Das Mordkomplott von Michigan
Sturm auf das Kapitol, Entführung der Gouverneurin, Anzetteln eines Bürgerkriegs: Im Mittleren Westen der USA durchkreuzen Ermittler erst im letzten Moment die Pläne einer rechten Miliz
Washington Als im April Demonstranten in Michigan mit halbautomatischen Sturmgewehren, Hakenkreuzfahnen und einem Galgen gegen die dortigen Corona-Restriktionen protestierten und zeitweise sogar das Parlamentsgebäude besetzten, zeigte Donald Trump großes Verständnis: „Das sind sehr gute Leute, aber sie sind wütend“, twitterte der US-Präsident und forderte „Befreit Michigan!“Fast wäre der Slogan blutige Wirklichkeit geworden. Eine Gruppe von sechs Rechtsextremen hat offenbar über den Sommer die Entführung und mögliche Ermordung von Gouverneurin Gretchen Whitmer kurz vor der Wahl am 3. November geplant.
„Ich wusste, dass dieser Job hart werden würde“, sagte die demokratische Politikerin: „Aber um ehrlich zu sein, hätte ich mir so etwas niemals vorstellen können.“Zuvor hatten die Bundespolizei FBI und lokale Kräfte eine Reihe von Verdächtigen festgenommen. Insgesamt 13 Personen werden von den Behörden des Terrorismus, der Verschwörung und diverser Verstöße gegen das Waffenrecht beschuldigt. Dem harten Kern drohen nun lebenslange Haftstrafen.
Nicht weniger als die Erstürmung des Kapitols und die Entfachung eines Bürgerkriegs strebten sechs der Beschuldigten laut FBI an. Dazu sollte Whitmer zunächst gekidnappt und dann bei einem Schauprozess verurteilt und mutmaßlich getötet werden. Sieben weitere Beschuldigte waren in die Beschaffung von Sprengstoff und die Aktivierung lokaler Milizionäre verwickelt. Die Behörden kamen der Gruppe durch Nachrichten in den sozialen Netzwerken auf die Schliche und nutzten dann vertrauliche Informationen, einen Undercoveragenten und abgehörte Telefongespräche, um die Verschwörung aufzudecken.
„Ich weiß nicht Jungs, wir müssen etwas tun“, schrieb einer der Beschuldigten im Juni bei Facebook: „Lasst mich Eure Ideen wissen!“Es war offenbar der Auftakt zu einem mörderischen Komplott. „Wir werden etwas ins Wanken bringen, Alter!“, postete ein anderer potenzieller Attentäter und wütete gegen die „Tyrannen-Hure“Whitmer. Tatsächlich trafen sich sechs Männer laut FBI im Sommer regelmäßig zu Schießtraining, Einsatzübungen
und Sprengstofftests. Ihre Pläne besprachen sie im Kellerraum eines Geschäfts, der durch eine unter einem Teppich versteckte Falltür zu erreichen war.
Nachdem ursprünglich angedacht war, Whitmer im Kapitol zu kidnappen, änderte die Gruppe später ihren Plan und konzentrierte sich auf das Ferienhaus der Politikerin. Die prominente Demokratin, die zeitweise als Vizekandidatin von Präsidentschaftsbewerber Joe Biden im Gespräch war, sollte nach Angaben von FBI-Agent Richard Trask als Geisel genommen, an einen „sicheren Ort“gebracht und dort verurteilt werden. Den Taser für ihre Betäubung brachte ein Beschuldigter bereits zu einer Besprechung mit. Das Sommerhaus wurde offenbar ausspioniert. Mit der Detonation einer Bombe unter einer Autobahnbrücke wollten die Terroristen dem FBI zufolge die Polizei von ihrer Aktion ablenken. Beim Kauf des Sprengstoffs am Mittwoch schlugen die Ermittler zu.
Rechte Milizengruppen, die sich gegen jegliche staatliche Vorgaben auflehnen, oft aber auch einen klar rassistischen und antisemitischen Hintergrund haben, gibt es in den USA seit langem. Die Corona-Restriktionen verschaffen ihnen offenbar neuen Auftrieb. FBI-Direktor Christopher Wray warnte im September, dass die größte Gefahr für tödliche Anschläge in den USA derzeit von rechten Anti-Regierungsgruppen
und weißen Nationalisten ausgehe. Sie hatten Whitmer wegen ihrer strikten Corona-Auflagen früh zum Feindbild erklärt. Im Bundesstaat Michigan mit knapp zehn Millionen Einwohnern sind bislang 146000 Menschen an dem Virus erkrankt und 7200 daran gestorben.
Trotz der Warnung des von ihm selbst eingesetzten FBI-Direktors und des nun aufgedeckten Mordkomplotts will sich Trump von den rechtsextremen Gewalttätern nicht klar distanzieren. Seine Aufforderung „Befreit Michigan!“hat er nie zurückgenommen.
Die Antwort des Weißen Hauses auf den Vorfall folgte prompt. In einer Serie von Tweets ging der an Covid-19 erkrankte Präsident die einem Mordanschlag entkommene Gouverneurin scharf persönlich an. Sie hätte einen „furchtbaren Job“gemacht und solle sich für den Einsatz der Bundespolizei FBI bedanken, statt ihn zu kritisieren, forderte er. Zwar beteuerte Trump, er toleriere keine Gewalt, geißelte aber ausschließlich die linke „Antifa, Anarchisten, Plünderer und Krawallmacher, die demokratisch regierte Städte niederbrennen“.