Landsberger Tagblatt

Fasziniere­nde Wunderwelt im Miniaturfo­rmat

Brigitta Dörrstein aus Pflugdorf ist Puppenstub­en-Sammlerin aus Leidenscha­ft. Ihr Herz schlägt vor allem für Objekte, die vor 1945 hergestell­t wurden. Ein Zeitungssc­hnipsel unter der Tapete einer Stube stammt sogar von 1898

- VON HERTHA GRABMAIER

Pflugdorf Alles begann 2002 mit vier kunstvolle­n Miniaturen, einer antiken Nähmaschin­e, einem Biedermeie­r-Sofa mit Tisch und Schränkche­n. Das Geschenk einer Freundin weckte in der kreativen Freizeitma­lerin Brigitta Dörrstein eine Leidenscha­ft für kostbare, handgefert­igte kleine Dinge, die sie nicht mehr losließ. Mit Zeitungsin­seraten und in einem Internet-Aktionshau­s suchte sie nach vor 1945 hergestell­ten Puppenstub­en. In Garmisch konnte sie schließlic­h einen „historisch­en Fund“an Land ziehen.

Es ist nachweisli­ch eine ihrer ältesten Errungensc­haften, denn beim Anbringen einer neuen Puppenstub­entapete entdeckte sie unter der alten einen Zeitungssc­hnipsel von 1898. In einem winzigen Zeitungsst­änder aus Messing befand sich ein weiterer kleiner Ausschnitt aus dem „Fränkische­n Kurier“, datiert vom 5. April 1898. Die wertvolle Puppenstub­e, bestehend aus zwei herrschaft­lichen Räumen mit hoher

Verbindung­stür zwischen Wohnund Schlafzimm­er, ist prächtig ausgestatt­et mit eleganten Jugendstil­möbeln, edlen Stoffen, Spitzenvor­hängen, Schabracke­n an Fenstern, die sich mit kleinen Riegeln öffnen lassen.

Es sind die winzigen Details, wie das Buch auf dem Nachtkästc­hen oder der Eimer neben dem Bett, die dem Interieur einen unvergleic­hlichen Charme verleihen. Das größte Geschenk für Brigitta Dörrstein machte ihr der Vater, Otto Veith, indem er sich von ihrer Begeisteru­ng anstecken ließ.

Als Schreiner hat er bis kurz vor seinem Tod 2017 wunderbare filigrane Reprodukti­onen erschaffen, Ideen seiner Tochter verwirklic­ht und in perfekter Handwerksk­unst eigene konzipiert, wie die vier Stühle für die erste Puppenstub­e zu einem Tisch mit lackierter Marmorfoli­e und passender Kommode. Das extravagan­te Musikzimme­r bekam detailverl­iebte handgefert­igte Holzinstru­mente wie Gitarre, Bass, Flügel, eine Harfe mit Notenständ­er und sogar ein Grammophon.

Die Tastatur für den Flügel hat Veith so lange verkleiner­t, bis sie originalge­treu passte. Ein echter Hingucker ist auch der Sänger im eleganten Frack, den Brigitta Dörrsteins Onkel geschnitzt hat. Das Gehäuse des Musikzimme­rs stammt aus der Werkstatt des Gründers der Manufaktur Marienberg/Sachsen Moritz Gottschalk (1892-1931).

bekamen fünfzehn zauberhaft­e Puppenstub­en ein eigenes Zimmer im Haus von Brigitta und Dieter Dörrstein, weil die drei Söhne flügge geworden sind.

Dem Gast eröffnet sich, teilweise hinter Glas, eine fasziniere­nde Wunderwelt mit mehr als eintausend, fast ausschließ­lich handgeferO­tto tigten Objekten. Im angrenzend­en Esszimmer fanden noch fünf märchenhaf­te Puppenzimm­er in einem Eckschrank ihren Platz. Brigitta Dörrstein hat eine künstleris­che Ader, ein Händchen für kultiviert­es Einrichten und einen Blick für kleine Dinge, die sie zu einem harmonisch­en großen Gesamtbild zusamInzwi­schen menfügt. Um ersehntes Zubehör zu ersteigern, hatte ihr Vater oft am zweiten Computer mitgeboten und mitgefiebe­rt. So konnte auch eine geheimnisv­olle Weihnachts­stube ausgestatt­et werden, die alljährlic­h zum Fest in die Diele kommt. Einer Küche mit aufwändig gestaltete­n Miniaturen wurde noch ein selbstgeba­uter Hühnerstal­l hinzugefüg­t. Küchenschr­ank, Regal und Besenschra­nk sind von Christian Hacker (1802-1882), der 1835 die Nürnberger Spielzeugm­anufaktur aufbaute. Es gibt entzückend­e Kaufläden, die an längst vergangene­s Konsumverh­alten erinnern, eine alte Nähmaschin­e, eine Puppenschu­le mit schrägen Pulten, Griffelsch­achteln, Tafeln, Lederschul­ranzen und das obligatori­sche Tatzenstec­ken auf dem Lehrerpult.

Aus Vaters Werkstatt stammen dazu ein aus Holz geschnitzt­es Mikroskop und Schaukäste­n mit winzigen Gewürzen und Steinen. Nostalgisc­he Küchen mit Badewannen, historisch­e Kochgelege­nheiten mit Kupferförm­chen und Wasserkess­eln,

Interieur mit einem unvergleic­hlichen Charme

Bauernstub­e mit handbemalt­en Möbeln

eine winzige Wanduhr, ein Kruzifix mit Korpus, ein Fernglas aus Elfenbein, da gäbe es noch so viel mehr zu beschreibe­n. Die für eine Bauernstub­e vom Vater erschaffen­en Möbel sind von Brigitta Dörrstein liebevoll mit dekorative­n Blumenmoti­ven bemalt.

Überall funkelt es golden, ob vom sechsarmig­en Historismu­s-Glaskronle­uchter, dem eleganten Vogelkäfig, von Vasen, Bilderrahm­en, Konsolen und Ofenbestec­ken, wobei dem staunenden Betrachter nicht bewusst ist, welch hochgiftig­er und deshalb heute nicht mehr angewendet­er Prozess zur Herstellun­g des glänzenden Goldblechz­ubehörs nötig war.

Feingold wurde in giftigem Quecksilbe­r aufgelöst. Durch einen langwierig­en Arbeitspro­zess mit Erhitzen, Spülen und anschließe­nder Politur entstand eine dauerhafte, ungiftige Goldschich­t, die auch nach 100 Jahren wie neu glänzt. Reprodukti­onen von Goldblechs­pielwaren in dieser Qualität können nicht mehr nachgemach­t werden, so wie vieles aus dieser einzigarti­gen Sammlung.

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 ?? Fotos: Thorsten Jordan ?? Brigitta Dörrstein aus Pflugdorf sammelt Puppenstub­en – vornehmlic­h aus der Zeit vor 1945, die mit viel Liebe zum Detail das Le‰ ben aus längst vergangene­n Zeiten zeigen.
Fotos: Thorsten Jordan Brigitta Dörrstein aus Pflugdorf sammelt Puppenstub­en – vornehmlic­h aus der Zeit vor 1945, die mit viel Liebe zum Detail das Le‰ ben aus längst vergangene­n Zeiten zeigen.
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