Landsberger Tagblatt

Die Tür mit den Einschussl­öchern gibt es noch

Wie zwei Pürgener Kinder das Kriegsende erlebten. Peter Murr war erst drei Jahre alt, erinnert sich aber noch an das Versteck im Kartoffelk­eller. Sein Halbbruder Albert Bauer war 13 Jahre und hat aufgeschri­eben, was damals geschah

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Vor 75 Jahren endete der Zweite Weltkrieg in Europa: Am 8. Mai kapitulier­te Nazideutsc­hland. Das Landsberge­r Tagblatt veröffentl­icht zu diesem Anlass Erinnerung­en von Zeitzeugen, die als Kinder und Jugendlich­e im Landkreis das Kriegsende miterlebte­n – so wie Peter Murr aus Pürgen, der noch immer ein Erinnerung­sstück – eine Zimmertür mit Einschussl­öchern aufbewahrt.

Am 28. April 1945 kamen die Amerikaner nach Pürgen und bei der Familie von Peter Murr hinterließ­en sie eine Tür mit Einschussl­öchern – das hölzerne Teil kann der 78-Jährige noch immer zeigen. Peter Murr war noch sehr klein an diesem 28. April, aber daran, dass er in einem Keller auf Kartoffeln saß, erinnert er sich noch gut. Die Familie, darunter Peter Murr und sein Halbbruder Albert Bauer, hatte sich auf einem etwas abseits gelegenen Gehöft versteckt. Und der zehn Jahre ältere, mittlerwei­le verstorben­e Bruder erzählte ihm auch später von diesem Tag. Beide haben die Erinnerung­en aufgeschri­eben, das LT berichtete vor zwölf Jahren schon einmal über die Geschichte von der Tür mit den Einschussl­öchern.

Der damals 13-jährige Albert hatte beim Mittagesse­n gesessen, als es draußen ungewöhnli­ch ruhig wurde. Kein Auto und kein deutscher Soldat seien mehr zu sehen gewesen. Ein Landwirt, der mit seinen Ochsen aus Richtung Landsberg nach Pürgen kam, lieferte die Erklärung: „Die Amerikaner kommen, die Amerikaner kommen! Der Krieg ist aus“, rief der Mann nach Alberts Erinnerung­en.

Von der Schwifting­er Straße aus kamen die amerikanis­chen Panzer angerollt. Ein bei der Familie einquartie­rter Soldat riet dazu, sich zu verstecken, und gemeinsam mit Mutter, Großeltern und Tanten sowie einer einquartie­rten Familie aus München sei man auf das Anwesen

von Pürgen geflohen. Und der dreijährig­e Peter Murr wurde vorsichtsh­alber in den Keller gebracht.

Bevor die amerikanis­chen Soldaten die Türen auf dem Hof von Peter Murrs Familie öffneten, schossen sie erst einmal durch sie hindurch. Denn noch immer hielten sich deutsche Soldaten im Dorf auf. Und Peter Murr weiß auch von Erzählunge­n, dass in Pürgen zwei SSaußerhal­b auf einen schwarzen Soldaten auf einem Panzer schossen. „Vielleicht wären sie sonst einfach durch Pürgen hindurchge­fahren.“Die US-Soldaten erwiderten das Feuer, dabei fingen zwei Anwesen zu brennen an. „Die Panzer fuhren einfach durch unseren Garten“, schreibt Albert Bauer in den Erinnerung­en. Die beiden SS-Soldaten starben und wurden laut Bauer anonym am Pürgener Friedhof begraSolda­ten ben. Die Familie Murr kehrte auf den eigenen Hof zurück. Dort standen sie einem afroamerik­anischen Soldaten gegenüber. „Einen Schwarzen hatten wir bis dahin noch nicht gesehen“, schreibt Peter Murr. Auf Knien baten Albert Bauer und seine Tante den Soldaten, sie nicht zu erschießen. Das hatte der Amerikaner gar nicht vor. Er lächelte sie an und ließ die beiden gehen. Überhaupt seien sie von den amerikanis­chen Soldaten sehr human behandelt worden, so die Erinnerung von Albert Bauer.

Bei den weiteren kleinen Gefechten,

die sich vor allem am Mühlberg und in der Pitzlinger Straße ereigneten, wurde wild durch die Gegend geschossen. Dabei erlitt ein Nachbar der Familie Murr einen Bauchdurch­schuss. Er habe seine fünfjährig­e Tochter auf dem Arm getragen, der nichts passierte, schreibt Albert Bauer. Ob er von einer amerikanis­chen oder einer deutschen Kugel getroffen wurde, konnte nie geklärt werden. Der Nachbar wurde im Wohnzimmer der Familie Murr versorgt. Die US-Soldaten hatten zwei deutsche Militärärz­te geholt, die den Verwundete­n notdürftig verbanden. Er ist kurze Zeit später gestorben, schreibt Albert Bauer.

Ein weiterer deutscher Soldat, der einen Armschuss hatte, wurde bei den Murrs versorgt, und die Amerikaner stellten laut Alberts Erinnerung­en eine Wache vor die Tür, damit kein Soldat das Zimmer betrat.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Peter Murr aus Pürgen erzählt seine Erlebnisse vom Kriegsende. Und die Erinnerung­stücke im Haus gibt es immer noch.
 ??  ?? Die Kugeln im Wohnzimmer von Peter Murr.
Die Kugeln im Wohnzimmer von Peter Murr.

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