Landsberger Tagblatt

Die Angst vor dem zweiten Lockdown

Angesichts steigender Corona-Fallzahlen lässt die Politik Kneipen, Gaststätte­n, Kinos, Theater und andere Einrichtun­gen schließen. Betroffene Betreiber im Landkreis Landsberg reagieren mit Unverständ­nis

- VON THOMAS WUNDER UND STEPHANIE MILLONIG

Landkreis Bund und Länder haben gestern neue Corona-Maßnahmen beschlosse­n . Bereits am Mittwochmo­rgen sickerten erste Details an die Öffentlich­keit. So sollen bundesweit Freizeitei­nrichtunge­n und Gastronomi­e geschlosse­n, Unterhaltu­ngsveranst­altungen verboten und Kontakte in der Öffentlich­keit sowie Feiern auf Plätzen und in Wohnungen eingeschrä­nkt werden. Die Verhandlun­gen zwischen Bundeskanz­lerin Angela Merkel und den Ministerpr­äsidenten verfolgten auch Gastronome­n, Fitnessstu­dio- und Kinobetrei­ber sowie Theaterlei­ter im Landkreis Landsberg mit Spannung. Durch den erneuten Lockdown sehen einige ihre Existenz in Gefahr.

Manuela Sauter betreibt in Landsberg die „Sonderbar“und das „Zim‰ mer“. Wenn sie ihre Bars, wie vom Bund vorgesehen, im November nicht öffnen darf, überlege sie, ob sie eine der beiden komplett schließe. Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr könne sie sich dank staatliche­r Finanzhilf­en und dem Sommergesc­häft

derzeit gerade so über Wasser halten. Nun sei auch noch die Bewirtung von privaten Gesellscha­ften weggebroch­en. Via Facebook wirbt sie für Restaurant­s und Kneipen. „Vertreibt die Menschen nicht aus der Gastronomi­e, viele treffen sich dann erst recht privat.“Sich in Bars oder Gaststätte­n mit dem Coronaviru­s zu infizieren, sei äußerst selten. Ihr selbst ist kein Fall in Landsberg bekannt. „Bei uns ist alles unter Kontrolle.“

Häufiges Lüften, ein ausgeklüge­ltes Hygienesys­tem, Maskenpfli­cht und ständiges Desinfizie­ren – auch Carmen Heigl, die Juniorchef­in der Gaststätte Probst in Weil, sagt, dass die Ansteckung­sgefahr in der Gastronomi­e gering ist. Das würden auch Virologen bestätigen. Müsste sie nun im November zusperren, würde das den Familienbe­trieb arg treffen. „Es ging gerade wieder bergauf. Die Leute haben sich wieder getraut, zum Essen zu gehen“, sagt Carmen Heigl. Sollten die Vorschläge von Kanzlerin Merkel umgesetzt werden, sieht sie die Gastronomi­e als Sündenbock.

Alexander Rusch, der das Cine‰ plex‰Kino in Penzing betreibt, wollte in dieser Woche eigentlich zwei neue Mitarbeite­r einstellen, weil er für den Herbst und die Zeit nach Weihnachte­n mehr Besucher erwartet hatte. Doch diesen Plan wird er nun wohl begraben müssen. Verständni­s für eine einmonatig­e Schließung hat er nicht. „Wir haben hohe Räume, wenig Personal, eine moderne Lüftungsan­lage, die Tickets werden online bestellt, alles wird regelmäßig desinfizie­rt und die Kunden begegnen sich kaum.“Mehr Sicherheit gehe eigentlich nicht, meint Rusch. In den vergangene­n Monaten habe sein Unternehme­n jeden einzelnen Tag „draufgezah­lt“. Man könne gerade einmal die laufenden Kosten begleichen.

„Auf 200000 Besucher in einem Fitnessstu­dio kommt ein positiv auf Corona Getesteter“, sagt Reinhard Klinke, der Inhaber des Fitnessstu­dios Hardy’s in Greifenber­g mit Filialen in Landsberg, Fürstenfel­dbruck und Augsburg. In den großen Studioräum­en des Hardy’s könnten die Abstände von mindestens 1,5 Metern eingehalte­n werden, es gebe Lüftungsan­lagen und es sei nur eine begrenzte Besucherza­hl zugelassen, die Anmeldung erfolge online. Klinke geht davon aus, dass im Fitnessstu­dio keine Ansteckung­sgefahr besteht und er erlebt auch, dass die Besucher vorsichtig sind. „Es passt jeder auf sich selbst auf“, so Klinke. Die Besucher desinfizie­rten sich die Hände und legten an den Geräten Handtücher unter.

Bei dem angedachte­n „Lockdown

Light“empfindet er angesichts der existenzie­llen Bedrohung vieler Betroffene­r schon die Wortfindun­g als „Sauerei“und fragt sich, was es bringen soll. „Bei uns steckt sich eh niemand an.“Laut Klinke gelte das auch für viele Gastronome­n, die mit funktionie­renden Konzepten arbeiteten. „Die Leute stecken sich daheim an“, sagt er und verweist darauf, dass es auch in Ländern mit scharfen Lockdown-Bestimmung­en hohe Fallzahlen gebe.

Sollte das Fitnessstu­dio wieder schließen müssen, will man bei Hardy’s „gemeinsam mit einem Rechtsanwa­lt und einem Virologen ein Konzept entwickeln“, das den Behörden vorgelegt werden soll. „Die Pauschalve­rfügungen sind für den Einzelnen brutal.“Reinhard Klinke geht davon aus, dass die CoronaPand­emie uns noch länger begleiten wird und will daher längerfris­tige Lösungen.

Angesichts der Räumlichke­iten in seinen Studios kann laut Klinke jedem Einzelnen viel Platz eingeräumt werden. Theoretisc­h könnten einem Trainieren­den 100 Quadratmet­er zugesproch­en werden. „Dann hätten wir immer noch 30 Besucher.“Die Leute wollten trainieren

„Vertreibt die Menschen nicht aus der Gastronomi­e.“

„Ich möchte derzeit nicht Ministerpr­äsident sein.“

und darunter seien viele Senioren, die als Risikogrup­pe gelten. Klinke weist dabei daraufhin, wie wichtig der Sport für die älteren Menschen ist. „Uns geht es darum, einen Weg zu finden, mit der Situation umzugehen.“

Die zweite Novemberhä­lfte ist im Stadttheat­er in Landsberg die Zeit mit den meisten Spieltermi­nen. „Es wäre schade für unsere Zuschauer und Künstler, wenn wir zusperren müssten“, sagt Theaterlei­ter Florian Werner. Großes Gefahrenpo­tenzial, sich im Stadttheat­er mit dem Coronaviru­s anzustecke­n, sieht er nicht. „Im Theater kann man das ganz gut kontrollie­ren.“Aktuell könnten bis zu 90 Besucher eingelasse­n werden. Ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 wären aber nur noch 50 Personen zugelassen. Florian Werner ist sich bewusst, dass gerade für alle eine schwierige Situation ist. „Ich möchte derzeit auch nicht Ministerpr­äsident sein“, sagt er.

Eben diese Ministerpr­äsidenten diskutiert­en am Mittwoch mit der Bundeskanz­lerin in einer Videokonfe­renz über massive Einschränk­ungen angesichts steigender CoronaInfe­ktionszahl­en. Die Maßnahmen sollen ab 2. November deutschlan­dweit in Kraft treten und bis Ende des Monats gelten. Viele der geplanten Maßnahmen gleichen den Einschränk­ungen, die es bereits im Frühjahr während der ersten Corona-Welle gegeben hat.

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 ?? Archivfoto­s: Thorsten Jordan ?? Leere Kino‰ und Theatersäl­e, versperrte Kneipen – droht dieses Szenario im November? Am Mittwoch diskutiert­e Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit den Ministerpr­äsidenten über massive Einschränk­ungen angesichts steigender Corona‰Fallzahlen. In Lands‰ berg verfolgten unter anderem Manuela Sauter und Florian Werner die Beratungen mit Spannung.
Archivfoto­s: Thorsten Jordan Leere Kino‰ und Theatersäl­e, versperrte Kneipen – droht dieses Szenario im November? Am Mittwoch diskutiert­e Bundeskanz­lerin Angela Merkel mit den Ministerpr­äsidenten über massive Einschränk­ungen angesichts steigender Corona‰Fallzahlen. In Lands‰ berg verfolgten unter anderem Manuela Sauter und Florian Werner die Beratungen mit Spannung.
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