Koordinaten Y-3790 – das brennende Gebenhofen
Georg Engelhard, Affing-Anwalting Anwalting und Gebenhofen liegen wenige Kilometer nordöstlich von Augsburg in der Gemeinde Affing. Die Kriegs- und Nachkriegszeit ging auch an diesen Ortschaften nicht spurlos vorbei.
Die alliierten Streitkräfte versuchten während des Zweiten Weltkrieges mit Luftangriffen auf die deutsche Industrie, die Produktion zu behindern. Die deutsche Führung setzte alles daran, die eigenen Industriestandorte zu schützen. Um wichtige Städte wurden Flugabwehrkanonen, abgekürzt Flak, stationiert. Es wurden regelrechte Flakgürtel errichtet, mit denen man die feindlichen Bomber von ihren Zielen abhalten wollte.
Im Herbst 1944 wurden zwei Batterien mit insgesamt 24 Kanonen vom Kaliber 8,8 cm zwischen Gebenhofen und Anwalting, nahe der kleinen Salzbergkapelle, stationiert. Sie gehörten zum Flakgürtel, der Augsburg schützen sollte. Dazu kamen noch etliche kleinere Geschütze. Der 89-jährige Albert Recher aus Anwalting erlebte dies als Bub und kann sich noch gut daran erinnern.
Mit dem Bau der Unterkünfte wurde erst begonnen, nachdem die Flak-Einheiten bereits eingetroffen waren. So mussten die Soldaten vorerst in den Bauernhöfen untergebracht werden. Auch Kriegsgefangene und sogenannte Hilfswillige waren dabei. Auf dem RecherAnwesen in Anwalting wurden in einer Stadelecke 25 russische Kriegsgefangene untergebracht. Die Männer mussten im Herbst und Winter den ganzen Tag im Freien arbeiten und die Nacht im kalten Stadel verbringen. Die Unterkunftsbaracken, die in der Nähe der Geschützstellungen errichtet wurden, waren erst unmittelbar vor Kriegsende bezugsfertig.
Für den Kiestransport zum Bau der Stellungen musste die Familie Recher ihren Lanz Bulldog zur Verfügung stellen. Nachdem diese Arbeit beendet war, wurde der Traktor von der Wehrmacht einbehalten. Nur durch Zufall gelangte die Familie nach dem Krieg wieder in den Besitz ihrer Zugmaschine.
Die Wehrmacht gab die Flakstellung erst mit dem Einzug der US-Armee auf. Die Soldaten einer Batterie versorgten sich am 27. April 1945 bei Bauern mit Zivilkleidung und verschwanden. Bei der anderen Batterie wurde am 28. April 1945 noch heftig geschossen. Man feuerte in Richtung Gablingen. Dort befanden sich Truppenteile der US-Armee, die bekämpft wurden. Vormittags um 10 Uhr gab auch diese Batterie den Kampf auf. Einer der Geschützführer erschien im Recher-Anwesen in Anwalting und erbat Zivilkleidung. Der Bauer sprach ihn auf den sinnlosen Widerstand an. Der Soldat antwortete nur: „Herr Recher, wir waren alle sturzbetrunken.“Offenbar hatten aber nicht alle Flaksoldaten den Kampf eingestellt, denn der damalige Pfarrer Anton Wiedemann berichtete, dass er am Nachmittag noch von einem Unteroffizier der deutschen Flakabteilung bedroht wurde, als er die weiße Fahne am Turm der Gebenhofener Kirche hisste. Außerdem wurde gegen 13 Uhr versucht, eine Beobachtungsstation auf dem Kirchturm einzurichten.
An diesem 28. April 1945 zog die US-Armee am späten Nachmittag in Anwalting ein. Zwei zufällig anwesende junge Männer, die über einige Englischkenntnisse verfügten, konnten den Funkverkehr der Amerikaner mithören. Dabei erfuhren sie, dass die US-Truppen in Anwalting gestoppt wurden, da Gebenhofen noch in deutscher Hand war und dass die Amerikaner einen Luftangriff planten.
Vom Flugplatz Toul-Ochey in Lothringen starteten um 16.15 Uhr zwölf Maschinen des Typs P-47D „Thunderbolt“zu einem Einsatz, der vom Boden aus geleitet wurde. Ziel war der Ort mit den Koordinaten Y-3790. Das war Gebenhofen.
Um 17.30 Uhr waren die Maschinen über dem Ziel und flogen ihren Angriff. Die Piloten gaben danach in ihrem Einsatzbericht an, zehn Gebäude zerstört und weitere 20 beschädigt zu haben. Dies kam der Wirklichkeit ziemlich nahe, denn 34 Gebäude waren beschädigt oder zerstört. Um 18.35 Uhr landeten wieder alle Maschinen auf dem Flugplatz Toul-Ochey. Zurück blieb das brennende Gebenhofen. Die Flaksoldaten hatten Tote zu beklagen. Von den Einheimischen war niemand ernsthaft verletzt worden.
Nach der Bewertung des Landratsamtes war Gebenhofen die am schwersten getroffene Gemeinde im Landkreis. Man rief im ganzen Kreis dazu auf, Dachziegel zu spenden. Eine Handvoll junger Männer aus Gebenhofen und ehemalige Flakhelfer, die nach dem Krieg bei den Bauern untergekommen waren, arbeiteten im Sommer 1945 einige Wochen in der Ziegelei in Mering. Thomas Riemensperger aus Affing fuhr sie auf der Ladefläche seines Lastwagens nach Mering und holte sie zum Wochenende wieder ab. Übernachtet wurde in Mering in Privatunterkünften. Als Gegenleistung für den Arbeitseinsatz wurden Dachplatten nach Gebenhofen geliefert. So baute man den Ort mühsam wieder auf.