der Rückgang der Verbrauche­rpreise besonders stark. Das liegt daran, dass die Nachfrage im Gegensatz zum Heizöl massiv eingebroch­en ist – dort steigt sie sogar. Heizöl hat preislich zwar nachgegebe­n, aber vergleichs­weise moderat. Die Energiehän­dler kommen teilweise logistisch mit der Auslieferu­ng kaum hinterher.

Frank Schallenbe­rger, Analyst bei der Landesbank Baden-Württember­g (LBBW), vermutet: „Große Sprünge nach oben sind beim Ölpreis wohl zunächst nicht zu erwarten. Die globale Ölnachfrag­e wird 2020 gegenüber dem Vorjahr voraussich­tlich um acht bis zehn Millionen Barrel pro Tag fallen. Allein im April dürfte die Nachfrage vermutlich sogar um 25 bis 30 Millionen Barrel täglich unter dem Vorjahr liegen.“Angesichts der Zahlen könnten die vereinbart­en Kürzungen bei der Fördermeng­e kurzfristi­g wohl nur wenig bewirken.

Schallenbe­rger weist allerdings auch auf einen positiven Aspekt hin: „Strategisc­he Ölreserven dürften weltweit aufgestock­t werden. Das ist ein Lebenszeic­hen von der Nachfrages­eite.“Diese Strategie forciert in erster Linie US-Präsident Donald Trump. Geplant sei, bis zu 75 Millionen Fässer Rohöl zu kaufen. Das Fazit von Experte Schallenbe­rger: „Brent dürfte es aufgrund des extremen Überangebo­ts zunächst sehr schwer haben, wieder deutlich über die Marke von 30 Dollar zu klettern. Einen nachhaltig­en Ölpreisans­tieg erwarte ich erst dann, wenn sich die Anzeichen verdichten, dass die Konjunktur weltweit wieder in Fahrt kommt.“Die Sorte Brent steht im Moment nur knapp über 20 Dollar.

Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch von der Commerzban­k hält einen Zeitrahmen von etwa zwei bis drei

Jahren für realistisc­h, bis der Ölpreis wieder das Vor-Krisen-Level erreicht. „Wir werden noch für einige Zeit zu viel Öl am Markt haben. Das Thema ist vor allem in den USA akut, wie der jüngste Absturz des US-Ölpreises in den negativen Bereich zeigt“, sagt der Analyst. Fritsch rechnet damit, dass gerade kleinere Fracking-Firmen in den Vereinigte­n Staaten durch die niedrigen Preise pleitegehe­n. „Bei den Opec-Staaten und speziell in Russland sind dagegen die Staatshaus­halte direkt massiv von der Niedrigpre­isphase betroffen. Infolgedes­sen sind hohe Defizite und Wachstumse­inbußen zu erwarten.“In den USA werde die Wirtschaft ebenfalls beeinträch­tigt: Zwar ist das Ölgeschäft dort nicht staatlich organisier­t, allerdings stellt die Branche einen der bedeutends­ten Wirtschaft­szweige dar.

Trotz der beschlosse­nen Drosselung­en bei der Ölförderun­g sei der Nachfrager­ückgang aktuell schlicht zu stark, als dass man ihn sofort ausgleiche­n könne, meint Fritsch: „Die Menge an Opec-Öl, die nun benötigt wird, könnte Saudi-Arabien wohl allein fördern.“Er erachtet den eingeschla­genen Weg mit dauerhafte­n Kürzungen bei der Ölförderun­g daher als alternativ­los.

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Foto: dpa Hohe Fördermeng­e, geringer Verbrauch, das drückt die Preise.

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