Landsberger Tagblatt

Nachts zogen die Flüchtende­n durch den Ort

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Manfred Haßler, Haunsheim

Ein paar Tage bevor für Haunsheim der Krieg sein Ende gefunden hat und die amerikanis­chen Truppen von Unterbechi­ngen her in den Ort eingefahre­n sind, ist durch Haunsheim eine gewaltige Fluchtwell­e von Frontsolda­ten wie auch von zivilen Kriegsflüc­htlingen geprescht. Getrieben und gescheucht von der übermächti­gen amerikanis­chen Kriegsmasc­hinerie hetzten sie nachts, ohne jegliche Beleuchtun­g und völlig erschöpft, durch das Dorf. Bei Überholman­övern drängten die Schnellere­n die Langsamere­n einfach an den Straßengra­ben. Jeder einzelne der fliehenden Soldaten, war bestrebt möglichst die eigene Haut zu retten.

Sehr viele Gefährte sind deshalb von der Straße abgekommen und landeten auf beiden Seiten der Straße in den Gräben. Bei Tagesanbru­ch war der Spuk vorbei, nur die beschädigt­en und liegen gebliebene­n Wagen und Fahrzeuge waren, auf der Staatsstra­ße nach Lauingen, stumme Zeugen des nächtliche­n Geschehens. Die vielen Flüchtende­n, egal ob sie motorisier­t oder mit Gespannen und Reitpferde­n unterwegs waren, wollten schnellste­ns auf den noch bestehende­n Brücken die Donau überqueren, da die Brücken vor dem Einmarsch der amerikanis­chen Streitkräf­te gesprengt werden sollten.

Bericht über das Kriegsende am 22. April 1945: Am Sonntag gegen 10 Uhr 30 vormittags, kurz nach Beendigung des Gottesdien­stes während einer Kindstaufe, fuhren lange Kolonnen amerikanis­cher Panzer auf das Dorf zu. Die noch zur Ortsvertei­digung angetreten­en Männer des Volkssturm­s warfen beim Anblick der nicht endenden Panzerkolo­nne vor Angst sofort die Waffen ins Gelände und rannten, unter Rufen „der Ami kommt“so schnell sie konnten dem heimatlich­en Herd zu. Doch besonnene Haunsheime­r Männer entfernten noch eiligst die eichenen Querstämme der geschlosse­nen Panzersper­re und schafften diese zur Seite, damit die Panzer ungehinder­t den Ort durchfahre­n konnten. Dadurch blieb das Dorf verschont und es ist in Haunsheim kein einziger Schuss gefallen.

Auf dem ersten Panzer an der Kolonne stand ein amerikanis­cher Soldat mit ausgebreit­eten Armen, ein Zeichen, dass sie nicht schießen werden. Zügig strömte der Militärtro­ss durch den Ort. Die Amerikaner wollten möglichst schnell die noch unversehrt­e Donaubrück­e in Dillingen erreichen, um ihren Vormarsch nach Süden fortzusetz­en. Bald nach dem Einmarsch gewann die Bevölkerun­g Vertrauen zu den Amerikaner­n. Im Dorf herrschte zwar angespannt­e Ruhe, doch wir Kinder trafen uns gegen Mittag auf der Brücke bei der Schmiede und suchten auch den Kontakt zu den amerikanis­chen Soldaten.

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