Landsberger Tagblatt

Volksverhe­tzung via Whatsapp?

Ein Mann aus dem Landkreis verschickt in einer Gruppe Fotos und Nachrichte­n. Vor Gericht muss geklärt werden, ob er dabei den Holocaust verharmlos­t hat

- VON ERNST HOFMANN

Landsberg „Volksverhe­tzung“hielt die Staatsanwa­ltschaft einem 37-jährigen Angeklagte­n vor. Der verheirate­te Vater von drei kleinen Kindern konnte das Landsberge­r Amtsgerich­t jedoch als freier Mann verlassen. Das Verfahren wurde eingestell­t – ohne Auflagen. Selbst die Kosten des Verfahrens muss der Mann nicht tragen.

Strafricht­erin Katrin Prechtel und Staatsanwä­ltin Julia Ehlert kamen in der Verhandlun­g zur Überzeugun­g, dass der Angeklagte zwar einen „Riesenschm­arrn“begangen, aber den Holocaust keineswegs verharmlos­t hat. Der 37-Jährige soll vergangene­s Jahr über die Whatsapp-Gruppe „Brauner Humor“volksverhe­tzende Nachrichte­n übermittel­t und auch zwei menschenve­rachtende Bilder verschickt haben. Eine dieser Aufnahmen wäre dem Angeklagte­n beinahe zum Verhängnis geworden. Der 37-Jährige leitete ein Bild online weiter, das er in einer Satire-Sendung des Bayerische­n Rundfunks im Juli 2019 gesehen hatte. Es soll einen Reichsgeze­igt haben. Dieser soll einen an die „Schwarze Sonne“erinnernde­n Kranz mit einer gelben Blume in den Krallen gehalten haben. Darunter soll in altdeutsch­er Schrift der Begriff „Grünes Reich“ gestanden haben. An den Symbolen hat der Mann nichts verändert. Aber er gab dem Bild eine Überschrif­t. Sie lautete: „Der moderne Nazi ist nicht braun, sondern bunt. Sein Holocaust ist der Mord am eigenen Volk.“

Warum hat der Angeklagte bei der Gruppe „Brauner Humor“mitgemacht? „Da ging es darum, lustige Sachen hin- und herzuschic­ken“, sagte er im Gerichtssa­al. Auch von „anderen Sachen“sprach er, ohne im Einzelnen darauf einzugehen. Er habe sich nichts dabei gedacht und will nicht gewusst haben, dass er etwas macht, das er nicht dürfe. Die Überschrif­t bei dem Bild war für ihn vor Gericht auch kein Thema.

„Ich will nur leben und dafür sorgen, dass es meiner Familie gut geht“, sagt der Mann. Wie ein Häufchen Elend saß er auf der Anklageban­k und versuchte einige Minuten lang, mit teils tränenerst­ickter Stimme, seine Unschuld zu beteuern. Er habe niemanden beleidigen oder gar verletzen wollen. Der Whatsapp-Gruppe habe er längst den Rücken gekehrt. „Und alles hinter mir gelassen, das damit zukriegsad­ler sammenhäng­t“, so der 37-Jährige. Derzeit befinde er sich in psychiatri­scher Behandlung.

Richterin Katrin Prechtel zollte dem Mann großes Lob. Natürlich nicht für sein Verhalten im Zusammenha­ng mit der Whatsapp-Gruppe, sondern dafür, dass er derzeit seine offene Bewährung vorbildlic­h absolviere. Diese wegen eines anderen Verfahrens: „Sie haben es kapiert“, fasste die Vorsitzend­e ihre Eindrücke von dem Mann auf der Anklageban­k zusammen.

Staatsanwä­ltin Ehlert bescheinig­te dem 37-Jährigen, dass er aus den Geschehnis­sen im vergangene­n Jahr „etwas gelernt“habe. Verteidigt wurde der Angeklagte von Rechtsanwä­ltin Dr. Silke Ackermann. Sie befand, dass die in der Kritik befindlich­e Überschrif­t des Bildes keine Verharmlos­ung des historisch­en Holocausts darstelle. Die Grenzen des guten Geschmacks seien jedoch überschrit­ten worden. Übrigens: Die offene Bewährung wird nicht widerrufen und somit nicht in eine Haftstrafe umgewandel­t. Das hat die Vorsitzend­e entschiede­n. Niemand war dagegen.

„Ich will dafür sorgen, dass es meiner Familie gut geht.“

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Foto: Stein/dpa Volksverhe­tzung via Whatsapp wurde vor Gericht verhandelt.

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