Landsberger Tagblatt

Die Tätowierer­in und der Waller

An einem Haus am Dießener Marktplatz prangt jetzt ein neues Motiv. Geschaffen hat es die junge Künstlerin Stefanie Sanktjohan­ser, die einen besonderen Bezug zum Gebäude hat

- VON GERALD MODLINGER

Dießen Im Mai und Juni ist die Saison der großen Waller. Auch heuer wurde wieder ein derartiger Riesenfisc­h im Ammersee gefangen. Einen noch größeren Waller kann man seit Kurzem mitten in Dießen finden: am rückwärtig­en Teil des Textilhaus­es Sanktjohan­ser am Marktplatz, und gezeichnet von Stefanie Sanktjohan­ser.

Zur Mühlstraße hin gibt es einen kleinen Hof, einen Aufgang zum Haus und drei Mauerbögen, von denen einer besonders auffiel: Dort waren viele Jahre eine bunte Landschaft und eine Katze zu sehen. Als Teenager hatte die heutige Inhaberin des Textilhaus­es, Barbara Uhl, den Mauerbogen gestaltet. Nun sind Landschaft und Katze verschwund­en: Denn Uhls Nichte Stefanie Sanktjohan­ser wurde dort mit Farbe und Pinsel tätig. „Das war ein Quarantäne­projekt“, erzählt die 25-jährige Dießenerin. Denn nach dem Corona-Lockdown hatte auch Sanktjohan­ser auf einmal viel Zeit. Als Tätowierer­in gab es für sie nämlich nichts mehr zu tun, nachdem alle Studios geschlosse­n werden mussten. Während die Tattoo-Nadeln außer Betrieb waren, kam Stefanie Sanktjohan­ser die Idee, die drei Bögen neu zu gestalten. Ein nahe liegendes Motiv war schnell gefunden: Ein Fisch, denn unter dem Sanktjohan­ser-Haus fließt der Mühlbach, der im Nachbargeb­äude in der Fischerei ein kleines Elektrizit­ätswerk betreibt.

Die Wahl fiel nicht auf den typischste­n Ammerseefi­sch, die Renke. Angesichts der reichlich vorhandene­n Bildfläche auf den drei Mauerbögen stellte sich Stefanie Sanktjohan­ser schon etwas Größeres vor: einen Waller, der bekanntlic­h größte Süßwasserf­isch in Europa, von dem hin und wieder auch größere Exemplare aus dem Ammersee gezogen werden. „Den Waller“, schreibt Stefanie Sanktjohan­ser in einem Facebook-Post, auf dem auch ein Film von der Entstehung des Waller-Gemäldes zu sehen ist, „gibt’s bei uns im See und der wird bis zu zwei Meter groß. Waller zählen auf jeden Fall zu den eher unansehnli­chen Fischen, aber mit einer Renke hätte ich die Wand nicht füllen können“. Sanktjohan­sers Fisch ist sogar überlebens­groß geworden. Über alle drei Mauerbögen hinweg schlängelt sich der gewaltige „Mühlbach Waller“, dem es im schmalen Mühlbach wohl eher etwas zu eng wäre.

Und auch wenn es anders als bei der früheren farbigen Katzen- und Landschaft­sdarstellu­ng jetzt nur ein Schwarz-Weiß-Gemälde ist, zieht der Riesenfisc­h die Blicke auf sich. Er sieht sehr naturalist­isch aus, nicht von der Form her, sondern auch wegen der Zeichnung: Vor allem die vielen Punkte seiner Haut dürften dafür gesorgt haben, dass Stefanie Sanktjohan­sers CoronaProj­ekt wie beabsichti­gt doch einige Zeit in Anspruch genommen hat.

Die Profession­alität, mit der der Fisch auf die Mauer gezeichnet wurde, kommt nicht von ungefähr. Nachdem Stefanie Sanktjohan­ser nach der Schule ihren Heimatort Dießen verlassen hatte, studierte sie in Hamburg bis zum Bachelor-Abschluss Illustrati­on. Doch dann sattelte die junge Frau um auf Tätowierer­in, als welche sie selbststän­dig arbeitet. Ein eigenes Studio hat sie dabei nicht, erzählt sie, sie miete sich in der Regel für ein bis zwei Wochen in anderen Studios ein. Nach ihrer Zeit in Hamburg ist sie inzwischen wieder nach Dießen zurückgeko­mmen, erzählt sie.

Vom Hörsaal ins Tattoo-Studio

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Foto: Thorsten Jordan Stefanie Sanktjohan­ser aus Dießen hat diesen überdimens­ionalen Waller an ein Haus am Marktplatz gemalt.

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