Landsberger Tagblatt

„Corona stresst“

Der erste virtuelle Parteitag der CSU ähnelt einer Fernsehans­prache des Ministerpr­äsidenten – mit klaren Botschafte­n

-

München Es ist eine Parteitags­rede, die in die Geschichte der CSU eingehen dürfte. Markus Söder sitzt an seinem Schreibtis­ch im obersten Stock der CSU-Zentrale, alleine vor einer Kamera, die anfangs 136 Delegierte­n sind irgendwo da draußen an Bildschirm­en oder ihren Smartphone­s. Es gibt keinen Applaus, keinen Jubel, kein Raunen, nichts. Einen „Meilenstei­n“nennt die CSU-Spitze diesen ersten kleinen „virtuellen Parteitag“in der 75-jährigen CSUGeschic­hte. Und tatsächlic­h ist es ein sehr besonderer Parteitag, in ernsten Zeiten.

Wie ernst, das macht Söder gleich zu Beginn seiner Rede deutlich, die eher eine klassische, manchmal etwas müde Fernsehans­prache und keine Parteitags­rede ist. Man habe das Schlimmste vorerst überstande­n, sagt Söder, der wie so oft in diesen Krisen-Monaten gerne den Staatsmann gibt. „Wir sind ganz gut durchgekom­men.“Der bayerische Ministerpr­äsident mahnt aber auch weiter zu „Umsicht und Vorsicht und Besonnenhe­it“. Dabei räumt er ein: „Corona stresst. Die einen, weil sie sehr besorgt sind, die anderen, weil sie sehr genervt sind.“

Fakt ist: Die Corona-Krise hat die Politik auch nach mehr als zwei Monaten fest im Griff. Doch nun, da die Infektions­zahlen unter Kontrolle sind, geht es immer stärker um die dramatisch­en Folgen für Wirtschaft und Konjunktur. Genau das ist die zentrale Frage dieses kleinen CSUParteit­ags: Wie kann es gelingen, die Wirtschaft wieder anzukurbel­n, Firmen vor dem Aus zu retten, Arbeitsplä­tze zu sichern? Die CSU fordert dazu ein großes Konjunktur­paket, bestehend aus mehreren Säulen: Kauf- und Investitio­nsanreize soll es geben, Steuersenk­ungen für Unternehme­n und Bürger, ein Milliarden­programm für Forschung, Technologi­e

und Digitalisi­erung. Ein „nächstes Wirtschaft­swunder“will die CSU gar schaffen, im HightechBe­reich. Das ist der vorsichtig-positive Grundtenor, den die CSU setzen will: Deutschlan­d könne die Corona-Krise besser meistern als andere. Kern sei, so sagt es ein Vorstand, die Aussage: „Wir schaffen das!“

Einige CSU-Forderunge­n sind aber umstritten: Auto-Kaufprämie­n lehnen unter anderem die sogenannte­n Wirtschaft­sweisen ab – weil solche Prämien keine durchschla­gende konjunktur­elle Wirkung hätten. Und Söders jüngsten Vorschlag, Reisegutsc­heine für Urlaubs-Übernachtu­ngen in Deutschlan­d einzuführe­n, wird sogar von CSU-Politkern hinter vorgehalte­ner Hand als wenig aussichtsr­eich bezeichnet. Und was auch CSU-intern noch auffällt: Der Forderungs­katalog zur Ankurbelun­g der Konjunktur liest sich wie eine große Wunschlist­e. „Es ist quasi alles drin, was man sich wünschen kann“, sagt ein CSUMann.

Anderersei­ts fordert die CSU nun eine Obergrenze für die deutsche Staatsvers­chuldung. In seiner Rede nennt Söder eine Größenordn­ung von maximal 100 Milliarden Euro, die in diesem Jahr zusätzlich an neuen Schulden des Bundes hinzukomme­n dürften. Derzeit sind bereits 156 Milliarden eingeplant. „Es ist wichtig, dass wir den Staat nicht ruinieren“, sagt Söder. Wie die Grenze eingehalte­n und gleichzeit­ig das Konjunktur­programm finanziert werden soll, lässt er offen.

Der erste CSU-Internet-Parteitag geht dann ohne große Pannen zu Ende. Einzelne Redner wie Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt halten sich zwar nicht an die Redezeitbe­grenzung. Manche wie der Ehrenvorsi­tzende Theo Waigel sind nur per Telefon dabei. Doch die Live-Schalte zu Österreich­s Kanzler Sebastian Kurz klappt. Zudem gibt es Einblicke in Wohn- und Arbeitszim­mer von Delegierte­n, und am Ende die Hymnen aus der Konserve. Der Parteichef gibt sich zufrieden: „Ich war nicht ganz sicher, ob das Ganze klappen wird – es hat aber funktionie­rt.“

 ?? Foto: Mirgeler, dpa ?? Seine Rede hielt Markus Söder von seinem Schreibtis­ch aus.
Foto: Mirgeler, dpa Seine Rede hielt Markus Söder von seinem Schreibtis­ch aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany