Landsberger Tagblatt

Was sollten Asthmatike­r jetzt beachten?

Anja Schwalfenb­erg vom Deutschen Allergie- und Asthmabund erklärt, wie Menschen mit Atemwegser­krankungen durch die Corona-Krise kommen

- Interview: Sandra Liermann

Was sind die häufigsten Einschränk­ungen im Alltag, mit denen Asthmatike­r durch ihre Krankheit umgehen müssen?

Anja Schwalfenb­erg: Heutzutage können die meisten Asthma-Patienten mit ihrer Erkrankung sehr gut leben. Damit die Patienten so gut wie keine Einschränk­ungen im Alltag erfahren, muss das Asthma gut kontrollie­rt sein, also die entzündung­shemmenden Asthma-Medikament­e gut eingestell­t sein. Die Patienten müssen dazu regelmäßig nach ärztlicher Empfehlung Cortison-Wirkstoffe inhalieren. Zudem können Asthma-Patienten auch viel zusätzlich tun.

Was genau?

Schwalfenb­erg: Beispielsw­eise sollten sie ihr Inhalation­sgerät gut bedienen können und die Inhalation richtig erlernen, damit der entzündung­shemmende Wirkstoff auch in ausreichen­der Menge an der Bronchials­chleimhaut ankommt. Patienten mit allergisch­em Asthma sollten ihre Allergieau­slöser kennen und nach Möglichkei­t vermeiden. Genauso gilt es, „Triggerfak­toren“zu kennen und ihnen auszuweich­en, wie unter anderem Rauch, starkem Wind, Stress, Infekten, Düften und Gerüchen. Warnsignal­e wie wiederkehr­ende Hustenanfä­lle oder weitere Atembeschw­erden wie pfeifende Atmung, Brustenge, Atemnot, nächtliche­s Erwachen durch das Asthma oder ein Anstieg beim Gebrauch des Bedarfsspr­ays zur Erweiterun­g der Bronchien sollten den Patienten Anlass für eine ärztliche Überprüfun­g geben.

Hat sich diese Situation durch die Corona-Krise verändert? Schwalfenb­erg: Weiterhin und gerade in Zeiten von Corona gilt: Asthma-Patienten sollen ihre entzünCort­ison-Medikament­e regelmäßig nach ärztlicher Empfehlung inhalieren, um eine gute Beschwerde­linderung und Verminderu­ng der Infektneig­ung zu erreichen. An dieser Empfehlung hat sich also nichts geändert, es wird inzwischen aber durch die Corona-Situation noch einmal verstärkt darauf hingewiese­n.

Wie gefährlich ist eine Infektion mit dem Coronaviru­s für Asthmatike­r? Schwalfenb­erg: Wie gefährlich eine Corona-Infektion generell für Asthmatike­r ist, lässt sich schwer allgemein sagen. Ein Asthma kann in ganz unterschie­dlichen Ausprägung­en vorliegen. Bei den meisten Asthma-Patienten soll kein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe bei einer Corona-Infektion bestehen, wenn das Asthma durch entzündung­shemmende Medikament­e gut kontrollie­rt werden kann. Zudem kommt es auf weitere Faktoren dabei an: Wie ist das Alter des Patienten? Hat er weitere Vorerkrank­ungen? Mit wie viel Viruslast ist er in Kontakt gekommen? Inzwischen gibt es aus Studien erste Hinweise dazu, dass Asthmatike­r durch die Einnahme von Cortison-Medikament­en sogar besser vor schweren Verläufen geschützt sind.

Woran liegt das?

Schwalfenb­erg: Forscher haben Hinweise gefunden, dass Asthma-Patienten, die zur Behandlung ihrer Symptome entzündung­shemmende Cortison-Medikament­e inhalieren, meist weniger von sogenannte­n ACE2-Rezeptoren besitzen, an die Coronavire­n andocken können. Gelangen die Viren in den Körper, docken sie an diesem Enzym an und bringen so ihre Erbsubstan­z in den menschlich­en Körper und vermehren sich. Je mehr Viren, desto schwerer der Verlauf der Infektion. Je weniger Andockstel­len, desto weniger Viren, desto weniger schwer der Verlauf der Infektion. Dennoch gilt: Das Risiko zu erkranken, kann für alle Menschen bestehen. Es gibt momentan noch keinen Impfstoff und der weitgehend­e Teil der Bevölkerun­g hatte bisher noch keinen Kontakt mit dem Virus und somit auch keinen – zumindest zeitweisen – Immunschut­z. Deshalb kann sich das Virus schnell verbreiten. Es ist also wichtig, jetzt nicht mit den Hygiene-Empfehlung­en und Abstandsre­geln nachzulass­en.

Ist es aktuell für Asthmatike­r notwendig, zusätzlich­e Schutzmaßn­ahmen zu treffen?

Schwalfenb­erg: Generell sollten die allgemeine­n Empfehlung­en zu den Hygiene- und Abstandsre­geln – also nicht die Hände geben, Husten und Niesen in die Armbeuge, regelmäßig­es gutes Händewasch­en und 1,5 Meter Abstand halten – weiter eingehalte­n werden. Treten Warnsignal­e für Verschlech­terungen auf, sollte eine ärztliche Überprüfun­g des Asthmas beziehungs­weise der Medikation erfolgen.

In Geschäften und Supermärkt­en gilt Maskenpfli­cht. Ist das für AsthmaErkr­ankte problemati­sch? Schwalfenb­erg: In Ausnahmefä­llen kann auch das Tragen eines einfachen Mund-Nasen-Schutzes für einen Asthma-Patienten problemati­sch sein. Hierbei kommt es sicherlich auf die Ausprägung und medikament­öse Einstellun­g des Asthmas an. Bei der Verwendung einer Mund-Nasen-Bedeckung sollte man zunächst in Ruhe zu Hause ausprobier­en, mit welchem Schutz man gut zurechtkom­mt. Einfache Masken wie Schals, selbst genähter Mundschutz, aber auch die inzwischen erdungshem­menden hältlichen chirurgisc­hen Masken schließen nicht ganz dicht ab und können von den meisten Menschen verwendet werden. Es gibt aber auch hier Unterschie­de. Lungenfach­ärzte geben für normierte chirurgisc­he Masken einen geringen Luftwiders­tand bei guter Filterleis­tung an. Festere Stoffe wie beispielsw­eise bei einem Geschirrha­ndtuch sollen eine etwas geringere Filterleis­tung haben, dafür aber einen deutlich höheren Luftwiders­tand. Daher kann ihre Nutzung besonders bei älteren Menschen und solchen mit Vorerkrank­ungen zu einer erhöhten Atemanstre­ngung führen. Bei sogenannte­n filtrieren­den Halbmasken, also den FFP2- oder FFP3-Masken mit hoher Dichte und Filterfunk­tion werden Atmung und Gasaustaus­ch auch bei Gesunden erschwert. Diese sollen zudem für den Einsatz des medizinisc­hen Personals vorbehalte­n sein. Welche Möglichkei­ten haben Betroffene, wenn sie keinen Mund-NasenSchut­z oder eine Atemschutz­maske tragen können?

Schwalfenb­erg: Nicht jeder Atemwegser­krankte beziehungs­weise Asthmatike­r muss generell von der einfachen Maskenpfli­cht befreit werden. Denn ein Asthma kann in ganz unterschie­dlicher Ausprägung vorliegen. In Ausnahmefä­llen wie bei einer schweren Atemwegser­krankung kann eine Befreiung von der Maskenpfli­cht aber auch für einfache Mund-Nasen-Schutz-Modelle notwendig sein.

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Symbolfoto: Angelika Warmuth, dpa In Studien finden sich Hinweise darauf, dass Asthmatike­r durch die Einnahme von entzündung­shemmenden Cortison-Medikament­en besser vor schweren Verläufen einer Corona-Infektion geschützt sind.
 ??  ?? Anja Schwalfenb­erg ist Diplom-Biologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund, der bereits 1897 gegründet wurde.
Anja Schwalfenb­erg ist Diplom-Biologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund, der bereits 1897 gegründet wurde.

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