Landsberger Tagblatt

So sind die Kliniken auf Corona vorbereite­t

Die Infektions­zahlen steigen rasant an, immer öfter überschrei­ten Städte und Landkreise im Freistaat kritische Grenzwerte. Wie viele Menschen derzeit auf Intensivst­ationen liegen und wie viele freie Betten es noch gibt

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Die Bilder, die in den Sommermona­ten beinahe vergessen schienen, kehren nun wieder ins Gedächtnis der Menschen zurück: Bilder aus Italien oder Spanien, wo die Intensivst­ationen angesichts der schieren Masse an Corona-Patienten heillos überforder­t waren. Dass derlei Zustände auch bald in Deutschlan­d herrschen könnten, diese Angst haben jetzt viele Menschen – denn das Virus breitet sich rasant aus. Vor allem auch in Bayern. Wie gut ist der Freistaat auf die kommenden Wochen vorbereite­t? Wie viele Intensivbe­tten gibt es? Müssen Operatione­n verschoben werden? Die wichtigste­n Fragen und Antworten zur aktuellen Corona-Situation.

Wie stark steigen die Infektions­zahlen in Bayern?

Bisher haben sich in Bayern 79735 Menschen mit dem Coronaviru­s infiziert (Stand Montag). Das zeigen die Zahlen des Robert-Koch-Instituts. Innerhalb der letzten sieben Tage wurden im Freistaat 6220 neue Fälle registrier­t. In mehreren Städten und Landkreise­n wurde bereits die kritische Marke von 50 neuen Erkrankung­en pro 100 000 Einwohner innerhalb einer Woche überschrit­ten, etwa in Augsburg oder im Ostallgäu.

Wie viele Covid-19-Patienten müssen derzeit auf einer Intensivst­ation behandelt werden? Deutschlan­dweit werden derzeit 830 Covid-19-Fälle intensivme­dizinisch behandelt, wie die Daten der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin (DIVI) zeigen. In Bayern sind es 93, davon werden 44 Menschen invasiv beatmet. Am Unikliniku­m Augsburg werden 39 Covid-19-Patienten behandelt (Stand Montagmitt­ag). Davon müssen laut Klinik acht Patienten intensivme­dizinisch versorgt werden, sieben werden beatmet. Hinzu kommen fünf Verdachtsf­älle in Abklärung, außerdem drei Personen in der Kinderklin­ik. Von mehr als 30000 deutschen Intensivbe­tten sind laut DIVI derzeit etwa 9400 frei. Zudem gibt es weitere rund 12 000 Betten, die im Notfall aktiviert werden können. In Bayern

von etwa 4200 Intensivbe­tten knapp 1300 frei. „Das ist noch keine kritische Größe“, sagt Eduard Fuchshuber, Sprecher der Bayerische­n Krankenhau­sgesellsch­aft. Die Hospitalis­ierung sei im Vergleich zur ersten Corona-Welle etwas gesunken, fährt er fort. Dem DIVI-Intensivre­gister zufolge gibt es in Bayern außerdem noch knapp 2000 Betten in der Notfallres­erve, die innerhalb von sieben Tagen zusätzlich aufgestell­t werden könnten.

Genügend Betten gibt es also, aber auch genügend Personal?

Die Personalno­t sei in der Tat ein großes Problem, sagt Fuchshuber. In der ersten Corona-Welle hätten viele Kliniken damit angefangen, Personal weiterzubi­lden, damit auch normale Pflegekräf­te auf Intensivst­ationen arbeiten können. „Dennoch fehlt noch immer überall Per

Warum es ausgerechn­et in der Intensivme­dizin zu Engpässen kommt, erklärt Fuchshuber so: Man brauche dafür eine Zusatzqual­ifikation. Außerdem sei es eine Arbeit, für die nicht jeder geeignet sei, schließlic­h verlange einem die Pflege schwerstkr­anker Menschen enorm viel ab, körperlich, aber auch psychisch.

Werden derzeit schon Operatione­n verschoben, um Kapazitäte­n für Covid-19-Patienten freizuhalt­en? Prof. Dr. Uwe Janssens, Präsident der Deutschen Interdiszi­plinären Vereinigun­g für Intensiv- und Notfallmed­izin, zufolge, haben alle größeren Krankenhäu­ser Pläne in der Tasche, im Notfall bestimmte Operatione­n zu verschiebe­n. „Im Moment müssen wir das aber noch nicht“, sagt Janssens. Auch Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Insind fektiologi­e an der München Klinik Schwabing, erklärt, dass so ein Vorgehen an seiner Klinik derzeit kein Thema sei. Es würden auch keine Therapien – etwa Chemothera­pien – verschoben.

Haben sich die Behandlung­smöglichke­iten verbessert und können wir deswegen ein wenig beruhigter in den Herbst blicken?

Was die Behandlung mit dem Medikament Remdesivir angeht, gebe es eine gewisse Ernüchteru­ng, sagt Mediziner Wendtner. Einer neuen Studie zufolge sei der Effekt wohl kleiner als man gedacht habe. Eine Reduktion der Sterblichk­eit sei in dieser Untersuchu­ng nicht zu beobachten, ebenso keine Verkürzung der Verweildau­er im Krankenhau­s, erklärt Wendter. „Wir setzen aber nach wie vor Remdesivir ein. Wir haben den Eindruck, dass es in Einsonal.“

Archivfoto: Peter Kneffel, dpa zelfällen geholfen hat.“Insgesamt habe man in den vergangene­n neun Monaten viel gelernt, sagt Wendtner. Aber eine wirkliche „Bazooka“gegen das Coronaviru­s, die habe man bisher noch nicht zur Verfügung.

Wie wird sich die Situation in den kommenden Wochen entwickeln? „Wir sollten wachsam sein, aber nicht panisch“, sagt Wendtner. Es sei wichtig, weiterhin an die Bevölkerun­g zu appelliere­n, die einfachen Regeln, mit denen man die Ausbreitun­g des Virus bremsen könnte, zu befolgen. „Das Problem ist derzeit, dass eine gewisse Müdigkeit herrscht“, sagt Wendtner. Wie es nun im Herbst weitergeht, das liege am Verhalten jedes Einzelnen. „Es wäre schön, wenn wir diesen Stresstest für das Gesundheit­ssystem nicht provoziere­n würden.“

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Ein Corona‰Patient auf der Intensivst­ation im Frühling. In dieser ersten Welle haben die Kliniken viel über das Virus gelernt, sie konnten sich auf die zweite Welle, die mitt‰ lerweile angebroche­n ist, vorbereite­n.

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