Kommunen vor dem Kollaps
Schwimmbäder geschlossen, örtliche Betriebe in Not: Die Corona-Krise stellt Städte und Gemeinden vor massive Finanzprobleme. Einige setzen nun auf Kurzarbeit
Dinkelsbühl/Landsberg Christoph Hammer ist gerade ein gefragter Mann. Der CSU-Oberbürgermeister von Dinkelsbühl wurde über Bayern hinaus bekannt dafür, dass die Große Kreisstadt in Mittelfranken mit ihren 12000 Einwohnern die erste Kommune im Freistaat war, die Kurzarbeit anmeldete. Wegen der Folgen der Corona-Pandemie. Dafür interessieren sich nicht nur Journalisten, sondern vor allem andere Städte und Gemeinden. Etwa Landsberg am Lech, das frühzeitig mit Hammer Kontakt aufnahm.
Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen, sagt Hammer im Gespräch mit unserer Redaktion – unter anderem mit Blick darauf, dass es 2020 voraussichtlich erstmals seit Jahrzehnten keinen Landestheaterbetrieb in seiner Stadt gebe. „Aber es fiel mir wirtschaftlich leicht, weil wir das Defizit auf ein Mindestmaß beschränken müssen.“Die Kurzarbeit, die am 27. April für 80 von rund 250 Stadtbeschäftigten – vor allem aus Verkehrsamt, Bäderbetrieb und Theater – begann, nehme wirtschaftlichen Druck. „Auch eine Stadt muss wie ein Betrieb denken“, sagt Hammer. „Wir dürfen aus dieser Krise nicht als Pleitegeier herausgehen. Sonst haben wir nächstes Jahr die Diskussion: Können wir uns noch unser Schwimmbad oder unsere Musikschule leisten?“
Wie viele Kommunen auf das Instrument Kurzarbeit zurückgreifen, lässt sich nicht feststellen, weil das weder die kommunalen Spitzenverbände erfassen, noch die Bundesagentur für Arbeit ausweist. Allerdings scheint das Interesse groß zu sein. So hat der Kommunale Arbeitgeberverband Bayern „viele Anfragen zum Thema“registriert, Achim Sing vom Bayerischen Städtetag spricht von einem „großen Interesse“und Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag sagt, die Möglichkeit, Kurzarbeit anzuordnen, sei bei den Gemeinden „beliebt“. Denn Kurzarbeit diene der Entlastung der Haushalte. Und sie ermögliche den Gemeinden, Mitarbeiter, die eigentlich wegen der Schließung einer Einrichtung zu Hause bleiben müssten, dort weiterzubeschäftigen – etwa mit Inventuroder Sanierungsarbeiten.
Und so befassen sich aktuell ungezählte Kommunen mit dem Thema, selbst eine Großstadt wie Augsburg. Nach Auskunft von Personalreferent Frank Pintsch wird die Anmeldung von Kurzarbeit „gewissenhaft geprüft“. Man gehe davon aus, dass sie „allenfalls in wenigen Bereichen zur Anwendung kommt“. Im
Landsberg am Lech und in Friedberg bei Augsburg ist man schon weiter. Dort diskutierten Stadträte am 22. beziehungsweise 23. April über Kurzarbeit, mit dem Ergebnis, dass sie in beiden Städten kommen soll – in Landsberg rückwirkend ab dem 1. Mai. „Wir haben in dem mehrstufigen Verfahren zur Beantragung der Arbeitsagentur unseren Bedarf gemeldet und warten auf die Rückmeldung, ob dies so genehmigungsfähig ist“, erklärt am Donnerstag Andreas Létang, Sprecher der 30000-Einwohner-Stadt Landsberg. Die plante mit Einnahmen von 32 Millionen Euro aus der Gewerbe- und über 20 Millionen Euro aus der Einkommensteuer, rechne nun jedoch „mit einschneidenden Einnahmeausfällen“.
„Wenn die Rückmeldung erfolgt, wird der Antrag auf Kurzarbeit gestellt“, so Létang. Mit Mitarbeitern seien bereits Regelungen besprochen worden, sie hätten Verständnis gezeigt. Wie viele der 500 Mitarbeiter in der Stadtverwaltung betroffen sein werden, konnte Létang nicht sagen, es gehe aber um die Bereiche Sport- und Veranstaltungszentrum sowie Kultur mit Stadttheater, Stadtbibliothek, Tourist-Information und Volkshochschule. Von Haushaltssperre oder Einstellungsstopp sei zwar momentan nicht die Rede, dennoch sei schon jetzt klar: „Man wird Projekte, zum Beispiel im Baubereich, streichen müssen.“
Nach Ansicht von Kurt Gribl (CSU), der bis vor wenigen Tagen Augsburger Oberbürgermeister war und Vorsitzender des Bayerischen Städtetags ist, kann Kurzarbeit „in bestimmten Bereichen, die derzeit wegen der Corona-Pandemie geschlossen sein müssen, eine Möglichkeit sein, um eine prekäre Finanzlage einzelner kommunaler Betriebe oder Einrichtungen zu lindern“. Basis dafür sei ein am 1. April in Kraft getretener Tarifvertrag, der bis Ende 2020 laufe. Dieser sieht vor, dass das Kurzarbeitergeld auf 90 (bei höheren Gehältern) beziehungsweise 95 Prozent des bisherigen Nettoentgelts aufgestockt wird; Bereiche der kommunalen Kernverwaltung sind ausgenommen.
Neben „Kurzarbeit“fallen in Kommunen gerade oft auch die Wörter „Streichliste“sowie „Steuoberbayerischen ererhöhungen“. Die Marktgemeinde Mering im Kreis Aichach-Friedberg etwa erwartet aufgrund der Pandemie-Folgen mindestens zehn Prozent Mindereinnahmen bei Gewerbeund Einkommensteuer. Ende April beschloss der Gemeinderat daher, die Grundsteuer B zu erhöhen. Dies soll jährliche Mehreinnahmen von 830 000 Euro bringen.
Andernorts will man von Steuererhöhungen, insbesondere der Gewerbesteuer, nichts hören. „Den Gewerbebetrieben, die ohnehin massiv leiden, an den Säckel zu gehen, wäre fatal. Unser Ziel muss sein, möglichst vielen Betrieben das Überleben zu sichern“, sagt Dinkelsbühls Oberbürgermeister Christoph Hammer. Dazu müsse man als Stadt jetzt investieren.
Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag pflichtet ihm bei. Natürlich könnten Gemeinden eigene Steuersätze anheben. „Damit macht man sich politisch aber nicht beliebt. Und höhere Steuerhebesätze sind ein Standortnachteil.“Die Unternehmen schauten genau, wo die Hebesätze niedriger seien. Und verlagerten dann möglicherweise.