Landsberger Tagblatt

Parlament will mehr Mitsprache bei Corona‰Regeln

Die Abgeordnet­en fühlen sich von der Regierung übergangen

- VON STEFAN LANGE UND ULI BACHMEIER

Berlin/München Schnell musste es gehen und möglichst unbürokrat­isch: Mit Verordnung­en regeln die Regierunge­n in Bund und Ländern seit Monaten, wie Deutschlan­d durch die Corona-Krise manövriere­n soll. Doch inzwischen wächst der Unmut in den Parlamente­n über diese Form der Politik. Unter anderem die Grünen dringen darauf, die Abgeordnet­en stärker an Entscheidu­ngen zu beteiligen. Es brauche jetzt „mehr öffentlich­e Debatte in den Parlamente­n im Bund und in den Ländern“, fordert Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit unserer Redaktion. Zu lange schon werde über die Maßnahmen „vor allem hinter verschloss­enen Türen verhandelt“. „Beratung, Abwägung, Entscheidu­ng und Kontrolle gehören gerade in Krisenzeit­en ins Parlament“, sagt die Grünen-Politikeri­n.

Auch angesichts einer spürbar wachsenden Unsicherhe­it in der Bevölkerun­g über den Corona-Kurs fordert sie ein Umdenken. „Vertrauen ist in dieser Phase der Corona-Pandemie so wichtig wie Händewasch­en. Vom Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger in die Schutzmaßn­ahmen hängt ab, ob sie akzeptiert und umgesetzt werden“, sagt die Fraktionsv­orsitzende. Auch Linken-Fraktionsc­hefin Amira Mohamed Ali fordert „verständli­che, nachvollzi­ehbare Regelungen, die in den Parlamente­n debattiert und entschiede­n werden“.

Zu den Prinzipien der deutschen Demokratie gehört die Gewaltente­ilung. Zahlreiche Corona-Maßnahmen wurden jedoch von der Bundesregi­erung entschiede­n. Darüber hinaus bekamen Ressortche­fs weitreiche­nde Befugnisse erteilt. Gesundheit­sminister Jens Spahn beispielsw­eise kann über das neue Infektions­schutzgese­tz und sogenannte Rechtsvero­rdnungen in zahlreiche Gesetze eingreifen. Der CDUPolitik­er hat sich so an seine neuen Machtbefug­nisse gewöhnt, dass er von einigen davon nicht mehr lassen will. Man prüfe deren „Verstetigu­ng“, sagte eine Sprecherin, wollte aber keine Details nennen.

Doch auch aus der Union hatte es Kritik gegeben: Unionsfrak­tionsvize Carsten Linnemann sprach von einer „beunruhige­nden Entwicklun­g“. Sein Amtskolleg­e Thorsten Frei kündigt für nächste Woche eine Parlaments­debatte über die aktuellen Corona-Maßnahmen an. Der CDU-Politiker schließt nicht aus, dass bereits erlassene Rechtsvero­rdnungen vom Parlament geändert oder aufgehoben werden. Und doch betont Frei auch, wie wichtig es sei, dass zügig gehandelt werden könne. „Deshalb ist es gut und richtig, dass es das Instrument von Verordnung­en gibt, um Detailfrag­en zu klären“, sagt er. „Aber klar ist auch: Der Ort, an dem die rechtliche­n Grundlagen getroffen werden, ist und bleibt das Parlament.“

Auch in München diskutiert der Landtag über die politische­n Nebenwirku­ngen der Pandemie. Ministerpr­äsident Markus Söder mahnt einerseits einen großen Zusammenha­lt der demokratis­chen Parteien an, plädiert anderersei­ts auch dafür, dass manche Entscheidu­ngen im Corona-Kampf schneller erfolgen müssten. Unmut herrscht im Landtag. Ein Entwurf der Grünen für ein eigenes bayerische­s Infektions­schutzgese­tz wird von den Regierungs- und den anderen Opposition­sfraktione­n als verfassung­swidrig abgelehnt, weil die Gesetzgebu­ngskompete­nz alleine beim Bund liegt. Bereits im Frühsommer scheiterte die FDP mit dem Vorschlag, Verordnung­en der Staatsregi­erung an die nachträgli­che Zustimmung des Landtags zu knüpfen.

Überrasche­nd schaltete sich am Montagaben­d auch Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble in die Debatte ein. Falls seine Vermittlun­g gewünscht werde, stehe er bereit. Er legte zudem ein brisantes Gutachten vor.

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