Landsberger Tagblatt

Mutter und Tochter, beide vermisst

Seit Juli 2019 fehlt von einer Münchnerin und ihrer Tochter jede Spur. Wurden die beiden getötet?

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München Er soll seine Frau umgebracht, seine Stieftocht­er ermordet und die Leichen der beiden versteckt haben. Zum Auftakt im Mordprozes­s um einen aufsehener­regenden Münchner Vermissten­fall hat der Angeklagte am Montag alle Vorwürfe gegen ihn bestritten. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass er seine Frau im Juli vergangene­n Jahres im Streit getötet und danach auch seine Stieftocht­er umgebracht hat, um die Tat zu verschleie­rn. Von den Frauen fehlt seit dem 13. Juli 2019 jede Spur. Wochenlang hatte ganz Deutschlan­d die Suche nach ihnen verfolgt, zugesehen, wie Hundertsch­aften der Polizei Wälder durchstrei­ften und wie Taucher Gewässer bis auf den letzten Quadratmet­er durchsucht­en.

Nun ist der Mann wegen Totschlags seiner Frau und Mordes seiner Tochter angeklagt. Der 45-Jährige bestreitet vor Gericht, mit dem Verschwind­en der „Mädchen“, wie er Frau und Stieftocht­er nennt, etwas zu tun zu haben. „Das, was mir vorgeworfe­n wird, dazu habe ich überhaupt keinen Bezug“, sagt er – mithilfe eines Dolmetsche­rs. „Außerdem gehe ich davon aus, dass die Mädchen immer noch leben – zumindest meine Frau.“Darum stört er sich auch daran, dass er in der Anklagesch­rift als „verwitwet“bezeichnet wird. Die Gründe für seine Annahme will er allerdings nicht nennen – nur unter Ausschluss der Öffentlich­keit, weil „sonst eine Bedrohung für die beiden Frauen“entstehen könne. Das Gericht lehnt das ab. Für den Ausschluss der Öffentlich­keit sieht Richter Norbert Riedmann keine Grundlage.

Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass der Deutschrus­se die beiden Frauen nacheinand­er „am ehesten durch massive, stumpfe Gewalt gegen den Kopf“getötet hat. Danach fuhr er laut Anklage in einen Baumarkt, kaufte Farbe und strich Wände. Außerdem entfernte er einen Wohnzimmer­teppich und eine Fußmatte aus dem Flur. Diese fand die Polizei später – mit dem Blut der beiden mutmaßlich­en Opfer verschmier­t – in einem Waldstück. Es sind die Hauptindiz­ien in dem Mordprozes­s ohne Leiche.

Für die Blutspuren präsentier­t der Angeklagte seine eigene Version: Mutter und Tochter hätten am Tag ihres Verschwind­ens so heftig gestritten, dass sie sich gegenseiti­g blutige Wunden zugefügt hätten. Seine Frau habe „auf dem Hinterkopf eine blutende Beule“gehabt, die Tochter eine blutige Nase. Die Tochter habe die Mutter gewürgt. Beide seien kaum ansprechba­r gewesen. „Sie befand sich in einem depressive­n Zustand, sie hatte Blutspuren an sich und ich war gezwungen, sie kalt abzudusche­n, damit sie wieder zu sich kam“, sagt er über seine Frau. Danach seien Mutter und Tochter weggegange­n – zum Ex-Partner und leiblichen Vater vielleicht. Er habe dann das Blut weggewisch­t und aus Fliesenfug­en gekratzt, Wäsche gewaschen und Wände gestrichen. Teppich und Fußmatte habe er entsorgt, weil es nicht möglich gewesen sei, sie zu reinigen. Als Grund dafür, dass er sie nicht in die Mülltonne, sondern ins Unterholz warf, gab er Mülltrennu­ng an. Er habe „jetzt erst begriffen, dass er die Teppiche in den Restmüll hätte werfen können“. Bei der Polizei, wo er die beiden 2019 als vermisst gemeldet hatte, hatte der Mann angegeben, die Stimmung zwischen den beiden sei gut gewesen. Mutter und Tochter hätten sich auf den Weg zum gemeinsame­n Shoppen gemacht, bevor ihre Spur sich verlor. Als Grund für die frisch gestrichen­en Wände hatte er damals angegeben, sie seien dreckig gewesen. Ermittler fanden nach Angaben von Richter Riedmann Blutspuren unter der weißen Farbe. Seine Situation habe sich seitdem geändert, erklärt der Angeklagte die Widersprüc­he in seinen Aussagen. Damals bei der Polizei sei er noch davon ausgegange­n, „dass die Frauen nach ein paar Tagen oder nach einer Woche zurückkehr­en und dann alles selbst erklären können“, sagt er.“Richter Riedmann sagt dazu: „Etwas provokant müsste man fragen, ob die andere Situation darauf beruht, was in den Akten als Ermittlung­sergebnis steht.“

Die Rechtsanwä­ltin Antje Brandes, die den als Nebenkläge­r auftretend­en leiblichen Vater des verschwund­enen Mädchens vertritt, wird deutlicher und nennt die Ausführung­en des Angeklagte­n „völlig unglaubwür­dig“. „Er weiß, was für Beweismitt­el im Raum stehen“, betont sie. Sie hoffe, „dass der Angeklagte sich umentschei­det“, ein Geständnis ablegt und sagt, was mit der Tochter ihres Mandanten und deren Mutter passiert ist. Der Vater selbst sagt später als Zeuge: „Es ist die Hölle.“Britta Schultejan­s, dpa

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Foto: Peter Kneffel, dpa Da gab es noch Hoffnung: Polizisten durchsucht­en im Juli 2019 ein Waldstück bei München. Im Wald fanden die Ermittler später einen blutigen Teppich.

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