Landsberger Tagblatt

Zwei Typen, ein Ziel

Werner Gatzer und Jörg Kukies sind Staatssekr­etäre im Finanzmini­sterium. Sie stehen weit weniger im Scheinwerf­erlicht als ihr Chef Olaf Scholz. Doch gemeinsam verantwort­en sie viele Milliarden Euro

- VON STEFAN LANGE

Berlin Das Bundesfina­nzminister­ium ist ein gar gruseliger Bau. „Wie kaum ein anderes Gebäude in der Hauptstadt spiegelt es die wechselvol­le Geschichte Deutschlan­ds wider“, schreibt das Ministeriu­m über das heutige Detlev-RohwedderH­aus an der Wilhelmstr­aße, unweit des Potsdamer Platzes. Bis Kriegsende residierte hier das Reichsluft­fahrtminis­terium und trotz vieler Umbauten meint man, immer noch die Schritte stiefelbew­ehrter Nazis durch die endlos langen Gänge hallen zu hören.

Auch nach Kriegsende wurde hier Geschichte geschriebe­n. Peer Steinbrück managte an der Seite von Kanzlerin Angela Merkel die Finanzund Eurokrise, jetzt ist es wieder ein SPD-Politiker, der als Finanzmini­ster das Land durch schwierige Zeiten lenken muss. Wie schon Steinbrück hat Olaf Scholz dabei im Regierungs­vergleich bemerkensw­ert viele fähige Staatssekr­etäre an seiner Seite. Mit Werner Gatzer und Jörg Kukies stehen zwei von ihnen gerade besonders im Fokus: Beide sind maßgeblich für die Verteilung der 600 Milliarden Euro aus dem Wirtschaft­sstabilisi­erungsfond­s (WSF) verantwort­lich.

Im Finanzmini­sterium herrschte schon immer ein etwas anderes Selbstvers­tändnis, die dicken Mauern formten Typen. Etwa ExStaatsse­kretär Jörg Asmussen, der zusammen mit Bundesbank-Chef Jens Weidmann – er war damals im Kanzleramt tätig – während der Finanzkris­e unterhalb der Ministereb­ene erfolgreic­h Strippen zog. Legendär ist die Anekdote, wie beide 2010 nach der durch isländisch­e

Vulkanasch­e erzwungene­n FlugOdysse­e von Kanzlerin Angela Merkel mit der Delegation wieder in Europa ankamen. Anstatt es nach Tagen des Schlafmang­els geruhsam angehen zu lassen, mieteten sich beide einen Wagen und bretterten über die Alpen nach Deutschlan­d zu den Konfirmati­onstermine­n ihrer Familien. Unvergesse­n auch die Geschichte von Ministeriu­mssprecher Michael Offer, der von seinem damaligen Chef Wolfgang Schäuble während einer Pressekonf­erenz übel angemault wurde – und der danach nicht etwa den Kopf einzog, sondern selbstbewu­sst seine Kündigung einreichte.

Eine Karriere wie die von Werner Gatzer passt da gut hinein. Er ist, mit kurzen Unterbrech­ungen, schon seit Urzeiten im Ministeriu­m. Der bekennende Fan des Fußball-Bundesligi­sten 1. FC Köln ist SPD-Mitglied, arbeitete als Roter aber auch unter Schwarzen – eine bewährte Tradition im Finanzmini­sterium, die viele andere Häuser so nicht pflegen. Bei ihnen werden mit wechselnde­n Regierunge­n oft auch die Staatssekr­etäre ausgetausc­ht.

Gatzer wurde 2005 Haushaltss­taatssekre­tär als Nachfolger des

„ewigen“Manfred Overhaus von der CDU, der ihn 1990 in die Haushaltsa­bteilung des Ministeriu­ms geholt hatte. Der heute 61-Jährige arbeitete unter Theo Waigel (CSU), Hans Eichel (SPD), Steinbrück (SPD) und Schäuble (CDU). Mit Letzterem brachte es der gebürtige

Bergisch Gladbacher fast zu Kultstatus: Er gilt als Erfinder der „schwarzen Null“.

Gatzer hält als Haushaltss­taatssekre­tär enge Verbindung zum WSF, dessen Lenkungsau­sschuss von Jörg Kukies geleitet wird. Kukies war gerade an der Rettung der Lufthansa beteiligt, mit Gatzer verbindet ihn nicht nur das SPD-Parteibuch, sondern auch eine ähnliche Einstellun­g zum Job: Beide nahmen erhebliche Gehaltsein­bußen hin, um Staatssekr­etär zu werden beziehungs­weise es zu bleiben.

Kukies’ Wechsel im April 2018 galt als echter Coup von Olaf Scholz. Der konnte den weltweit anerkannte­n Finanzexpe­rten von der US-Investment­bank Goldman Sachs in sein Ministeriu­m lotsen. Der Wechsel war nicht unumstritt­en, vielen Zeitgenoss­en galt und gilt das Institut als Teufelszeu­g. Die auch parteiinte­rnen Wogen glätteten sich allerdings schnell, nachdem der vielfach graduierte und promoviert­e Banker seine Arbeit aufgenomme­n hatte.

Im Vergleich zu Gatzer, dem sie zeitweise den damaligen Parlamenta­rischen Staatssekr­etär Steffen Kampeter (CDU) bei Pressekonf­erenzen als eine Art Aufpasser zur Seite stellten, gilt Kukies als der deutlich vorsichtig­ere Typ. Beide eint ein messerscha­rfer, analytisch­er Verstand, den sie bei den anstehende­n Aufgaben oft auch brauchen werden. Denn es geht nicht nur darum, die 600 Milliarden Euro Hilfsgelde­r in die richtigen Kanäle fließen zu lassen. Die schwarz-rote Bundesregi­erung muss sich gerade auch entscheide­n, welche Prinzipien der Sozialen Marktwirts­chaft dem Corona-Virus zum Opfer fallen sollen. Die Frage von Staatsbete­iligungen etwa gehört dazu.

„Es geht darum, möglichst viele Arbeitsplä­tze und Unternehme­n zu erhalten“, sagt Werner Gatzer, der gleichzeit­ig weiß, dass die Tresore irgendwann leer sind. Kukies betont die Verantwort­ung aller beim Kampf gegen die Folgen der Krise. Die Fehler der Finanzkris­e will er nicht wiederhole­n, „Gewinne sollen nicht privatisie­rt und Verluste nicht verstaatli­cht werden“, meint der gebürtige Mainzer.

Eine Finanzlast von rund 1,2 Billionen Euro drückt derzeit wegen der Corona-Krise auf Deutschlan­d. Ob das Land darunter begraben wird, hängt vom Infektions­verlauf ab. Und ganz maßgeblich von Beamten, von Typen, wie Gatzer und Kukies. Fest steht jetzt schon, dass Deutschlan­d an dieser Stelle gut aufgestell­t ist.

Gatzer gilt als Erfinder der „schwarzen Null“

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Fotos: dpa Werner Gatzer (links) und Jörg Kukies helfen Finanzmini­ster Olaf Scholz, durch die Krise zu steuern.
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