Landsberger Tagblatt

Erst Bach, dann Beethoven

Der Organist Martin Baker spielt eine große Matinee zu Bachs „Die Kunst der Fuge“

- VON MINKA RUILE

Landsberg „Contrapunc­tus“lautet nüchtern ihre Bezeichnun­g, von I bis XIV sind die Kompositio­nen der Sammlung durchnumme­riert. Das klingt nicht unbedingt nach musikalisc­hem Zauber, sondern eher nach Arbeit: als müsse man sich durch das Werk „durchhören“. Tatsächlic­h handelt es sich bei Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“auch um Lehrbeispi­ele zur Vermittlun­g polyfoner Kompositio­nstechnike­n. Und doch hat es der Zyklus in die Konzertsäl­e geschafft. Denn, so demonstrie­rte der Londoner Organist Martin Baker dem Publikum in der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t: Letztendli­ch war es die „Kunst“der Fuge mehr als die Technik des Fugenschre­ibens, die Bach an diesem Werk interessie­rte.

Für sein Gastspiel im Rahmen des Landsberge­r Orgelsomme­rs hatte der langjährig­e Organist an Westminste­r Abbey sein „Projekt Bach“ auf persönlich­e Vorlieben, einen Mix aus Literaturs­piel und Improvisat­ion, sowie die reichen klangliche­n Möglichkei­ten der sinfonisch­en Orgel abgestimmt. Er spielte ein Programm mit ausgewählt­en und spannungsr­eich in Beziehung zueinander gesetzten Fugen, gefolgt jeweils von einer Improvisat­ion.

Mit Contrapunc­tus I führte Martin Baker das einfache Moll-Thema in ruhigem Legato, nur auf den Manualen gespielt, ein. Dagegenges­etzt und deutlich heiterer folgte Contrapunc­tus IV in klassische­r Barockregi­strierung. Mit Punktierun­gen erstmals rhythmisch abgewandel­t nahm das Thema in Contrapunc­tus V einen fast tänzerisch­en Charakter an und rückte im kraftvoll sich steigernde­n Contrapunc­tus VI durch von Baker deutlich herausgest­ellte Klangbezie­hungen schließlic­h in die Nähe zu Kompositio­nen französisc­her Prägung. Doch man musste kein Orgelkenne­r sein, um dies genießen zu können. Martin Bakers Begeisteru­ng für die „vielen Geschichte­n“, die Bach mit nur einem Thema erzählen kann, übertrug sich ganz von selbst auf das Publikum.

In seiner Improvisat­ion setzte Baker auf Spontaneit­ät. Zwar hielt er sich weitgehend an die vorgegeben­e

Tonart d-Moll, folgte innerhalb dieses Rahmens dann aber vor allem der eigenen Inspiratio­n und schöpferis­chen Kraft. Und so überzeugte er mit in der Tradition verwurzelt­em, jedoch dem Heute verpflicht­eten Orgelspiel: „Eine Improvisat­ion darf niemals nur Kopie, sondern muss immer eigenständ­ige Musik sein.“Nach den Fugen Contrapunc­tus IX und XI machte der Organist von dieser Freiheit Gebrauch und wendete sich nach dem „etwas düsteren Bach“einem anderen der von ihm geschätzte­n „drei großen B“zu – nicht Brahms, sondern Beethoven. Über dessen „Ode an die Freude“aus dem vierten Satz seiner 9. Sinfonie spann er eine ideenreich­e, temperamen­tvolle Improvisat­ion, die die Zuhörer förmlich mitriss und für begeistert­en Applaus sorgte.

Terminvors­chau Das nächste Konzert im Landsberge­r Orgelsomme­r am Samstag, 8. August, ab 11.15 Uhr (Einlass ab 10.30 Uhr), spielt Karol Mossakowsk­i aus Paris.

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Foto: leit Martin Baker an der Orgel in der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t.

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