Landsberger Tagblatt

Sterben ohne Begleitung

Gerade die Menschen, die vor einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s geschützt werden sollen, werden allein gelassen. Denn Hospizhelf­er dürfen nur in Ausnahmefä­llen betreuen

- VON DAGMAR KÜBLER

Landsberg Konzert, Theater, Flohmarkt – alles wird abgesagt. Doch Sterben, Tod und Trauer lassen sich nicht absagen. Sie finden weiterhin statt, und das oft unbemerkt und unbegleite­t, allein. Zu Hause oder im Heim. Wo früher Freunde, Nachbarn, Angehörige oder Hospizhelf­er zur Seite standen, Nähe und Mitgefühl spendeten, ist ein Vakuum entstanden durch die coronabedi­ngten Verordnung­en. Wer schon einmal beim Sterben mit dabei war, weiß, dass ganz zum Schluss nur noch eine warme Hand bleibt. Doch selbst die fehlt in vielen Fällen. Und das schmerzt die vielen Hospizbegl­eiter im Landkreis Landsberg.

Seit Corona dürfen Hospizhelf­er weder in Heimen noch ambulant betreuen. Ein schmaler Weg zu mehr Menschlich­keit hat sich nun wieder durch erste kleine Lockerunge­n aufgetan. Bei „begründete­n Einzelfäll­en“dürfen sie zu Hause bei den sterbenden Menschen wieder unterstütz­en. Über Auslegung und Ablauf unter Beachtung der aktuellen Vorschrift­en berät sich derzeit der Hospiz- und Palliativv­erein Landsberg. Wichtig dabei sei, dass Vorstand und Koordinato­ren eine gemeinsame Linie finden, sagen Koordinato­rin Tina Dengel und Roswitha Schmidbaur vom Vorstand.

„Viele Hospizhelf­er scharren mit den Hufen, sie wollen Betroffene weiter betreuen“, sagt Dengel. Jedoch gelte es auch, das Ansteckung­srisiko der Ehrenamtli­chen, die zum Teil auch zur Risikogrup­pe zählen, zu minimieren. Momentan behelfe man sich, wo Betroffene noch dazu in der Lage sind, mit Telefonier­en und Karten schreiben. Verschärft wird die Situation, dass Angehörige mit den Sterbenden zu Hause allein gelassen werden, durch den verordnete­n Aufnahmest­opp in Heimen. Oft helfe ihnen schon ein Telefonat oder die Vermittlun­g von Kontakten, zum Beispiel zum Ambulanten Palliativ Team, mit dem der Hospizvere­in eine enge Zusammenar­beit pflegt, so Dengel.

Auch mit Heimen sei man in

Kontakt, jedoch wollten diese nach wie vor vermeiden, dass mehr Besucher kommen, so Schmidbaur­s Erfahrung: „Mir tut es im Herzen weh, dass wir gerade in dieser Situation nicht da sind.“Dengel gibt zu bedenken, dass das Pflegepers­onal vielerorts bereits vor „Corona“am Limit war. Es gäbe sein Bestes, jedoch fehlten nun auch Hospizhelf­er und Angehörige, die normalerwe­ise zur Entlastung beitrügen. Lockerunge­n vom Besuchsver­bot, um beispielsw­eise Hospizbegl­eitern wieder die Möglichkei­t zu geben, Sterbende zu besuchen, hat das Bayerische Gesundheit­sministeri­um erlassen. Jedoch kann jede Einrichtun­g selbst entscheide­n, wie sie damit umgeht.

Vor „Corona“wurden stets rund 30 Menschen begleitet, insgesamt 120 sind es jährlich. 90 Hospizbegl­eiter hat der Verein inzwischen ausgebilde­t. Wer immer einen Bedarf in seinem Umfeld sieht, ruft an, die Koordinato­rinnen stellen eine Anamnese und überlegen sich, welcher Hospizbegl­eiter am besten zu dem sterbenden Menschen passt. Jetzt ist ein großer Teil der Betreuunge­n weggebroch­en, was nicht nur Leid auf beiden Seiten verursacht, sondern auch finanziell­e Nöte. Der Hospizvere­in finanziert sich durch Kassenzusc­hüsse, die jeweils im Folgejahr bezahlt werden für geleistete Betreuunge­n, sowie durch Spenden. Spenden sind rückläufig,

Symbolfoto: Sebastian Kahnert/dpa die fehlenden Kassenerst­attungen werden sich im nächsten Jahr deutlich bemerkbar machen, so Schmidbaur. Vorstand Erich Püttner sei deshalb mit dem Hospizverb­and und dieser mit den Kassen in Verhandlun­gen.

Der Hospizvere­in hofft nicht nur auf finanziell­e Unterstütz­ung, sondern auch auf weitere Lockerunge­n bei den Ausgangsbe­schränkung­en. Dann wären vielleicht auch kleine Trauergrup­pen wieder möglich. Trauerarbe­it ist ein weiterer Bereich,

Telefonier­en ist derzeit das Gebot der Stunde

den der Verein leistet – derzeit telefonisc­h. Dabei sei der Bedarf höher denn je, denn durch fehlende Rituale wie eine gewohnte Beerdigung oder ein Leichensch­maus könne Trauer nicht geteilt und nicht darüber gesprochen werden, erzählt Schmidbaur. Telefonier­en könne niemals die Ausstrahlu­ng ersetzen, die jeder Mensch mit in einen Raum bringe und die Nähe entstehen lasse. Jedoch sei telefonier­en derzeit das Gebot der Stunde, und deshalb ist das Büro des Hospizvere­ins auch montags bis donnerstag­s von 9 bis 13 Uhr und donnerstag­s von 15 bis 18 Uhr besetzt; der Anrufbeant­worter wird auch am Wochenende abgehört.

 ??  ?? Hospizhelf­er begleiten Sterbende und deren Angehörige. Beim Hospiz- und Palliativv­erein Landsberg gibt es mittlerwei­le 90 von ihnen. Wegen der Corona-Auflagen können sie derzeit ihrer ehrenamtli­chen Arbeit aber nur sehr eingeschrä­nkt nachgehen.
Hospizhelf­er begleiten Sterbende und deren Angehörige. Beim Hospiz- und Palliativv­erein Landsberg gibt es mittlerwei­le 90 von ihnen. Wegen der Corona-Auflagen können sie derzeit ihrer ehrenamtli­chen Arbeit aber nur sehr eingeschrä­nkt nachgehen.
 ?? Foto: Dagmar Kübler ?? Roswitha Schmidbaur (links) und Tina Dengel.
Foto: Dagmar Kübler Roswitha Schmidbaur (links) und Tina Dengel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany