Landsberger Tagblatt

Ein Grüner der ersten Stunde

Fritz Kuhn war schon Partei- und Fraktionsv­orsitzende­r. Im Januar hört er als Stuttgarte­r Oberbürger­meister auf – für ihn das womöglich schwierigs­te Amt

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In Stuttgart wird an diesem Sonntag ein neuer Oberbürger­meister gewählt. Für Amtsinhabe­r Fritz Kuhn endet im Januar die wohl letzte große Aufgabe einer langen politische­n Karriere. Der Grüne der ersten Stunde saß im baden-württember­gischen Landtag, später im Bundestag, war in beiden Parlamente­n Fraktionsv­orsitzende­r sowie Parteivors­itzender in Land und Bund. Als er 2012 in Stuttgart zum Oberbürger­meister gewählt wurde, stand er in Berlin allerdings schon nicht mehr in der ersten Reihe.

Die Stuttgarte­r stellen ihm indes kein allzu gutes Zeugnis aus, zuletzt bescheinig­te ihm knapp die Hälfte der Bürger in einer Umfrage, keine gute Arbeit geleistet zu haben. Ihm werden Defizite bei Bürgernähe und Tatkraft zugeschrie­ben, sogar von Grünen-Wählern. Kuhn selbst dagegen, verheirate­t und Vater zweier

Söhne, ist mit seiner Arbeit zufrieden, schlechte Umfragewer­te hakt er als politische­s Alltagsges­chäft ab.

„Das halte ich aus, das ist Teil der Auseinande­rsetzung“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Und die Sache mit dem Stillstand? „Ich denke, ich habe genügend hinbekomme­n“, bilanziert Kuhn. „Die Stadt ist im Umbruch. Sie ist seit dem

Krieg Auto-orientiert und war es auch unter meinem Vorgänger noch. Ich glaube schon, dass ich da eine Wende hinbekomme­n habe.“Gleiches gelte auch für den Wohnraum, wichtigste­s Wahlthema für viele Stuttgarte­r:

„Wir haben das

Ziel, in jedem Jahr 1800 Wohnungen fertigstel­len zu können, in manchen Jahren nicht erreicht, in manchen Jahren übertroffe­n.“

Die Mehrheitsv­erhältniss­e im Gemeindera­t setzen einem Oberbürger­meister in Stuttgart enge Grenzen. „Ich hatte hier nie eine eigene Mehrheit, musste mir bei jedem Thema eine suchen“, sagt Kuhn. „Ich muss ehrlich sagen, dass ich das am Anfang für einen Vorteil gehalten habe. Inzwischen schwankt meine Meinung da eher, denn das ist sehr zeitaufrei­bend. Wenn im Gemeindera­t mehrere Fraktionen sind, deren Chefs selbst OB werden wollen, ist es ganz schön schwierig.“Viele umstritten­e Themen wie die autofreie Innenstadt seien mit knappsten Mehrheiten entschiede­n worden, erinnert sich Kuhn, der in Memmingen aufgewachs­en ist und nach dem Germanisti­k-Studium in München unter anderem an der Universitä­t Augsburg gearbeitet hat. Beliebt macht das eher nicht. „Ich habe diese Auseinande­rsetzung aufgenomme­n. Und ich habe auch schwierige Entscheidu­ngen getroffen, zum Beispiel gleich zu Beginn die Schließung des Fernsehtur­ms aus Brandschut­zgründen.“

Spruchreif­e Pläne für die Zeit nach der Amtszeit hat der 65-Jährige nicht. Was aber die Grünen angehe: „Wir haben eine ziemlich gute Aufstellun­g mit gutem Personal in allen Altersklas­sen. Und wir haben die Jugend auf unserer Seite. Das macht mir Hoffnung.“Und seine persönlich­e Bilanz? „Ich ruhe“, sagt Fritz Kuhn, „in mir.“Ulrike Bäuerlein

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Foto: dpa

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