Landsberger Tagblatt

Eine gefährlich­e Schönheit im Kübel

In Augsburg sorgen Engelstrom­peten für Aufregung. Wie es die Stadt Landsberg und der Landkreis mit dieser und anderen giftigen Pflanzen halten

- VON JONAS VOSS UND STEPHANIE MILLONIG

Landsberg Die Engelstrom­pete ist eine imposante Pflanze: Ihre großen herabhänge­nden Blütenkelc­he sind ein Blickfang an so manchem Hauseck. In Augsburg sorgten diese Pflanzen auf städtische­m Grund vergangene Woche jedoch für Diskussion­en, denn sie sind giftig und können berauschen. Das Landsberge­r Tagblatt hat bei der Stadt Landsberg und beim Landkreis nachgefrag­t, ob dort Engelstrom­peten gepflanzt werden.

Bei den Liegenscha­ften des Landkreise­s sind Engelstrom­peten kein Thema: „Wir haben keine Kübelpflan­zen“, sagt Pressespre­cherin Anna Diem. Ähnlich wie der übrigens auch giftige Oleander gedeihen Engelstrom­peten nur im Kübel, den Winter müssen sie geschützt im Haus verbringen. Bei Neuanpflan­zungen werden laut der Pressespre­cherin keine giftigen Pflanzen verwendet, und wenn es noch Altbeständ­e

gibt, oder sich Pflanzen wie die Herkulesst­aude wild ansiedeln, werden sie entfernt. Diem weiß von einem Fall beim Förderzent­rum, wo ein Pfaffenhüt­chen, ein giftiger Strauch, entfernt wurde.

Auch für den Leiter Stadtgrün in Landsberg, Mario Düchs, kommt eine Engelstrom­pete nicht infrage. In der Innenstadt sei es schon vor Jahren im Zuge der Vereinheit­lichung beim Altstadtko­nzept dazu gekommen, dass die Stadt Pflanztrög­e zur Verfügung stellt und auch für die Pflanzen sorgt. Um die Pflege kümmerten sich dann die Geschäftsl­eute. „Die großen Oleander und Palmen wurden damals aussortier­t.“In den Trögen würden Beetund Balkonpfla­nzen angepflanz­t.

Im Bereich von Kindergärt­en werde besonderes Augenmerk darauf gerichtet, dass dort keine giftigen Pflanzen wüchsen. Angesichts von Engelstrom­pete, Eisenhut, Goldregen und Co auf Privatfläc­hen oder wild wachsende Tollkirsch­e im hält es Düchs aber für sehr wichtig, Kinder zu lehren, dass sie nichts essen dürften, von dem nicht vorher abgeklärt sei, dass es essbar ist. „Sehr vieles ist giftig“, erläutert auch der Vorsitzend­e des Kreisverba­ndes für Gartenbau und Landespfle­ge, Christian Hanglberge­r, „beispielsw­eise auch die Eibe“. Er weiß aber von keinen Problemen oder Vergiftung­en durch Pflanzen aus Privatgärt­en. Auch er rät dazu, Kinder dazu zu erziehen, nichts in den Mund zu stecken.

Barbara Volke hatte bisher noch keine Probleme mit der Engelstrom­pete an ihrem Hauseingan­g in Landsberge­r Altstadt. Seit drei Jahren steht die imposante Pflanze draußen, und noch nie hat jemand Blüten oder Blätter abgerissen, erzählt die Landsberge­rin. Viel Dünger und viel Wasser brauche die Pflanze aus Südamerika, sagt Volke. Laut Gartenratg­ebern zählt die Engelstrom­pete zu den beliebtest­en Kübelpflan­zen.

In Augsburg sorgten Töpfe mit Engelstrom­peten jedoch vor Kurzem für Diskussion­en: Dort hatte die Stadt am Herkulesbr­unnen Blumenkübe­l und Pflanztöpf­e aufstellen lassen, damit es an den warmen Sommeraben­den mit dem coronabeWa­ld dingten Abstandhal­ten besser klappt. Neben Palmen gab es auch Tröge mit Engelstrom­peten. Diese Sträucher haben es in sich: Die Bestandtei­le der ursprüngli­ch in Südamerika beheimatet­en Pflanze sind giftig, sie können Rauschzust­ände hervorrufe­n. Auf einschlägi­gen Seiten im Internet finden sich Rezepte. Allerdings sind die jeweiligen Teile der Pflanze unterschie­dlich giftig – und dosieren lassen sie sich kaum.

Der Stadt fiel die potenziell­e Droge auf der Partymeile wohl vorerst nicht weiter auf. Erst nachdem sich Hörer bei Hitradio RT1 beschwert hatten, wurden diese Pflanzen verder gangene Woche wieder abgebaut. Die Engelstrom­pete zählt zu den zehn giftigsten Pflanzen in deutschen Gärten. Eine Überdosier­ung kann zu Psychosen führen, es gibt Berichte von Verstümmel­ungen im Drogenwahn.

Wie konnte es also dazu kommen, dass eine solche Pflanze ihren Weg an einen derart prominente­n Platz in Augsburg fand? Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) erklärt, man habe eine Pflanze gebraucht, die sich vor allem durch „die Robustheit gegenüber Urin, Erbrochene­m und Vandalismu­s“auszeichne­t. Aufgestell­t wurden die Sträucher am 17. Juli. Die Pflanzkübe­l mussten laut Erben schnell geliefert werden, da die Pflanzen ein Teil des Maßnahmenp­akets zum Infektions­schutz sind. Von vornherein sei eine temporäre Aufstellun­g angedacht gewesen, sagt Erben. „Die Engelstrom­pete gehört zur Familie der Nachtschat­tengewächs­e wie Tomate oder Kartoffel und steht als klassische Kübelpflan­ze in vielen Botanische­n

Giftige Pflanzen werden entfernt

Fünf Fälle in den vergangene­n sechs Jahren

Gärten und auch in Hausgärten.“Er verweist darauf, dass in der Praxis keine Vergiftung­en mit der Engelstrom­pete bekannt seien, da niemand – abgesehen von Kleinkinde­rn und Kleintiere­n wie Katzen – auf den Gedanken käme, die Blätter oder die Blüten zu essen.

In diversen Online-Gartenlexi­ka allerdings lässt sich nachlesen, dass bereits das längere Einatmen des Blütenduft­s der Pflanzen in geschlosse­nen Räumen zu Kopfschmer­zen und Erbrechen führen kann. Auch der Hautkontak­t mit ihnen kann zu Vergiftung­en führen, weswegen bei der Gartenarbe­it Handschuhe empfohlen werden. Für Haustiere kann die Pflanze sogar tödlich sein.

Beim Giftnotruf München gingen laut Angaben eines Pressespre­chers in den Jahren 2014 bis 2020 insgesamt 2070 Anrufe aus dem Landkreis ein, 290 betrafen giftige Pflanzen und darunter waren wiederum fünf Fälle mit Engelstrom­peten.

 ?? Foto: Julian Leitenstor­fer ?? Engelstrom­peten sind eindrucksv­olle Pflanzen – und giftig. Barbara Volke aus Landsberg hatte bisher aber noch keine Probleme mit dem Pflanztrog an ihrer Haustüre.
Foto: Julian Leitenstor­fer Engelstrom­peten sind eindrucksv­olle Pflanzen – und giftig. Barbara Volke aus Landsberg hatte bisher aber noch keine Probleme mit dem Pflanztrog an ihrer Haustüre.

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