AfDFraktionschefin wird rabiat
Katrin Ebner-Steiner demoliert eine Plexiglasscheibe und verletzt dabei ihren Kollegen Ulrich Singer
München In der heftig zerstrittenen AfD-Fraktion im Landtag geht es offenbar immer rabiater zu – nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Nun gibt es einen ersten Leichtverletzten. Der schwäbische Abgeordnete Ulrich Singer erlitt eine Prellung an der linken Hand, weil Fraktionschefin Katrin EbnerSteiner im Verlauf eines hitzigen Wortgefechts mit solcher Wucht gegen eine Plexiglasscheibe geschlagen hatte, dass diese aus der Verankerung brach und dem Abgeordneten auf die Hand knallte.
Dass es im Landtag verbal auch mal hart zur Sache geht, gehört zum Geschäft. Dass aber rohe Gewalt zum Einsatz kommt, die einen Besuch beim Arzt nach sich zieht, kommt eher selten vor. Der letzte dokumentierte Vorfall dieser Art liegt mehr als zehn Jahre zurück. Und da war es erwiesenermaßen ein Scherz mit unglücklichem Ausgang: Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hatte seine SPD-Kollegin Johanna Werner-Muggendorfer spontan in die Luft gehoben und zappeln lassen, weil sie ihn wegen seiner Nähe zur CSU offenbar ein bisserl zu arg gefoppt hatte. Eine gebrochene Rippe war die Folge. Schmerzhaftere Konsequenzen aber hatte der Vorfall ansonsten nicht. Man versöhnte sich bei Spanferkel vom Grill.
In der 20-köpfigen Landtagsfraktion der AfD dagegen stehen sich – wie berichtet – zwei Lager offenkundig unversöhnlich gegenüber: Die sogenannte Zwölfergruppe, die vergeblich versucht hatte, die Fraktionsspitze um Ebner-Steiner und den Co-Vorsitzenden Ingo Hahn abzulösen, und die Achtergruppe, die den dreien mit einer Sperrminorität bis zur nächsten Wahl die Chefposten in der
Fraktion sicherte.
Vorläufiger Höhepunkt Zerwürfnisses war die geplatzte Fraktionsklausur im September, bei der die Zwölfergruppe vorzeitig abgereist war. Danach drang nicht mehr groß etwas nach draußen. Und nachdem sich die Fraktion vergangene Woche darauf verständigt hatte, alle finanziellen Zulagen für Führungspositionen zu streichen, ließ die Fraktionsführung sogar verbreiten, dass nun alles wieder in Ordnung sei. Mitglieder der Zwölfergruppe widersprachen: Solange die Führung gegen den erklärten Willen der Mehrheit im Amt bleibe, sei gar nix in Ordnung. des
Wie tief die Gräben innerhalb der AfD sind, wurde am späten Dienstagnachmittag für alle Anwesenden in der Plenarsitzung sichtbar. Als Ebner-Steiner ans Rednerpult trat, verließen ihre fraktionsinternen Kontrahenten geschlossen den Saal. Auf Nachfrage hieß es zunächst nur, dies sei „aus Solidarität mit dem Kollegen Singer“geschehen. Singer war da schon beim Arzt. Sein Handgelenk wurde bandagiert.
Im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigt der schwäbische Abgeordnete tags darauf den Vorfall, der sich am Dienstag in der AfD-Fraktionssitzung während einer Pause ereignet hatte. Es habe Streit gegeben. Ebner-Steiner habe ihn der Lüge bezichtigt und mit dem Rechtsanwalt gedroht. Er habe gesagt, dass sie damit nichts erreichen werde. Daraufhin habe Ebner-Steiner zum Schlag gegen die Plexiglasscheibe ausgeholt, hinter der er stand.
„Das ist ein unschöner Vorgang, den ich eigentlich nicht an die große Glocke hängen will“, sagt Singer. Die Verletzung sei nicht schlimm. Eine einfache Entschuldigung hätte ihm gereicht. Nachdem Ebner-Steiner aber von sich aus in AfD-Chatgruppen den Vorgang bekannt gemacht und obendrein ganz anders dargestellt habe, nehme er dazu nun auch Stellung. „Es ist keine Art, wie das momentan hier läuft. So geht man nicht mit Kollegen um“, sagt Singer.
Ebner-Steiner dagegen schiebt die Schuld für den Vorfall ihrem Kollegen zu. Sie erklärt: „Im Streitgespräch im Plexiglaskasten mit meinem Fraktionskollegen Singer habe ich mich bedrängt und verbal attackiert gefühlt. Zuerst saß Singer; als er laut wurde, stand er auf. Singer stand links neben mir. Aufgrund seiner Wortwahl bin ich beim Zurückweichen ruckartig an den Kasten gestoßen. Das Plexiglas fiel rechts neben mir um. Eine Beeinträchtigung war bei seiner Plenarrede im Anschluss an die gestrige Situation in einer Pause der Fraktionsversammlung für mich nicht ersichtlich. Trotzdem bedauere ich selbstverständlich den Vorfall.“
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