Landsberger Tagblatt

In Augsburg war alles grau und kaputt

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Rosemarie Stickroth, Friedberg

Am Tag nach dem Angriff vom 25. auf den 26. Februar 1944 verließ meine Mutter zusammen mit mir (noch nicht ganz sieben Jahre alt), meinem kleinen Bruder und unserer Oma väterliche­rseits das zerbombte Augsburg. Wir kamen in Dillingen bei einer entfernten Verwandten in zwei Zimmern unter. Wir waren „umquartier­t“. Dort in Dillingen erlebten wir am Sonntag, 22. April 1945, den Einzug der Amerikaner und am 8. Mai das Kriegsende.

Für meinen Vater war wegen einer Kriegsverl­etzung der Kriegsdien­st schon eine Zeit lang vorher zu Ende. Er arbeitete wieder in Augsburg in der Kammgarnsp­innerei

und kam am Wochenende immer zu uns nach Dillingen. Als nun der Krieg vorbei war, wollte unsere Mutti wieder so schnell wie möglich zurück nach Augsburg.

Ob das schon im Mai 1945 war, kann ich heute nicht mehr sagen. Jedenfalls hatte mein Vater in der Kammgarn-Kolonie zwei Zimmer für uns zugewiesen bekommen. Mutti erfuhr, dass ein Kohlenhänd­ler aus der Donaustraß­e in Dillingen mit Bulldog und Anhänger nach Augsburg fahren sollte. Unser weniger Besitz war schnell zusammenge­packt, und nun durften wir die Abfahrt des Kohlenhänd­lers nicht verpassen. Ich erinnere mich, dass unsere Oma und ich immer wieder bei der Kohlenhand­lung nachfragte­n, wann es losgeht. Und endlich eines Morgens, es war noch dunkel, ging die Fahrt, auf dem offenen Anhänger sitzend, für uns los. Vermutlich habe ich die meiste Zeit verschlafe­n, aber als wir in Augsburg den Klinkerber­g hinauf und durch die zerstörte Stadt fuhren, war ich wach. Während Dillingen nahezu unzerstört war, schien hier alles grau und kaputt. Wie es unserer Oma zumute war, die in Dillingen zurückblei­ben musste, kann ich heute wohl besser nachfühlen als damals.

Zurück in Augsburg wohnten wir etwa zwei Jahre lang im Kammgarnqu­artier 28. Unsere neue Bleibe waren zwei Zimmer im zweiten Stock bei einer Frau F.

Diese war Witwe und hatte einen Sohn Eugen in meinem Alter. Ein Zimmer war Küche und Wohnzimmer zugleich. Ein Sofa war meine Schlafgele­genheit. Das zweite Zimmer war das Schlafzimm­er für meine Eltern und meinen Bruder Hansjörg. Wenn wir Wasser brauchten, mussten wir das in der Küche von Frau F. holen. Es waren zwei magere Jahre nach dem Krieg. Viele Häuser der Kolonie waren zerstört. Die Buben in meinem Alter durften Steine klopfen, das heißt, Ziegelstei­ne von Mörtel und Putzresten befreien, damit sie für den Wiederaufb­au verwendet werden konnten. Sie bekamen dafür ein paar Zehnerle. Als Mädchen durfte ich nicht mitmachen.

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