Was die Semmel mit der Oma zu tun hat
Ein Landsberger Familienbetrieb in vierter Generation: Die Bäckerei Manhart und die Lust am Backen. Warum die Betreiberfamilie Gerum im Urlaub an keiner Bäckerei vorbeigehen kann, ohne reinzuschauen
Landsberg Warum schmeckt eigentlich eine Rosensemmel so ganz anders als eine normale Semmel, wo doch genau die gleichen Zutaten drin sind, nämlich lediglich Mehl, Wasser, Hefe und Salz? Wird jede Breze wirklich von Hand gedreht und warum eigentlich können Norddeutsche keine Brezen backen? Gleich vier Mitglieder der alteingesessenen Landsberger Familie Gerum, früher Manhart, führen durch die modernen Backstuben der Zentrale im Gewerbegebiet Nord: Vater und Seniorchef Michael Gerum, die beiden Söhne Max und Fabian, die sich mit dem Vater die Geschäftsführung und Inhaberschaft teilen, sowie Mutter Sigrid Gerum, zuständig für die reibungslose Organisation aller 14 Geschäfte.
10 Uhr. Draußen parken die bekannten gelben Lieferwagen mit den aufgedruckten Brezn, die frischen Brote und Backwaren sind längst an die Filialen ausgeliefert. Das Bäckerhandwerk findet in den Nacht- und frühen Morgenstunden statt, die ersten Semmeln sollen ja bereits um 6.30 Uhr in den Läden liegen. Drinnen wird sauber gemacht, für die meisten Manhart-Bäcker ist jetzt schon Feierabend, der Sauerteig ist angesetzt, die Brotund Semmelteige ruhen in Kühlräumen, die Öfen mit den Natur- und Schamottsteinen glühen noch nach, über allem liegt ein ganz feiner Mehlstaub und es riecht nach frischgebackenem Brot.
Wie ist das, wenn man in einer Bäckerfamilie mitten in der Innenstadt am Hauptplatz groß wird, hat man dann als Kind unbegrenzten Zugang zu allen Kuchen, Torten und Teilchen? „Ja, hat man“, Michael Gerum lacht. Sein Großvater Karl Manhart hatte 1913 im heutigen Manhart-Cafe am Hauptplatz seine Backstube eröffnet. Als er nur 16 Jahre später starb, übernahm seine Frau Augusta Manhart den Laden. 1962 stieg ihre Tochter Gusti, verheiratete Gerum, als eine der bayernweit ersten Bäckermeisterinnen in das Geschäft ein. Die Familie wohnte über dem Laden, beherbergte dort auch einige Lehrlinge sowie die Haushälterin „Walli“(„quasi unsere dritte Oma“, so Max Gerum) und eine Köchin, die für die gesamte Mannschaft mittags kochte.
Michael Gerum, Sohn von Gusti, ist als Bäcker- und Konditormeister seit 1978 dabei, 1983 plante er die Eröffnung der ersten Filiale in der Weilheimer Straße und fünf Jahre später übernahm er den Betrieb komplett. Seine Frau Sigrid, gelernte Arzthelferin und Versicherungsfachangestellte, steht ihm seitdem im Büro und in allen 14 Filialen zur Seite.
Die Eltern hätten niemals gedrängt, versichern die Söhne, dennoch haben sich beide ebenfalls für das Bäckerhandwerk entschieden. Fabian, mit 31 Jahren der Jüngere, entschied nach einem Praktikum als Schiffsbauer in Utting: Ich werde Bäcker. Er lernte in München das Brotbacken, in Augsburg das Konditorhandwerk und machte anschließend in der Akademie Lochham in beiden Gewerken seinen Meister. Max, 33, absolvierte nach dem Abi am IKG zunächst seinen Zivildienst. Ihn drängte es zum Studium, doch zuvor wollte auch er zumindest eine Bäckerlehre in der Tasche haben, „sonst bin ich später in der Berufsschule zu alt“. Dann kam das BWL-Studium in Ingolstadt und danach ein kurzer Ausflug in das Bankenwesen Münchens. Aber nur das lag ihm nicht, „das Gefühl, etwas Gutes zu schaffen und es nachher auch in den Händen zu halten, die Verantwortung für ein Produkt, das ist schon sehr schön“, sagt Max Gerum. 2018 schloss er als bayernweit bester Bäckermeister seine Prüfungen ab.
„Traditionelles Backen mit moderner Unterstützung“, so nennen die Gerums ihre Herstellungsweise. Um Mitternacht setzt ein Bäckermeister die ersten Teige an. Das Kneten erledigt später eine überdimensionierte Knetmaschine. Eine andere Maschine wiegt die Teiglinge exakt ab und wirft die entsprechenden „Knubbel“aus, nun wird jedes Brot von mehreren Bäckern per Hand geformt, „ausgeworfen“ist der Fachbegriff. An anderer Stelle stehen drei weitere Bäcker und schlingen mit einer speziellen Wurftechnik – aus den, von der Maschine ausgerollten länglichen Teigstücken – die Brezn. Wichtig ist bei allem „die lange Teigführung“, da „bauen sich bestimmte Zucker ab“, so Michael Gerum, das Brot wird geschmacklich besser, verträglicher und man braucht keinerlei Zusatzstoffe. Jetzt kommen wir auch zum Unterschied Rosen- versus normaler Semmel, denn derselbe Inhalt führt bei unterschiedlicher Teigführung zu einem anderen Ergebnis. Sehr komplex, das Thema Backen.
Gelegentlich hat das ManhartBäcker-Team Lust auf ein neues Rezept. „Meistens der Papa“, sagen die Söhne. Die Oma Gusti mochte beispielsweise gerne kräftigen Roggen mit einer sehr langen Sauerteigführung. Ein Jahr tüftelte die Familie an einem Semmel-Rezept, „es sollte natürlich der Oma zu Ehren etwas Besonderes werden“, und heraus kam als neuestes Produkt: das Roggengusti. Das ebenfalls neu entBüro, wickelte Rezept für das DinkelpurBrot stand nach einem Versuch fest, es schmeckte gleich allen. „Wir haben darüber hinaus ein jahreszeitlich extrem wandelndes Sortiment, Fasching, Ostern, Weihnachten, unser Geschäft ist sehr abwechslungsreich“, so Michael Gerum.
Mit insgesamt 160 Angestellten, davon fünf Bäckermeister plus die drei Inhaber, drei Lehrlinge, ein Konditormeister wird sieben Tage die Woche produziert. Drei Staatsehrenpreise (die man nur alle drei Jahre für außergewöhnliche Qualität rückwirkend, auf die letzten fünf Jahre betrachtet, erhält) sowie Auszeichnungen von der Zeitschrift „Feinschmecker“und alljährliche Goldnominierungen, beispielsweise für die Elisenlebkuchen, sprechen für sich. Michael, Max und Fabian Gerum sind mit Leib und Seele Bäcker, selbst im Urlaub können sie nicht widerstehen und betreten ausnahmslos jede Bäckerei, die ihren Weg kreuzt.
Um Mitternacht wird der erste Teig angesetzt
Das Roggengusti hat eine besondere Geschichte