Nach 54 Jahren hört ein politisches Urgestein auf
Heute nimmt Norbert Sepp zum letzten Mal an einer Sitzung des Kauferinger Marktgemeinderats teil. Einem politischen Weggefährten fühlt er sich besonders verbunden. Welchen großen Wunsch der 80-Jährige hat
Kaufering In Kaufering endet heute eine Ära. Für Norbert Sepp, den dienstältesten Gemeinderat im Landkreis Landsberg, ist es nach 54 Jahren die letzte Sitzung. Der 80-Jährige war bei der Kommunalwahl im März nicht mehr angetreten. Es ist zugleich das Ende einer noch längeren Epoche, in der seine Familie die Entwicklung Kauferings maßgeblich mitgestaltete.
Norbert Sepps Vater Josef war ab 1948 Bürgermeister von Kaufering und als er 1966 sein Amt niederlegte, zog der Sohn in den Marktgemeinderat ein. „Ich habe bei meinem Vater viel mitbekommen und deswegen beschlossen, mich auch zu engagieren“, erinnert er sich zurück. Der Name des Vaters habe geholfen, den Sprung ins Gremium zu schaffen, glaubt er.
Viele Jahre vertrat er die Farben der CSU, bevor es im Vorfeld der Kommunalwahl 2002 zum Bruch kam. Damals wollte Carsten Schorr für die Christsozialen bei der Bürgermeisterwahl gegen Amtsinhaber Klaus Bühler antreten, ein Ansinnen, das Sepp nicht befürwortete. „Ich hätte ihn gerne zum Nachfolger aufgebaut und deswegen hatte ich dafür plädiert, dass er wartet, bis Bühler aufhört. Schorr hat dann bei der Sitzung die Frage aufgeworfen, ob ich überhaupt auf die Kandidatenliste der CSU gehöre. Bei einer Abstimmung darüber bin ich mit 7:3 abgelehnt worden.“
Also wechselte Sepp zur UBV von Klaus Bühler, über den er in höchsten Tönen spricht. Ein Bürgermeister, dessen Arbeitstempo „rasant“gewesen sei und der den Mitarbeitern viel abverlangt habe, allerdings habe er die Gemeinde dadurch auch stark vorangebracht. Als wichtige
Projekte nennt er die Erweiterung der Schulen, den Bau von Ärztehaus und Heizkraftwerk und den „vorausschauenden Erwerb von Grundstücken“, von dem man heute noch profitiere, auch wenn die Reserven langsam zur Neige gingen. Als Höhepunkt bezeichnet Norbert Sepp den Anschluss von KauferingDorf in den 1990er-Jahren ans Kanalnetz. Dank des schnellen Reagierens bei den Zuschüssen und „guten Preisen“der Baufirmen hätten die Anwohner weniger dafür bezahlen müssen als in anderen Kommunen.
Mit der Person Bühler verbindet Sepp aber auch den Tiefpunkt seiner 54 Jahre im Gremium, wie er sagt. Nach dessen Amtsrücktritt Ende 2011 aus gesundheitlichen
Gründen sah die Marktgemeinde im Vorgehen des Bürgermeisters ein Fehlverhalten und zog vor Gericht. Dieser hatte einem Mieter zugesagt, 4030 Euro zu zahlen, wenn er seine Wohnung vorzeitig räume und dadurch der Umbau des Ärztezentrums beginnen könne. Das Gericht entlastete Bühler – sehr zur Freude von Sepp. Er selbst war in Kaufering sechs Jahre Dritter Bürgermeister und zwölf Jahre Zweiter Bürgermeister. Seine Frau Cilli habe ihm in dieser Zeit immer den Rücken freigehalten. Die beiden sind seit 56 Jahren verheiratet.
Zum Bruch mit der UBV kam es, als diese Bühler „unverständlicherweise wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen“hat, erinnert sich Sepp. Er selbst erlebte die Ereignisse im Sommer 2012 nur am Rande mit, weil er sich gesundheitsbedingt zurückziehen musste. Er folgte anschließend Bühler zur neu gegründeten Kauferinger Mitte, für die er heute das letzte Mal am Ratstisch sitzen wird.
Norbert Sepp war aber nicht nur 54 Jahre im Gemeinderat, sondern zusammengerechnet 203 Jahre ehrenamtlich in seiner Heimatgemeinde und im Landkreis engagiert. Unter anderem als Schöffe am Gericht, als Vorsitzender des Veteranenvereins sowie in der Kirche. Die Zeit im Pfarrgemeinderat und der Kirchenverwaltung von St. Johann sowie als Organist beläuft sich zusammengenommen auf 111 Jahre. Als Organist ist er nach wie vor aktiv. „Solange mein Kopf und meine Motorik mitspielen, mache ich weiter.“
Neben der Kirche gibt es noch ein anderes großes Thema, dem sich Norbert Sepp, der 30 Jahre auf dem Fliegerhorst in Penzing gearbeitet hat, verschrieben hat: die Erinnerung an den Holocaust und die Völkerverständigung mit Israel. Er ist Gründungsmitglied der Bürgervereinigung Landsberg im 20. Jahrhundert zur Erforschung der Landsberger Zeitgeschichte sowie des Vereins Gedenken in Kaufering. Die Opfer des KZ-Außenlagers Kaufering seien „eine Mahnung an die Lebenden“, betont er. Besonders berührt habe ihn eine Begegnung im November 2007. Damals kam ein Mann aus der Stadt Haifa ins Kauferinger
Sein Vater war Bürgermeister
Sepp engagiert sich in der Erinnerungsarbeit
Rathaus, weil er nach Spuren seines Vaters suchte. Beide waren im Juni 1944 mit einem Transport zum Arbeitseinsatz von Auschwitz nach Kaufering gebracht worden. Der Vater erkrankte und beide verloren sich aus den Augen. „Durch die Einsicht in unsere Akten hatte er die traurige Gewissheit, dass sein Vater im Oktober nach Auschwitz zurückgebracht und dort umgebracht wurde.“
Norbert Sepp hat einen großen Wunsch. Er würde die Realschule gerne nach Viktor Frankl benennen, dem Neurologen und Psychiater, der als Häftling mehrere Monate im Konzentrationslager in Kaufering verbringen musste. Und wie sieht der Vater dreier Kinder und Opa einer Enkelin die Zukunft Kauferings? Wenn sich die Verantwortlichen an einen Rat im Jeremias-Brief halten, sei ihm nicht bange. Dieser sagte: „Bemüht euch um das Wohl der Stadt, in die ich euch wegführen ließ, und betet für sie. Wenn es ihr gut geht, wird es auch euch gut gehen.“