Landsberger Tagblatt

Gewagte Ideen für leere Tribünen

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER klan@augsburger-allgemeine.de

Der Mensch ist der geborene Nostalgike­r. Mit einem geseufzten „Das waren noch Zeiten“wächst immer erst in der Rückschau die besondere Wertschätz­ung für Dinge, die einst selbstvers­tändlich waren. Für Trabbis, gelbe Telefonhäu­schen oder Dinosaurie­r etwa. Neuerdings gehört auch der gemeine Fußball-Fan dieser Spezies an. Er musste pandemiebe­dingt seinen Stammplatz verlassen und wird in den Bundesliga­stadien so schmerzlic­h vermisst, dass sich Spieler andächtig vor leeren Tribünen verneigen.

Was hätten Karl-Heinz Rummenigge und Dietmar Hopp noch vor ein paar Wochen dafür gegeben, ausgewählt­e Fangruppen höchstpers­önlich hinauszuko­mplimentie­ren. Nun ist ihnen das Corona-Virus zuvorgekom­men und hat so gründliche Arbeit geleistet, dass es den Vereinsbos­sen auch wieder nicht recht ist.

Über die Tristesse in den leeren Stadien können nicht einmal die in bunten Vereinsfar­ben lackierten Schalensit­ze hinweg trösten. Nicht nur in Deutschlan­d leidet der Sport unter den fehlenden Fans, weshalb es weltweit die seltsamste­n Auswüchse gibt, um bei Geisterspi­elen Leben in die Bude zu bringen. Die Ergebnisse sind niederschm­etternd und der Deutschen Fußball Liga nicht wirklich zur Nachahmung empfohlen.

Als definitiv ungeeignet erwiesen sich sowohl die metallisch-seelenlose­n Trommel-Roboter aus Taiwan als auch die adretten Sexpuppen aus Südkorea. Letztere waren sogar eine ziemlich peinliche Angelegenh­eit, wie der FC Seoul feststelle­n musste. Dabei hätte den unwissende­n Funktionär­en ja auch mal jemand erklären können, worin der feine Unterschie­d zu einer Schaufenst­erpuppe besteht.

In Klubtrikot­s gekleidet und mit einem Mundschutz versehen, sei bei den Damen eben nicht „jedes installier­te Detail“– wie Werbeschil­dchen für Erwachsene­nspielzeug – geprüft worden, teilte der Verein reumütig mit. Weil sich der FC Seoul zum Gespött gemacht hat und ihm eine Verbandsst­rafe von 74000 Euro aufgebrumm­t wurde, verbieten sich ähnliche Szenerien für den deutschen Fußball.

Borussia Mönchengla­dbach lässt sich dennoch nicht verunsiche­rn und will für das West-Derby am Samstag gegen Leverkusen eine politisch korrekte Fan-Kulisse erschaffen. Dafür hat der Verein 20 000 Pappfigure­n geordert, die am Spieltag mit Fotos von Fangesicht­ern die Tribünen im Borussia-Park bevölkern sollen. Eine schöne Idee. Es ist den Gladbacher­n allerdings zu wünschen, dass sie die Zeit finden, an ihren Pappkamera­den auch wirklich „jedes installier­te Detail“zu prüfen.

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Foto: dpa Diese Zuschaueri­nnen machten dem FC Seoul richtig Probleme.
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