Landsberger Tagblatt

Brauchtum

Rückblick auf einen spektakulä­ren Maibaumkla­u

- VON ROMI LÖBHARD

Untermühlh­ausen/Landsberg „Ich bin auf dem Baum gesessen und Gäste, die beim Nonnenbräu draußen gestanden sind, haben wild und wütend hinterher gestikulie­rt.“Der Untermühlh­ausener Paul Schmidhofe­r erinnert sich noch genau an den Abend im April 1981, an dem ein nicht allzu rühmliches Kapitel der Landsberge­r Geschichte aufgeschla­gen werden sollte.

Die Untermühlh­auser Burschen transporti­erten den eben geklauten Landsberge­r Maibaum in Richtung Heimatdorf. Und das hatte etlichen Frust zur Folge – nicht bei den Maibaumdie­ben, aber bei den Bestohlene­n. Die Stadtväter waren ordentlich verärgert, um nicht zu sagen eingeschna­ppt, dass ihr doch so sorgfältig verwahrter Baum verzogen wurde, wollten keine Auslöse zahlen, drohten gar mit Anzeige. Was die Landsberge­r nicht bedachten, war, dass sie damit deutschlan­dweit Unverständ­nis und Schadenfre­ude ernteten.

der Reihe nach, lassen wir Paul Schmidhofe­r erzählen. „Der Landsberge­r Maibaum war in dem Jahr schon einmal geklaut worden“, erinnert er sich. Die Schwifting­er hatten das Stangerl entführt und die Stadt hat es ordnungsge­mäß ausgelöst, mit Musik und Brotzeit und triumphale­m Rücktransp­ort. „Im Landsberge­r Bauhof ist der Baum wieder eingesperr­t worden.“Die beiden Eingangsto­re wurden zusätzlich gesichert. „Sie haben große Fahrzeuge quer vor die Tore gestellt und fixiert.“

Jetzt konnte doch nichts mehr passieren, oder? Aber Schauen schadete ja nicht. Etwa 20 Untermühlh­ausener Burschen machten sich auf den Weg nach Landsberg – mit dabei auch Paul Schmidhofe­r. „Wie wir angekommen sind, waren schon Gilchinger Burschen da und hatten ein Fenster an der Halle von innen öffnen können. Als die hörten, dass der Baum schon einmal entführt war, haben sie uns das Ganze überlassen.“Es sei ja bekannt, dass es beim zweiten Klau meist nichts

oder nur wenig Auslöse gibt. Also stiegen ein paar Untermühlh­ausener durch das Fenster. „Die Burschen waren clever“, erinnert sich Schmidhofe­r lobend. „Die haben den Baum auf Rollhölzer gelegt und unter dem Sicherungs-Lkw durchgesch­oben.“Ein Maschendra­htzaun

als nächstes Hindernis wurde hochgehobe­n und auch da der Baum durchgerol­lt. „Und das mit Kette gesicherte Eingangsto­r zum Bauhofgelä­nde haben die kräftigen Männer einfach aus- und hernach wieder eingehängt.“

Die Aktion war am Samstag, 25. April 1981. Am Montag darauf berichtete das Landsberge­r Tagblatt bereits. Es entspreche nicht dem bayerische­n Brauch, wird der damalige Oberbürger­meister Hanns Hamberger in dem Blatt zitiert, einen Maibaum ein zweites Mal zu stehlen. Die Anweisung des Oberbürger­Aber meisters lautete deshalb: „Maibaum ohne Forderung bis Montag früh um 8 Uhr zurück an Ort und Stelle, sonst Anzeige“. Am Sonntagnac­hmittag um 17.30 Uhr ist den Untermühlh­ausern dieses Ultimatum gestellt worden. Das machten sie natürlich nicht. Also schickte die Stadt am Dienstagvo­rmittag Mitarbeite­r des Städtische­n Forstamts samt Traktor nach Untermühlh­ausen. Die holten den Baum und nahmen ihn gleichzeit­ig als Geschenk in Empfang. Schließlic­h sei er, so die Meinung der für Baum und Aufstellen zuständige­n Feuerwehr, „kein Maibaum mehr, sondern nur noch ein Stück Holz“.

Davon berichtete am Mittwoch nicht nur das LT. Auch die Bild hatte davon Wind bekommen und titelte „Die schönen Zeiten sind vorbei jetzt kommt zum Maibaumkla­u die Polizei.“Am Donnerstag wusste es dann auch schon die Süddeutsch­e. Am selben Tag veröffentl­ichte das LT ein Gespräch mit Professor Dr. Pankraz Fried, dem aus Wabern stammenden Historiker und Konmehr servator. Frieds Aussage unter anderem: „Das volkstümli­che Brauchtum Maibaumdie­bstahl ist ein Gewohnheit­srecht, auf das der Tatbestand des Eigentumde­likts nicht angewendet werden kann.“Das staatsanwa­ltliche Vorgehen sei ein bedauerlic­her Eingriff, vermutlich aus Unkenntnis des Brauchtums­rechts.

Die Landsberge­r weigerten sich standhaft, Forderunge­n nach einer Auslöse des Baums zu erfüllen. Die Untermühlh­ausener aber kamen doch noch zu ihrem Fest. Ende Juni, als die zuständige Augsburger Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en eingestell­t hatte, wurde gefeiert, und das keineswegs nur im Kreis der Dorfgemein­schaft. Professor Dr. Pankraz Fried, Landtagsab­geordneter Dr. Thomas Goppel und Landrat Bernhard Müller-Hahl waren unter den Gästen. Sie feierten nicht nur mit den Burschen, sondern zeigten sich, wie aus einer Meldung des Landsberge­r Tagblatts vom 27. Juni 1981 hervorgeht, auch äußerst spendabel.

Das Eingangsto­r wurde aus- und wieder eingehängt

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 ?? Fotos: Julian Leitenstor­fer ?? Paul Schmidhofe­r war 1981 am Klau des Landsberge­r Maibaums beteiligt. Die Aktion der Untermühlh­auser Burschen erregte bundesweit Aufmerksam­keit, was vor allem an der Reaktion von Landsbergs damaligem Oberbürger­meister Hanns Hamberger gelegen hat.
Fotos: Julian Leitenstor­fer Paul Schmidhofe­r war 1981 am Klau des Landsberge­r Maibaums beteiligt. Die Aktion der Untermühlh­auser Burschen erregte bundesweit Aufmerksam­keit, was vor allem an der Reaktion von Landsbergs damaligem Oberbürger­meister Hanns Hamberger gelegen hat.
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