Landsberger Tagblatt

Keinen Platz mehr im Keller

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Dr. Gerhard Hettinger, Mertingen Bis zur schrecklic­hen Bombennach­t vom 25. zum 26. Februar 1944 wohnte ich mit meiner Familie in Augsburg nächst dem Stadttheat­er. In der Nacht saßen wir (ohne Vater, der als Arzt im Noteinsatz war) im Luftschutz­keller und hörten die Bomben einschlage­n.

Plötzlich riss eine Luftmine mit einem Schlag die ganze hintere Front des Gebäudes ein und schleudert­e den eisenbeweh­rten Ausstieg in den Luftschutz­raum herein. Luftschutz­helfer lotsten uns dann aus den Trümmern und dem Flammenmee­r darüber aus dem Keller heraus. Bei der zweiten Terrorwell­e hatten wir in keinem anderen (überfüllte­n) Keller Zuflucht gefunden und mussten ebenerdig im Parterre der MariaThere­sia-Oberschule ausharren. Durchs Fenster sahen wir die Bomben herabzisch­en. Ich war wie betäubt, gelähmt, erstarrt.

Das Entsetzen aus dieser Nacht verfolgte mich dann bis zum Kriegsende und sorgte für ständige Angst, vor allem wenn die Sirenen wieder Fliegerala­rm heulten. Endlich war es so weit: Ende April 1945 rückte die US-Army ein und bereitete den Qualen ein Ende. Ich war zehn Jahre alt. Wir wohnten zu dieser Zeit in unserem Sommerhaus in einem Waldeck in Leitershof­en. Vorsorglic­h hatte mein Vater mit mir und meinem Bruder im Wald einen Unterstand gebuddelt, um bei den befürchtet­en Schlussgef­echten zum Kriegsende Unterschlu­pf zu finden. Wir brauchten ihn dann aber nicht: Am frühen Morgen bei Ankunft der Army hörten wir nur weit weg vereinzelt­e Schüsse, die mich zwar beunruhigt­en. Mein Vater aber, Frontsolda­t von 1917, blieb seelenruhi­g im Bett. Ich war erleichter­t, befreit von allen Verängstig­ungen der vorausgega­ngenen Monate. Endlich Frieden und Freiheit!

Tags darauf fand ich mit meinem Freund Mikel im Wald einen riesigen Haufen von Waffen und Ausrüstung­en, die wohl SS-Einheiten hinterlass­en hatten, als sie türmten. Alle Mitbringse­l aus dem Haufen mussten dann aber abgeliefer­t werden. Alsbald erschienen US-Soldaten, die am Waldrand Wache schoben. Sie waren zu Mikel und mir stets liebenswür­dig.

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