Die Angst vor dem zweiten Lockdown
Angesichts steigender Corona-Fallzahlen lässt die Politik Kneipen, Gaststätten, Kinos, Theater und andere Einrichtungen schließen. Betroffene Betreiber im Landkreis Landsberg reagieren mit Unverständnis
Landkreis Bund und Länder haben gestern neue Corona-Maßnahmen beschlossen . Bereits am Mittwochmorgen sickerten erste Details an die Öffentlichkeit. So sollen bundesweit Freizeiteinrichtungen und Gastronomie geschlossen, Unterhaltungsveranstaltungen verboten und Kontakte in der Öffentlichkeit sowie Feiern auf Plätzen und in Wohnungen eingeschränkt werden. Die Verhandlungen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten verfolgten auch Gastronomen, Fitnessstudio- und Kinobetreiber sowie Theaterleiter im Landkreis Landsberg mit Spannung. Durch den erneuten Lockdown sehen einige ihre Existenz in Gefahr.
Manuela Sauter betreibt in Landsberg die „Sonderbar“und das „Zim mer“. Wenn sie ihre Bars, wie vom Bund vorgesehen, im November nicht öffnen darf, überlege sie, ob sie eine der beiden komplett schließe. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr könne sie sich dank staatlicher Finanzhilfen und dem Sommergeschäft
derzeit gerade so über Wasser halten. Nun sei auch noch die Bewirtung von privaten Gesellschaften weggebrochen. Via Facebook wirbt sie für Restaurants und Kneipen. „Vertreibt die Menschen nicht aus der Gastronomie, viele treffen sich dann erst recht privat.“Sich in Bars oder Gaststätten mit dem Coronavirus zu infizieren, sei äußerst selten. Ihr selbst ist kein Fall in Landsberg bekannt. „Bei uns ist alles unter Kontrolle.“
Häufiges Lüften, ein ausgeklügeltes Hygienesystem, Maskenpflicht und ständiges Desinfizieren – auch Carmen Heigl, die Juniorchefin der Gaststätte Probst in Weil, sagt, dass die Ansteckungsgefahr in der Gastronomie gering ist. Das würden auch Virologen bestätigen. Müsste sie nun im November zusperren, würde das den Familienbetrieb arg treffen. „Es ging gerade wieder bergauf. Die Leute haben sich wieder getraut, zum Essen zu gehen“, sagt Carmen Heigl. Sollten die Vorschläge von Kanzlerin Merkel umgesetzt werden, sieht sie die Gastronomie als Sündenbock.
Alexander Rusch, der das Cine plexKino in Penzing betreibt, wollte in dieser Woche eigentlich zwei neue Mitarbeiter einstellen, weil er für den Herbst und die Zeit nach Weihnachten mehr Besucher erwartet hatte. Doch diesen Plan wird er nun wohl begraben müssen. Verständnis für eine einmonatige Schließung hat er nicht. „Wir haben hohe Räume, wenig Personal, eine moderne Lüftungsanlage, die Tickets werden online bestellt, alles wird regelmäßig desinfiziert und die Kunden begegnen sich kaum.“Mehr Sicherheit gehe eigentlich nicht, meint Rusch. In den vergangenen Monaten habe sein Unternehmen jeden einzelnen Tag „draufgezahlt“. Man könne gerade einmal die laufenden Kosten begleichen.
„Auf 200000 Besucher in einem Fitnessstudio kommt ein positiv auf Corona Getesteter“, sagt Reinhard Klinke, der Inhaber des Fitnessstudios Hardy’s in Greifenberg mit Filialen in Landsberg, Fürstenfeldbruck und Augsburg. In den großen Studioräumen des Hardy’s könnten die Abstände von mindestens 1,5 Metern eingehalten werden, es gebe Lüftungsanlagen und es sei nur eine begrenzte Besucherzahl zugelassen, die Anmeldung erfolge online. Klinke geht davon aus, dass im Fitnessstudio keine Ansteckungsgefahr besteht und er erlebt auch, dass die Besucher vorsichtig sind. „Es passt jeder auf sich selbst auf“, so Klinke. Die Besucher desinfizierten sich die Hände und legten an den Geräten Handtücher unter.
Bei dem angedachten „Lockdown
Light“empfindet er angesichts der existenziellen Bedrohung vieler Betroffener schon die Wortfindung als „Sauerei“und fragt sich, was es bringen soll. „Bei uns steckt sich eh niemand an.“Laut Klinke gelte das auch für viele Gastronomen, die mit funktionierenden Konzepten arbeiteten. „Die Leute stecken sich daheim an“, sagt er und verweist darauf, dass es auch in Ländern mit scharfen Lockdown-Bestimmungen hohe Fallzahlen gebe.
Sollte das Fitnessstudio wieder schließen müssen, will man bei Hardy’s „gemeinsam mit einem Rechtsanwalt und einem Virologen ein Konzept entwickeln“, das den Behörden vorgelegt werden soll. „Die Pauschalverfügungen sind für den Einzelnen brutal.“Reinhard Klinke geht davon aus, dass die CoronaPandemie uns noch länger begleiten wird und will daher längerfristige Lösungen.
Angesichts der Räumlichkeiten in seinen Studios kann laut Klinke jedem Einzelnen viel Platz eingeräumt werden. Theoretisch könnten einem Trainierenden 100 Quadratmeter zugesprochen werden. „Dann hätten wir immer noch 30 Besucher.“Die Leute wollten trainieren
„Vertreibt die Menschen nicht aus der Gastronomie.“
„Ich möchte derzeit nicht Ministerpräsident sein.“
und darunter seien viele Senioren, die als Risikogruppe gelten. Klinke weist dabei daraufhin, wie wichtig der Sport für die älteren Menschen ist. „Uns geht es darum, einen Weg zu finden, mit der Situation umzugehen.“
Die zweite Novemberhälfte ist im Stadttheater in Landsberg die Zeit mit den meisten Spielterminen. „Es wäre schade für unsere Zuschauer und Künstler, wenn wir zusperren müssten“, sagt Theaterleiter Florian Werner. Großes Gefahrenpotenzial, sich im Stadttheater mit dem Coronavirus anzustecken, sieht er nicht. „Im Theater kann man das ganz gut kontrollieren.“Aktuell könnten bis zu 90 Besucher eingelassen werden. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 wären aber nur noch 50 Personen zugelassen. Florian Werner ist sich bewusst, dass gerade für alle eine schwierige Situation ist. „Ich möchte derzeit auch nicht Ministerpräsident sein“, sagt er.
Eben diese Ministerpräsidenten diskutierten am Mittwoch mit der Bundeskanzlerin in einer Videokonferenz über massive Einschränkungen angesichts steigender CoronaInfektionszahlen. Die Maßnahmen sollen ab 2. November deutschlandweit in Kraft treten und bis Ende des Monats gelten. Viele der geplanten Maßnahmen gleichen den Einschränkungen, die es bereits im Frühjahr während der ersten Corona-Welle gegeben hat.